Lira auf Kursrally 29.01.2014 08:25:33

Türkische Zentralbank hebt Zinsen drastisch an

Devisenhändler reagierten prompt und schickten die Lira auf eine Kursrally. Das radikale Vorgehen dürfte nach Ansicht von Analysten nicht nur in der Türkei die Lage beruhigen, sondern auch in anderen Schwellenmärkten wirken, wo sich Kapitalflucht und Währungsverfall bedrohlich zugespitzt haben.

   Die türkische Lira, die seit Mai rund 30 Prozent ihres Wertes verloren hat, wertete in wenigen Minuten nach der Zinserhöhung am Dienstag um rund 3 Prozent auf und befestigte sich anschließend weiter.

   Auf ihrer Dringlichkeitssitzung hat die Zentralbank ihren einwöchigen Repo-Zins, den sie selbst als Leitzins bezeichnet und der den Preis für die Refinanzierung der Geschäftsbanken bei der Notenbank darstellt, von 4,5 Prozent auf 10 Prozent mehr als verdoppelt.

   Gleichzeitig kündigte die Zentralbank an, fortan solle die einwöchige Repo-Rate als wichtigster Referenzzins am Markt dienen und nicht mehr der Satz für Ausleihungen über Nacht (overnight lending rate), der bisher bei 7,75 Prozent lag und den sie sogar auf 12 Prozent erhöhte.

   Anleger und Analysten hatten wegen des anhaltenden Wertverfalls der türkischen Lira schon vorab mit Zinserhöhungen gerechnet. Das Ausmaß der Entscheidung aber verblüffte viele Marktbeobachter und dürfte unter Investoren neues Vertrauen in die angeschlagenen Schwellenmärkte schüren.

   Die Lira, die seit Mai vergangenen Jahres fast ein Drittel ihres Wertes eingebüßt hat, reagierte radikal: Nach der Entscheidung am späten Dienstagabend schoss ihr Kurs gegenüber dem US-Dollar in wenigen Minuten um 3 Prozent in die Höhe, belegen Daten des Finanzdienstleisters CQG. Auch andere Währungen, die jüngst unter der Angst der Investoren gelitten haben, erholten sich, darunter der südafrikanische Rand und der russische Rubel.

   "Sie haben es geschafft. Sie haben die Lage gerettet. Diese Entscheidung hat den Dominoeffekt auf den Schwellenmärkten gestoppt. So heftig ist das", jubelte Benoît Anne, Schwellenmarktanalyst bei der Société Générale.

   Für den türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan ist der unerwartet starke Zinsanstieg eine symbolische Niederlage. Er hatte bis kurz vor der Entscheidung über die "Zinslobby" geschimpft und eine Erhöhung abgelehnt, die in seinen Augen das Wirtschaftswachstum vor einer wichtigen Serie von Wahlen dämpfen dürfte.

   Viele Analysten aber versprechen sich von der aggressiven Geldpolitik der Türken eine Trendwende in den angeschlagenen Schwellenmärkten, die mit steigenden Preisen kämpfen, aber die Zinsen aus Angst um ihr Wirtschaftswachstum nicht allzu stark erhöhen wollen. Sollte die Türkei - die unter einem ausufernden Leistungsbilanzdefizit von 7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes und rasch zunehmenden politischen Risiken leidet - das Vertrauen der Anleger zurückgewinnen, könnte das in anderen gebeutelten Märkten eine positive Wirkung haben.

   "Die Türkei könnte eine Trendwende in diesem Ausverkauf liefern und die Welt hat dieser Zentralbank genau zugesehen, weil dieser Schritt so hochgradig symbolträchtig ist", sagte Analyst Anne.

   Schon vergangene Woche hatten sich die türkischen Währungshüter zu einer regulären Sitzung getroffen, aber die Zinsen nicht erhöht, was die Abwärtsspirale der Lira beschleunigt hatte. Am Donnerstag hatte die Zentralbank am Devisenmarkt interveniert, hatte die Abwertung aber nicht aufhalten können.

   Wie andere Schwellenmärkte auch leidet die Türkei vor allem unter der Abkehr der US-Notenbank Federal Reserve von ihrer ultralockeren Geldpolitik. Am Mittwoch dürfte die Fed eine erneute Drosselung ihrer monatlichen Anleihekäufe von derzeit 75 Milliarden Dollar auf 65 Milliarden Dollar bekanntgeben. Das könnte Anleger dazu bewegen, noch mehr Geld aus Schwellenmärkten abzuziehen.

   Anleger sind aber auch wegen anhaltender politischer Spannungen verunsichert. Ein ausufernder Korruptionsskandal hat Ministerpräsident Erdogan zu einer Kabinettsumbildung gezwungen, den Lira-Verfall beschleunigt und es für die Regierung teurer gemacht, sich am Anleihemarkt Geld zu beschaffen. Auch in Thailand und Brasilien haben politische Unruhen die Kapitalflucht verstärkt.

   "Die Märkte sind immer noch damit beschäftigt, Ländern wie der Türkei, die eine Reihe unterschwelliger Probleme hat (...), einen fairen Wert zuzuschreiben", sagt Win Thin, Währungsstratege mit Schwerpunkt Schwellenländer bei der Investmentbank Brown Brothers Harriman.

   DJG/WSJ/sgs

Dow Jones Newswires

Von Yeliz Candemir und Joe Parkinson

ISTANBUL

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