Millionen-Investition 21.04.2016 15:20:00

AT&S eröffnete IC-Substrate-Produktion in Chongqing

Im Werk in Chongqing in Zentralchina wurde diese Woche eine neue Produktion feierlich eröffnet. In die Fertigung von IC-Substraten für die Mikroelektronik werden bis Ende 2017 rund 480 Mio. Euro investiert. Damit ist es das größte Einzelinvestment des steirischen Leiterplattenherstellers mit Sitz in Leoben-Hinterberg.

AT&S ist bereits seit 2001 in China vertreten und beschäftigt dort mittlerweile 5.900 Mitarbeiter. Zu einem Werk in Shanghai kommt nun die Produktionsstätte in Chongqing. Der Standort besteht aus zwei Werken: Das erste Werk produziert seit Ende Februar mit einer Linie IC-Substrate in Serienproduktion, ab Jahresende 2016 soll die zweite Linie hochgefahren werden. 280 Mio. Euro an Investitionen sollen in die IC-Substrate-Produktion in der zentralchinesischen Stadt fließen.

Das zweite Werk in Chongqing ist noch im Aufbau: Dort werden substrat-ähnliche Leiterplatten hergestellt. Der Start der Produktion ist im zweiten Halbjahr 2016 geplant, eine weitere Produktionslinie soll im nächsten Jahr starten. Rund 200 Mio. Euro werden in dieses Werk investiert.

IC-Substrate stellen die Verbindungsplattform zwischen Halbleitern (Chips) und Leiterplatten dar, sie "übersetzen" die Nano-Strukturen des Chips auf die Leiterplatte. Zum Einsatz kommen sie bei Mikroprozessoren für Computer, Kommunikation, Automotive und Industrie. Je nach Anwendungsgebiet gibt es verschiedenste Substrat-Technologien mit unterschiedlichen Aufbauten und Leistungsanforderungen.

Substrat-ähnliche Leiterplatten verfügen über feinere Strukturen als normale Leiterplatten. Sie werden für "Packaging-Lösungen" in der Mikroelektronik eingesetzt, die für Wearable-Produkte und beim "Internet der Dinge" angewandt werden. Dabei werden mehrere Halbleiter und elektronische Bauteile nicht separat auf die Leiterplatte bestückt, sondern die Bauteile auf die Chips montiert und in einem Gehäuse zusammengefasst.

Im IC-Substrate-Bereich hat AT&S nur ganz wenige Konkurrenten, die in dieser Qualität produzieren: Die Mitbewerber sitzen in Japan, Taiwan und Südkorea. In China ist das österreichische Unternehmen derzeit das einzige, das dieses Produkt in dieser hohen Qualität produziert, erläuterten AT&S-Manager gegenüber österreichischen Journalisten bei einem Betriebsbesuch in Chongqing.

Aus chinesischer Sicht entspricht der österreichische Hightech-Konzern mit seiner neuen Produktionsstätte in Zentralchina der chinesischen Wirtschaftsstrategie "Go West": Der zentral- und westchinesische Raum soll stärker entwickelt und industrialisiert werden. Der Bürgermeister von Chongqing, Huang Qifan, verwies bei einer Eröffnungszeremonie auf die Bedeutung des neuen AT&S-Werks für die Region. Chongqing, das sich mit 32 Millionen Einwohnern als "größte Stadt der Welt" tituliert, ist eine aufstrebende Stadt, in deren Umland sich internationale Auto- und Elektronik-Konzerne angesiedelt haben. "Die Fabrik von AT&S gibt unserer Elektronikindustrie einen starken Impuls", sagte Huang.

AT&S-Aufsichtsratschef Hannes Androsch entwarf in seiner Rede bei der feierlichen Eröffnung der IC-Substrate-Produktion in Chongqing die Fortsetzung des steilen Wachstumskurses für das Unternehmen. "Bald werden wir die Umsatzmilliarde überschreiten und über 10.000 Leute beschäftigen", zeigte sich der Aufsichtsratspräsident für die Zukunft des Mikroelektronikspezialisten zuversichtlich.

