Drei Säulen & ein Zankapfel 06.04.2020 20:50:00

Apokalyptische Vorhersagen: Was die EU an Corona-Krisenhilfen debattiert

Apokalyptische Vorhersagen: Was die EU an Corona-Krisenhilfen debattiert

Doch zerrt die Corona-Krise auch am politischen Zusammenhalt der Europäischen Union. Entnervt und unter beispiellosem finanziellen Druck fordern die südlichen EU-Staaten lautstark Solidarität von den nördlichen Partnern, vor allem von Deutschland.

Nach bitterem Streit in den vergangenen zehn Tagen scheinen sich die Gemüter nun etwas zu beruhigen. Im Kreis der EU-Finanzminister bahnt sich ein erster Kompromiss an, der bei einer Schaltkonferenz am Dienstag abgesegnet werden könnte. Was auf dem Tisch liegt, wäre allerdings nur ein Zwischenschritt - die wichtigste Streitfrage ist offen: Werden die EU-Länder künftig gemeinsam Schulden aufnehmen? Ein Überblick über das Wahrscheinliche und das Mögliche:

Über die noch vor zehn Tagen umstrittene Nutzung des Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM herrscht inzwischen weitgehend Einigkeit. Der ESM wurde 2012 in der Eurokrise gegründet und half unter anderem bei der Rettung Griechenlands. Aus der Zeit stammt aber auch sein schlechter Ruf bei einigen südlichen Mitgliedstaaten. Denn als Gegenleistung für Hilfskredite wurden umfassende Strukturreformen und Sparprogramme gefordert. Anders diesmal: Zur Debatte steht eine vorsorgliche Kreditlinie - im Fachjargon ECCL - für alle Eurostaaten. Damit wären diesmal keine Sparauflagen verknüpft, sondern nur die Bedingung, dass das Geld direkt in die Krisenbewältigung fließt. Der ESM nimmt das Geld übrigens über Anleihen am Kapitalmarkt auf und reicht es zu günstigen Konditionen weiter an die Mitgliedsstaaten. Nach eigenen Angaben könnte der ESM 410 Milliarden Euro verleihen.

Die Europäische Investitionsbank (EIB) hat einen sogenannten Paneuropäischen Garantiefonds ins Gespräch gebracht, der in den Beratungen der EU-Finanzminister ebenfalls gute Chancen hat. Funktionieren soll das so: Die EU-Staaten - sie sind die Anteilseigner der EIB - zahlen entsprechend ihrer Größe anteilig 25 Milliarden Euro in den Garantiefonds ein. Das Geld dient zur Absicherung von Krediten der Investitionsbank an kleine und mittlere Unternehmen in den EU-Staaten. Die Garantiesumme würde nach Einschätzung der EIB reichen, um 200 Milliarden Euro an Liquidität für Unternehmen zum mobilisieren. Anders als die ESM-Kreditlinien, die nur den 19 Eurostaaten offen stünden, wäre das ein Angebot an alle 27 EU-Staaten.

Das Konzept "Sure" von EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen wird wohl das dritte Element kurzfristig verfügbarer Finanzhilfen. Von der Leyen will Kurzarbeitergeld in den EU-Staaten unterstützen. Das sind Lohnzuschüsse für Firmen, die in der Krise trotz Auftragsmangels ihre Mitarbeiter nicht entlasse. Das gibt es nach Angaben der EU-Kommission in allen 27 EU-Staaten. Von der Leyens Vorschlag: Die EU-Staaten hinterlegen - wiederum anteilig nach ihrer Größe und Wirtschaftskraft - unwiderrufliche Garantien in Höhe von 25 Milliarden Euro. Mit dieser Rückendeckung nimmt die EU-Kommission bis zu 100 Milliarden Euro zu günstigen Konditionen am Kapitalmarkt auf und reicht es nach Bedarf für Kurzarbeit an die EU-Staaten weiter. Angenommen wird dabei, dass vor allem die Länder zugreifen würden, die selbst an den Finanzmärkten mehr Zinsen zahlen müssten. "Sure" könnte also in gewissem Rahmen bereits Geld in der EU umverteilen.

Die Idee von Corona-Bonds ist äußerst umstritten: Mit den fest verzinsten Wertpapiere würden EU-Staaten sich gemeinsam Geld an Finanzmärkten leihen, das direkt in die jeweiligen Haushalte fließen würde. Für Zinsen und Rückzahlung würden alle gemeinsam haften. Hoch verschuldete Staaten könnten auf diesem Weg zu günstigeren Konditionen an frisches Geld am Kapitalmarkt kommen. Denn die Bonität der Gemeinschaftsanleihen wäre deutlich besser, wenn zum Beispiel wirtschaftlich starke Länder wie Deutschland, Österreich oder die Niederlande mithaften. Die Befürworter, allen voran die Südländer Italien und Spanien, sehen darin wichtiges ein Zeichen der Solidarität. Länder wie Österreich und Deutschland fürchten indes, über Jahre für bereits hoch verschuldete Staaten wie Italien mithaften zu müssen. Dauerhafte Gemeinschaftsanleihen - Euro-Bonds - waren in der Euro-Schuldenkrise hoch umstritten.

Debattiert werden nun etliche Varianten, darunter auch eine enge zeitliche Befristung und Fokussierung nur auf die Corona-Krise. "Es geht um ein einmaliges Kriseninstrument", argumentiert Michael Hüther, Direktor des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft. Gemeinschaftsanleihen für befristete Zeit hatte es auch schon der Vergangenheit gegeben. Darauf läuft auch ein Vorschlag der französischen Regierung hinaus. Kritiker befürchten dagegen, dass die gemeinsamen Bonds zur Dauereinrichtung werden. "Es wird in der Währungsunion immer Probleme geben, die sich angeblich nur mit gemeinsamen Schulden lösen lassen", argumentiert Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer.

Als Kompromisslinie ist bei den EU-Finanzministern im Gespräch, sich zunächst auf die drei rasch verfügbaren Instrumente zu einigen - ESM, EIB und "Sure" - und sich weitere Maßnahmen für die nächsten Wochen und Monate vorzubehalten. Ob, wann und wie die Gemeinschaftsanleihen Teil des Pakets werden, bliebe damit zunächst offen.

mri

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