03.12.2012 08:45:32
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KONJUNKTUR IM BLICK/EZB bestätigt Zinsen und senkt BIP-Prognosen
Von Hans Bentzien
Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) hat bei seinen vergangenen Sitzungen nicht wirklich über Zinssenkungen diskutiert, und er wird das wohl auch bei der letzten Sitzung in diesem Jahr am Donnerstag nicht tun. Allerdings dürften die Wachstumsannahmen der EZB erneut nach unten korrigiert werden: Die EZB-Stabsprojektionen werden aktualisiert, und es ist mit einer leichten Abwärtsrevision der BIP-Prognosen zu rechnen.
Ansonsten stehen in dieser Woche die Wachstumsprognose der Bundesbank für Deutschland, sowie Auftragseingang und Industrieproduktion Oktober im Mittelpunkt des Interesses. Außerdem gibt es die zweite Veröffentlichung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) der Eurozone, die Aufschlüsse über die Entwicklung der Lohnstückkosten und damit der preislichen Wettbewerbsfähigkeit im Euroraum geben wird.
Dass die EZB zunächst keine weiteren Zinssenkungen planen dürfte, ergibt sich aus der Begründung, die sie für die geplanten Staatsanleihekäufe gibt: Die Übertragung des zinspolitischen Signals sei gestört. Wenn das Signal nicht dort ankommt, wo es hin soll - nämlich nach Südeuropa - dann muss man die Zinsen auch nicht senken. In diese Richtung deuten auch Äußerungen von EZB-Offiziellen seit der Ratssitzung im November.
Was die EZB zur Reparatur des Zinskanals eigentlich tun möchte, kann - oder muss - sie derzeit nicht. Schon die Ankündigung notfalls unbegrenzter Staatsanleihekäufe hat die Risikoaversion der Finanzmarktakteure so stark sinken lassen, dass ein Land wie Spanien derzeit nicht daran denkt, einen Hilfsantrag beim Euro-Rettungsfonds ESM zu stellen. Ein solcher Antrag aber wäre Voraussetzung für Staatsanleihekäufe durch die EZB.
Sicherlich wird EZB-Präsident Mario Draghi auch bei der Sitzung am 6. Dezember wieder Fragen zu den geplanten Käufen gestellt bekommen und betonen, dass die EZB bereit steht. Mehr aber kann die EZB derzeit nicht machen.
Offenbar hinterlassen die EZB-Maßnahmen zur Euro-Rettung nun aber doch ihre Spuren in den Stimmungsindikatoren. Das von der EU-Kommission erhobene Geschäftsklima hellte sich im November erstmals seit Februar wieder auf, und auch das ifo-Geschäftsklima legte überraschend zu. Eine positive Überraschung stellte zudem der Anstieg der Auftragseingänge im deutschen Maschinen- und Anlagenbau dar.
Mit einiger Spannung werden vor diesem Hintergrund die ersten "harten" deutschen Konjunkturdaten für das vierte Quartal erwartet. Daten zu Auftragseingängen und Produktion im Oktober werden am Donnerstag und Freitag veröffentlicht, und angesichts der Ergebnisse von Einkaufsmanagerumfragen wären weitere Rückgänge nicht erstaunlich.
Die Auftragseingänge sind im dritten Quartal um 2,3 Prozent gesunken und im September sogar um 3,3 Prozent. Da die Statistiker seit Monaten von einem Mangel an Großaufträgen berichten, ist eine positive Gegenreaktionen nicht ausgeschlossen. Die Produktion im produzierenden Bereich ist im dritten Quartal um 0,7 Prozent gestiegen und ging im letzten Monat dieses Zeitraums, dem September, um 1,8 Prozent zurück.
Ebenfalls am Donnerstag veröffentlicht Eurostat den zweiten Ausweis zur Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) der Eurozone im dritten Quartal. Über die reinen BIP-Daten hinaus bietet diese Veröffentlichung die Möglichkeit, die Entwicklung der Lohnstückkosten, also der preislichen Wettbewerbsfähigkeit der Euro-Länder, zu beurteilen.
Heute schon verfügbare Daten aus Deutschland und Spanien deuten darauf hin, dass sich die Konvergenz der Lohnstückkosten fortgesetzt hat. Nachdem Spaniens Lohnstückkosten Mitte 2012 erstmals seit 2005 wieder niedriger als die deutschen waren, sind sie seither weiter gesunken - im zweiten Quartal um 1,7 Prozent und im dritten Quartal um 0,7 Prozent. Zur gleichen Zeit sind die deutschen Lohnstückkosten um 0,9 und 0,1 Prozent gestiegen.
Damit ist ein Prozess in vollem Gange, der eine weitere Verringerung der Leistungsbilanzungleichgewichte im Währungsgebiet zum Ziel hat. Interessant wird sein, welche Entwicklung die italienischen und französischen Lohnstückkosten genommen haben. Bis zum zweiten Quartal waren sie in beiden Ländern gestiegen.
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December 03, 2012 02:15 ET (07:15 GMT)
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