Als er die Gesellschaft im Jahr 1994 übernommen habe, sei an drei Standorten in Österreich ein Umsatz von 70 Mio. Euro erwirtschaftet worden. Im abgelaufenen Geschäftsjahr 2015/16 habe die AT&S bereits 750 Mio. Euro Umsatz mit 8.600 Beschäftigten in Werken in Österreich, Shanghai und Chongqing (beide China), in Südkorea und in Indien erwirtschaftet. Dabei habe man aber keine Arbeitsplätze von Österreich nach China verlagert, sondern mit neuen Fabriken in China die Arbeitsplätze in Österreich erhalten können.

"Das ist die logische Konsequenz der Globalisierung", meinte Androsch. Die Entwicklung finde in Kalifornien statt, aber "die Musik spielt hier, im Fernen Osten". Viele europäische Mitbewerber seien inzwischen vom Markt verschwunden, weil sie den Schritt nach China nicht gemacht hätten, ist der Unternehmer und Ex-Finanzminister überzeugt. Androsch hält über seine Privatstiftung 16,3 Prozent der AT&S-Aktien, 17,8 Prozent hält die Privatstiftung von Willibald Dörflinger. Der Rest der Aktien (65,9 Prozent) ist im Streubesitz. Am 10. Mai werden die Zahlen für das Geschäftsjahr 2015/16 veröffentlicht.

Zu den Gründen, warum sich die IT-Industrie in China angesiedelt hat, zählen die niedrigen Arbeitskosten. Im AT&S-Werk in Chongqing verdient ein Arbeiter im Monat durchschnittlich zwischen 3.000 bis 4.000 Renminbi (ca. 400 bis 545 Euro). Gewerkschaften gibt es im Werk keine, doch "wenn die Arbeiter eine Gewerkschaft gründen wollen, steht es ihnen frei", betonte Chen Yiang Phua, Leiter der Division Mobile Devices & Substrates, auf Anfrage.

Produziert wird in Chongqing in Zwölf-Stunden-Schichten, wobei jeweils zwei Schichten pro Tag arbeiten, die dritte Schicht hat frei. Rund 300 Leute arbeiten in einer Schicht. Weiters sind etwa 300 Ingenieure im Einsatz. In der Produktion stehe aber niemand zwölf Stunden durchgehend an der Maschine, wird den österreichischen Journalisten beim Werksbesuch versichert, es gebe regelmäßige Pausen. Der Automatisierungsgrad des Werkes liege bei 80 Prozent. Der Anteil der Arbeitskosten am Produkt beläuft sich in China auf etwa 10 bis 12 Prozent, in Österreich hingegen auf über 30 Prozent.

Besonders wird bei AT&S in China auch auf die Weiterbildung geachtet, betont Phua: Dazu werden chinesische Mitarbeiter immer wieder eigens nach Shanghai und in die USA geschickt. "Dann steigt die Loyalität der Mitarbeiter und die Produktivität ist höher." Derzeit arbeiten im Werk in Chongqing 1.700 Beschäftigte, "einige Hundert" sollen noch dazukommen.

Die meisten chinesischen Mitarbeiter in Chongqing kämen aus der Region, während im AT&S-Werk in Shanghai auch viele Wanderarbeiter aus anderen Provinzen tätig seien. Laut den chinesischen Arbeitsgesetzen darf der Anteil der Leiharbeiter pro Unternehmen nicht über 10 Prozent steigen, sonst fallen steuerliche Begünstigungen weg. In den AT&S-Werken arbeite man aber ohnehin lieber mit Stammbelegschaften, weil die Mitarbeiter in die komplexen Prozesse im Reinraum mit Online-Überwachung der Maschinen erst eingearbeitet werden müssen.

Niedrig sind für AT&S auch die Energiekosten. Die regionale Regierung unterstütze das Unternehmen. Wichtig für den komplizierten Produktionsablauf sei eine stabile Energie- und Wasserversorgung, betonte AT&S-Vorstandschef Andreas Gerstenmayer vor Journalisten. 24 Mio. Euro wurden in Umweltschutzmaßnahmen an dem Standort investiert.

(Schluss) gru/tsk

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