23.05.2014 16:09:59
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Aachener Zeitung: Kommentar Das wäre wunderbar! Stellen Sie sich das mal vor: Europa ohne die EU Bernd Mathieu
Aachen (ots) - Stellen Sie sich vor, es gäbe die Europäische Union
nicht. Das wäre doch wunderbar! Niemand müsste morgen wählen, keiner
hätte Anlass, sich genüsslich über die furchtbare Brüsseler
Bürokratie auszulassen, es gäbe keinen Grund, sich über die sowieso
viel zu hoch bezahlten Europaabgeordneten zu beklagen. Jeder
Außenminister von Griechenland bis Irland, von Ungarn bis Belgien
würde seinen eigenen unverfälschten Rhetorik-Senf zur gefährlichen
Lage in der Ukraine absondern. Eine Euro-Krise hätte es nie gegeben,
weil der Euro nicht existierte. Die fähigen Finanzminister aller
europäischen Länder hätten die Geschichte schon irgendwie - jeder für
sich - geschaukelt. Und wir wären viel kommunikativer. Vor jedem
Besuch im benachbarten Ausland dürften wir wieder in den Banken und
Sparkassen der Region Geld umtauschen. Da träfe man Bekannte und
Freunde. Und dann hätten wir reichlich Zeit zur dringend benötigten
Entschleunigung: beim langen Warten bei den Grenzkontrollen auf
Straßen und Flughäfen. Wir würden endlich in Europa nicht mehr
mühsam miteinander, sondern locker übereinander und oft gegeneinander
sprechen und rücksichtslos handeln. Wir könnten wieder klare
nationale Kante zeigen, egoistischere Akzente setzen und wieder mehr
an uns selber denken. Unsere hochgelobte Toleranz hätte ihre Grenzen
an den Grenzen. Und nicht zu unterschätzen: Sogar jede Gurke dürfte endlich wieder bis zur unzumutbaren Hässlichkeit krumm sein. Viele reden unser schönes und von anderen beneidetes EU-Europa schlecht und lehnen es schroff ab. Sie meinen die Bürokratie in Brüssel, viele überflüssige Verordnungen, unnötige Einmischungen in die wirklich inneren Angelegenheiten der Nationalstaaten. Und damit haben sie Recht. Deshalb ist es unbedingt und dringend und kompromisslos nötig, diesen Laden einmal kräftig umzukrempeln. Wie gut wäre es, wenn ein von möglichst vielen Wählerinnen und Wählern direkt gewähltes und damit gestärktes Europäisches Parlament in solchen Fragen der Kommission und dem Rat der nationalen Regierungschefs gehörig Druck machen könnte! Aber was will ein von einer Minderheit der europäischen Bevölkerung gewähltes europäisches "Parlamentchen" da ausrichten? Wer sollte das ernst nehmen, wenn die Mehrzahl der Bürgerinnen und Bürger entweder erst gar nicht zur Wahl gegangen ist oder eine europafeindliche Partei gewählt hat? Über die EU kann man schimpfen, sich ärgern, aber abschaffen darf man sie nicht. Sie hat viele Defizite. Sie ist allerdings in relativ wenigen Jahrzehnten nicht nur zu einem historisch einzigartigen und einem nicht zu ersetzenden Friedensprojekt geworden, sondern hat sich zu einer Solidaritätsgemeinschaft entwickelt - mit allen Ecken und Kanten. Daran muss man weiter arbeiten, zum Beispiel bei sozialen Standards, beim digitalen Wettbewerb, bei der Energiesicherheit. Und man sollte bei allem Eifer bei der Wahrheit bleiben: Die verheerende Jugendarbeitslosigkeit etwa in Spanien oder Griechenland ist primär nicht das Ergebnis europäischer, sondern nationaler Politik. Der europäische Haushalt für 28 Nationalstaaten entspricht dem Budget Belgiens. Die EU wird nicht besser, wenn wir morgen nicht wählen. Denn dann wird ihre demokratische Kompetenz noch schwächer. Die EU braucht gerade jetzt in der sicherheitspolitisch und wirtschaftlich schwierigen Phase Rückenwind. Und das gilt erst recht für den teilweise erbitterten Konkurrenzkampf mit anderen Kontinenten. Den bestehen wir dauerhaft nur gemeinsam. Gerade diese Herausforderung rechtfertigt es, die eine oder andere nationale Befindlichkeit nicht zu dramatisieren.
an den Grenzen. Und nicht zu unterschätzen: Sogar jede Gurke dürfte endlich wieder bis zur unzumutbaren Hässlichkeit krumm sein. Viele reden unser schönes und von anderen beneidetes EU-Europa schlecht und lehnen es schroff ab. Sie meinen die Bürokratie in Brüssel, viele überflüssige Verordnungen, unnötige Einmischungen in die wirklich inneren Angelegenheiten der Nationalstaaten. Und damit haben sie Recht. Deshalb ist es unbedingt und dringend und kompromisslos nötig, diesen Laden einmal kräftig umzukrempeln. Wie gut wäre es, wenn ein von möglichst vielen Wählerinnen und Wählern direkt gewähltes und damit gestärktes Europäisches Parlament in solchen Fragen der Kommission und dem Rat der nationalen Regierungschefs gehörig Druck machen könnte! Aber was will ein von einer Minderheit der europäischen Bevölkerung gewähltes europäisches "Parlamentchen" da ausrichten? Wer sollte das ernst nehmen, wenn die Mehrzahl der Bürgerinnen und Bürger entweder erst gar nicht zur Wahl gegangen ist oder eine europafeindliche Partei gewählt hat? Über die EU kann man schimpfen, sich ärgern, aber abschaffen darf man sie nicht. Sie hat viele Defizite. Sie ist allerdings in relativ wenigen Jahrzehnten nicht nur zu einem historisch einzigartigen und einem nicht zu ersetzenden Friedensprojekt geworden, sondern hat sich zu einer Solidaritätsgemeinschaft entwickelt - mit allen Ecken und Kanten. Daran muss man weiter arbeiten, zum Beispiel bei sozialen Standards, beim digitalen Wettbewerb, bei der Energiesicherheit. Und man sollte bei allem Eifer bei der Wahrheit bleiben: Die verheerende Jugendarbeitslosigkeit etwa in Spanien oder Griechenland ist primär nicht das Ergebnis europäischer, sondern nationaler Politik. Der europäische Haushalt für 28 Nationalstaaten entspricht dem Budget Belgiens. Die EU wird nicht besser, wenn wir morgen nicht wählen. Denn dann wird ihre demokratische Kompetenz noch schwächer. Die EU braucht gerade jetzt in der sicherheitspolitisch und wirtschaftlich schwierigen Phase Rückenwind. Und das gilt erst recht für den teilweise erbitterten Konkurrenzkampf mit anderen Kontinenten. Den bestehen wir dauerhaft nur gemeinsam. Gerade diese Herausforderung rechtfertigt es, die eine oder andere nationale Befindlichkeit nicht zu dramatisieren.
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