26.11.2017 19:43:56

Allg. Zeitung Mainz: Grüne Kunst / Kommentar zur Zukunft der Grünen / Von Dominic Schreiner

Mainz (ots) - Der populärste Gedanke des Schriftstellers Samuel Beckett zählt zu diesen Allgemeinplätzen, mit denen man sich so gut über eigene oder fremde Unzulänglichkeiten hinwegtrösten kann: "Ever tried. Ever failed. No matter. Try Again. Fail again. Fail better." Oder auf den Mut machenden Kern verkürzt: "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." In der Kunst etwa haftet dem Scheitern ein positiv besetzter Nimbus an: Nämlich dass in dem Prozess, der dem Scheitern vorgeschaltet war, wenigstens Außergewöhnliches gewagt wurde. Dieses Schicksal hat nun auch die Grünen nach vier Wochen Sondierung ereilt: Außergewöhnliches gewagt - wie zuletzt etwa die Idee von einer schwarz-grünen Minderheitsregierung zu formulieren oder zur Überraschung vieler Beobachter interne Geschlossenheit an den Tag zu legen -, trotzdem gescheitert. Aber in diesem Scheitern liegt eine Chance für die Grünen. Die Chance, dass die zuletzt tiefen Gräben zwischen Realos und Parteilinken zugeschüttet bleiben, indem man im Januar kluge Personalentscheidungen trifft. Oder die Chance, sich in den kommenden vier Jahren in der Opposition wieder auf die eigenen politischen Kernkompetenzen zurückzubesinnen und das eigene Profil nachzuschärfen. Oder die Chance, der FDP ein paar Wählerstimmen abzutrotzen, indem man sich, wie von Cem Özdemir bereits vorexerziert, als die "eigentliche liberale Partei" neu erfindet. In Becketts Gedanke steckt bereits der Glaube an einen wie auch immer gearteten Fortschritt: Nochmals, besser, Scheitern als Chance. Diesen Glauben müssen die Grünen jetzt in die Zukunft retten.

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Pressekontakt: Allgemeine Zeitung Mainz Wolfgang Bürkle Newsmanager Telefon: 06131/485980 online@vrm.de

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