28.01.2014 18:34:59

Aachener Zeitung: Kommentar: Geht es Ihnen gut? Die Bundesregeirung will die Lebensqualität messen Bernd Mathieu

Aachen (ots) - Das ist mal eine ambitionierte Umfrage! Zukünftig wird Ihre Lebensqualität gemessen. Die Bundesregierung will Bürger in 100 Dialogveranstaltungen befragen. Über die Qualität des Lebens lässt sich trefflich philosophieren. Wie definiert man Zufriedenheit? Als Abwesenheit von Krankheit? Ganz bestimmt. Als Verzicht auf Stress? Gewiss. Aber zu viele verstehen Lebensqualität immer noch als pekuniären Wohlstand, als ihren Anteil am Bruttosozialprodukt. Geld dient als Statussymbol. Da stehen Konsum und das Sich-etwas-leisten-Können in der ersten Reihe materieller Befindlichkeiten. Aber da muss es auch um den Preis gehen, den wir nicht bereit sind für die Dienstleistung ärmerer Gesellschaften zu zahlen, etwa für Lebensmittel und Billig-Textilien im Supermarkt - mit dem Kassenbon als Ausbeutungsnachweis in der Auseinandersetzung zwischen Arm und Reich, zwischen Wohlstand und Gerechtigkeit, zwischen Anspruch und Anstand. Reich und unglücklich Wir merken längst, dass Geld nicht der Gradmesser für Lebensqualität ist. Der hat mit Zeit, mit Familie, mit Freunden, mit einem vernünftigen Arbeitsplatz, finanzieller Sicherheit, mit einem in unserem Land trotz vorhandener kleiner Defizite exzellenten Gesundheitssystem, mit einer funktionierenden Demokratie, einer passablen Infrastruktur und der Fähigkeit zu tun, Positives zu würdigen und überflüssige Meckerei auszublenden. Manches politische Versprechen muss allerdings reklamiert werden: Der Zustand der Kitas, der Kinderbetreuung, der Schulen und der Universitäten spielt eine Hauptrolle. Zum Beispiel. "Wenn ich einen unglücklich machen wollte, würde ich ihn reich machen", hat der Abtprimas der Benediktiner, Notker Wolf, gesagt. Deutschland gilt, so konnten wir es im vorigen Jahr in einer Umfrage der BBC überrascht lesen, als das beste Land der Welt. Ist uns, den so häufig Unzufriedenen, das überhaupt bewusst? Die Menschheit war der Lebensqualität schon früher auf der Spur. "Es wäre ja auch unverständlich, dass das Endziel ein Spiel und das ganze Leben ein Arbeiten und Ertragen von Härten sein soll - um des Spiels willen." (Aristoteles, Nikomachische Ethik, Buch X, 6. Kapitel). Da hat der alte Meister schon gesagt: Wirtschaftswachstum, also Geld, alleine ist es nicht, das uns glücklich und zufrieden macht. Von Erben und Anglern Das lässt sich statistisch beweisen. Blicken wir dazu in das empfehlenswerte Buch "Wie viel ist genug?" von Robert und Edward Skidelsky, dort heißt es: "Das Glücksniveau in Großbritannien hat sich seit 1974 kaum verändert, während sich das reale Pro-Kopf-Einkommen im selben Zeitraum beinahe verdoppelt hat. In anderen Industrieländern sieht es ähnlich aus. Ab einem gewissen Niveau scheinen Einkommen und Glück nicht mehr gekoppelt zu sein." So viel wie zurzeit vererbten die Deutschen noch nie, 2013 die Rekordsumme von 254 Milliarden Euro. Jeder fünfte Erbe hat mehr als 100000 Euro erhalten. Das pure Glück! Oder doch nicht. Ein schöner und sehr klug gestalteter Cartoon zeigt zwei Angler: Der angelnde Ex-Manager sagt zu seinem angelnden Nachbarn am Ufer: "Ich habe mein Leben lang gearbeitet, um mir diesen Traum zu erfüllen. Und Sie?" Antwort: "Ich bin jeden Tag hier. Schon immer." Das ist Lebensqualität pur. Die kann keine Kanzlerin und keine Regierung schaffen, dafür braucht man noch nicht einmal eine Umfrage, so sinnvoll und richtig das sein wird. Das muss man schon selber ändern, irgendwie, irgendwann.

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