FMA-Konferenz |
04.10.2017 13:09:00
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Nowotny: Nur vorsichtige Normalisierung bei Zinsen
Das Inflationsziel der EZB von nicht über aber knapp bei 2 Prozent dürfe nicht als Punktziel interpretiert werden, führte Nowotny vor den versammelten Finanzmanagern, die heute in einer Umfrage das Zinsumfeld als ihr größtes Risiko bezeichneten. Die EZB habe anders als die US-Notenbank Fed nur die Preisstabilität als Ziel definiert.
Das Zinsumfeld sei aber ein weiter Bereich. Im Bankenbereich etwa würde ein rasches Ansteigen auch Probleme bringen. Deshalb sei es wichtig, die Dinge mit "Vorsicht und Distanziertheit" zu sehen. "Auch die Notenbanken kennen das Problem des langen Bremsweges", führte Nowotny aus. Deshalb sei es wichtig, mit "Sicherheitsabstand" zu fahren, um auf auftretende Gefahren rasch reagieren zu können.
Grundsätzlich könne die Zinspolitik von den Notenbanken nicht willkürlich bestimmt werden, sondern hänge mit der Inflationsentwicklung zusammen. "Es wäre ökonomisch völlig verfehlt, bei hoher Inflation niedrige Zinsen einzusetzen oder bei niedriger Inflation hohe Zinsen", so Nowotny.
Derzeit sehe man sicherlich eine Phase sehr niedriger Zinsen und auch niedriger Inflationsraten. Sehr groß diskutiert werde, ob es sich dabei möglicherweise um eine langfristige strukturelle Entwicklung handle und man auch auf lange Sicht mit vergleichsweise niedrigen Zinsen zu rechnen habe. Die Gründe dafür lägen in der Öffnung der Weltwirtschaft und massiven zusätzlichen Anbietern von Spareinlagen. Auch könne sein, dass die Kapitalnachfrage gefallen sei oder es mit der zunehmenden ungleichen Einkommensverteilung oder der Verteilung der demografischen Entwicklung zu tun habe. "Es gibt keine eindeutigen Antworten dafür", so Nowotny.
Zentrale Aufgabe der Notenbanken sei einerseits die normale Liquiditätsbereitstellung, also die Vergabe von Krediten gegen Sicherheiten. Den anwesenden Bankern empfahl Nowotny, das EZB-Rulebook besser zustudieren. Darin sei festgehalten, was die EZB als Sicherheit akzeptiere und was nicht.
Der andere Bereich der Aufgaben sei die Frage, was in Krisenfällen zu tun sei. Die klassische Funktion von Notenbanken sei dabei jene als "Lender of last resort". Im EZB-System gebe es die Möglichkeit, dass die nationalen Notenbanken Banken mit Sonderkrediten aushelfen. Er sei dafür, dass das unverändert die Aufgabe der nationalen Notenbanken bleiben solle, die auch das Risiko tragen, betonte Nowotny.
Zum Thema der Errichtung von potenziell riesigen europäische Notfallsfonds meinte Nowotny, dass er sich eine Stabilität völlig ohne Mitwirkung des Staates nicht vorstellen könne. Die richtige Balance sei notwendig.
Das österreichische Finanzsystem entspreche etwa jenen im Euroraum: 50 Prozent entfielen auf den Bankenbereich, 27 Prozent auf den Anleihenbereich, 11 Prozent auf Investmentfonds und 7 Prozent auf Versicherungen.
Speziell im Bankenbereich sei es in Österreich in der Vergangenheit zu starken Veränderungen gekommen. So habe sich der Anteil der Bankkredite an nichtfinanzielle Unternehmen von 1996 bis 2016 von 24 auf 17 Prozent der Bilanzsumme verringert. Der Anteil der Kredite an Haushalte sei dagegen von 11 auf 18 Prozent angestiegen. Das Geschäft im Unternehmensbereich sei also vergleichsweise weniger wichtig geworden, weil diese zunehmend Finanzierungsalternativen sehen. Konkret sei der Anteil von Bankkrediten an Unternehmensfinanzierungen von 1995 bis 2016 von 40 auf 20 Prozent gefallen. "Das ist schon eine massive Veränderung", so Nowotny. Das Geschäft mit Haushalten sei zum wichtigsten Geschäftsbereich für das Bankensystem geworden.
Der Kapitalmarkt werde auch für Österreich - wenn auch eine geringe, so doch steigende Bedeutung bekommen. Für die Geldpolitik sei dies ein sehr wichtiger Punkt. "Wir müssen uns überlegen, ob die traditionellen Vorstellungen von Geld- und Zinspolitik überhaupt noch den Realitäten auf den Zinsmärkten entsprechen", sagte Nowotny. "Das ist 'Work in Progress'."
(Schluss) ggr/sp
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