Liquidität im Überfluss 08.08.2015 03:00:02

Leitzinsstraffung: Die Fed geht bald neue Wege

von David Page, Gastautor von Euro am Sonntag

Vor Kurzem hat Janet Yellen, Präsidentin der US-Notenbank Federal Reserve (Fed), angedeutet, dass eine Erhöhung des Leitzinses noch in diesem Jahr wahrscheinlich sei. Eine unerwartet klare Aussage - für eine Zentralbankerin. Doch sie hat allen Grund dazu: Auch wenn die Daten noch nicht durchgängig solide sind, nähert sich die US-Wirtschaft der Vollbeschäftigung. Der US-Arbeitsmarkt zeigt Anzeichen einer Erholung über eine breite Spanne von Indikatoren, die eigentlich mittelfristig einen Inflationsdruck erzeugen sollten.



Die Frage ist darum weniger, wann die Fed die Zinsen erhöht, sondern wie. Denn die Bedingungen auf den Finanzmärkten sind diesmal völlig andere. Wie die europäischen befinden sich die US-Märkte seit der Finanzkrise in einer beispiellosen Niedrig­zinsphase. Der Geldmarkt schwimmt in Liquidität, und die Fed hat bereits seit Jahren Mühe, die Marktzinsen in Höhe des Leitzinses zu halten. Darum wird sie im kommenden Zinserhöhungszyklus eine Spanne für den Leitzins anvisieren, deren oberes Ende die Zinsen auf Überschussreserven bilden, während die Zinsen auf kurzfristige Einlagen des Nichtbankensektors den Boden markieren.

Dafür nutzt die Fed neue geldpolitische Instrumente. Vor 2008 steuerte die Zentralbank die Geldpolitik, indem sie die Banken zwang, eine gewisse Mindestreserve bei ihr zu hinterlegen. Eine Erhöhung der Reservesätze entzog den Kreditinstituten Liquidität, eine Senkung führte Liquidität zu. Doch aufgrund der hohen Geldmenge am Markt infolge der Finanzkrise gelang es der Notenbank nicht mehr, den Marktzins auf dem Ziel-Leitzinsniveau zu halten. Die Zinssätze, zu denen sich die Banken Geld liehen, fielen immer weiter.

Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, führte die Fed 2008 Zinsen auf Überschussreserven (IOER) in Höhe von 0,25 Prozent ein. Die Idee dahinter: Sobald die Marktzinsen unter diesen Prozentsatz fallen, legen die Banken ihre Reserven bei der Fed an und es bildet sich so ein Zinsboden. Die Fed könnte dann den Leitzins über die IOER kontrollieren, so wie es die Europäische und andere Zentralbanken schon lange tun. Doch in der Praxis blieben die Marktzinsen weiter unter den von der Fed gezahlten IOER. Grund: Es gibt Kreditgeber auf dem Markt, die keinen Zugang zur Fed haben, etwa Geldmarktfonds. Diese verliehen auch weiterhin Finanzmittel zu Zinsen unterhalb den IOER.


Zwar ist diese Differenz derzeit sehr niedrig, der Grund dafür ist allerdings, dass sich selbst für Nicht-Banken die Kreditvergabe kaum noch lohnt. Das könnte sich jedoch wieder ändern, sobald die Fed die IOER anhebt, um die Marktzinsen zu erhöhen. Werden auf dem Markt wieder höhere Zinsen gezahlt, dann lohnt sich auch wieder für Nicht-Banken die Kreditvergabe zu Sätzen unterhalb des von der Fed anvisierten Ziel-Leitzinses. Um dies zu verhindern und auch die Nicht-Banken in ihr Boot zu holen, testet die Fed verschiedene Instrumente, mit denen sie diesen Institutionen alternative Renditemöglichkeiten anbietet. So will sie Einfluss auf die Kreditvergabe nehmen und einen Boden für Marktzinsen schaffen.

Übernimmt der Leitzins nur noch eine symbolische Rolle?

Eines dieser neuen Instrumente sind sogenannte Overnight-Reverse-Repos: Die Notenbank verkauft den Nicht-Banken Wertpapiere aus ihrem Bestand und kauft sie kurz darauf (zum Beispiel am nächsten Tag) zu einem höheren Preis wieder zurück. Der Leitzins könnte also in Zukunft nur noch eine symbolische Rolle übernehmen, während der neue Reverse-Repo-Satz möglicherweise de facto die Untergrenze, also den Boden für die offiziellen Finanzierungskosten setzt. Ein weiteres Instrument, mit dem die Fed Liquidität vom Markt absaugen möchte, sind Term Deposit Facilities, also verzinsliche Termineinlagen.

Fazit: Wenn die Fed entscheidet, ihre Geldpolitik zu straffen, dann wird der Prozess der Zinsanhebung nicht mehr so geradlinig sein wie früher. Hat die Notenbank bislang schlicht einen neuen Leitzins festgesetzt, ist es damit nicht mehr getan. Aufgrund der veränderten Marktbedingungen muss sie nun mithilfe unterschiedlicher Instrumente die Geldmenge reduzieren, um die Marktzinsen unter Kontrolle zu bringen.


David Page, Senior Economist bei AXA Investment Managers



Kurzvita

David Page, Senior Economist
bei AXA Investment Managers

Page hat in Warwick und York Wirtschaft studiert. Seit 2014 ist er für AXA tätig und hat sich auf die Volkswirtschaften der USA und Großbritanniens spezialisiert. Zuvor arbeitete er unter anderem für die Lloyds Bank, die ­Investec Bank sowie für eine Agentur des britischen Finanz­ministeriums.
AXA Investment Managers ist ein Unternehmen der AXA-Gruppe und einer der führenden Assetmanager weltweit.

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Bildquelle: AXA IM