Inflationsbekämpfung 22.09.2022 09:09:00

Fünfte Zinserhöhung 2022: US-Notenbank hebt Leitzins erneut um 0,75 Prozentpunkte an - Powell kündigt weitere zügige Zinserhöhungen an

Fünfte Zinserhöhung 2022: US-Notenbank hebt Leitzins erneut um 0,75 Prozentpunkte an - Powell kündigt weitere zügige Zinserhöhungen an

Die strenge Geldpolitik soll die Teuerungsrate in den USA endlich spürbar senken. Die Fed erhöhte am Mittwoch ihren Leitzins erneut um 0,75 Prozentpunkte - und Fed-Chef Jerome Powell machte deutlich, dass mit den großen Zinsschritten noch lange nicht Schluss ist. "Ohne Preisstabilität funktioniert die Wirtschaft für niemanden", sagte er. Doch die Entscheidung der Zentralbanker hat nicht nur Auswirkungen auf die größte Volkswirtschaft der Welt, sondern auch auf wirtschaftsschwächere Staaten. Und auch Deutschland bekommt die Folgen der US-Zinspolitik zu spüren.

Die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Kristalina Georgiewa, warnt seit Monaten vor einer Schuldenkrise für Länder mit mittlerem und niedrigem Einkommen. "Wir müssen erkennen, dass es eine tektonische Verschiebung gibt", sagte sie etwa im Juli. Die Welt sei schockanfälliger geworden. Aktuell führten die Auswirkungen der Lieferkettenunterbrechungen wegen der Corona-Pandemie und des "Schreckens eines erneuten Krieges in Europa" zu einer galoppierenden Inflation. Die Zentralbanken konzentrierten sich zwar zu Recht darauf, diese mit Zinserhöhungen zu bekämpfen, betonte die IWF-Chefin. Doch mit den Zinserhöhungen der Zentralbanken verschärften sich die globalen Finanzbedingungen stärker als bisher angenommen.

Das Hauptproblem: Die hohen Zinssätze treiben den US-Dollar in die Höhe - zum Nachteil anderer Länder. Denn nicht nur Importe werden teurer, sondern auch die Bedienung von Krediten. Die straffe Geldpolitik der US-Notenbank bekommen daher vor allem einkommensschwächere Länder zu spüren, die sich während der Pandemie hoch verschuldet haben und ihre Kredite in US-Dollar aufgenommen haben - selbst aber keine Dollars verdienen. Die höheren Zinsen verteuern diese Kredite.

Das passiert zu einem Zeitpunkt, an dem die Inflation viele Länder in Zentralasien, Lateinamerika und südlich der Sahara in Afrika ohnehin schon in Nöte bringt. Die steigenden Zinssätze verschlimmern die Lage. Hinzu kommt, dass bei hohen Zinsen in den USA Kapital aus Entwicklungs- und Schwellenländern abfließen kann. Denn steigen die Zinssätze in den USA, werden Anlagen dort attraktiver. Anleger, die aktuell in einkommensschwächeren Ländern investieren, könnten sich dazu entscheiden, stattdessen auf den nun attraktiveren US-Markt auszuweichen. Für die betroffenen Länder hat das schwerwiegende Folgen, denn sie dürften sich noch schwerer von den katastrophalen Auswirkungen der Pandemie erholen.

Die US-Zinspolitik kann in einkommensschwachen Ländern eine ernsthafte Wirtschaftskrise auslösen - wie auch die Geschichte zeigt. Die Folgen des sogenannten Volcker-Schocks sind dabei besonders in Erinnerung geblieben. Der legendäre Fed-Chef Paul Volcker erhöhte in den 1980er Jahren im Kampf gegen die Inflation drastisch die Zinsen. Das Wirtschaftswachstum in den USA wurde gebremst. Das riss aber auch andere Volkswirtschaften mit nach unten. Länder wie Mexiko und Chile schlitterten in eine schwere Schuldenkrise, von der sie sich jahrelang nicht erholten. In Lateinamerika sprach man gar von einem verlorenen Jahrzehnt. Auch in späteren Jahren hatten Zinsanhebungen der Fed immer wieder auch wirtschaftliche Folgen für Entwicklungs- und Schwellenländer.

Ökonominnen und Ökonomen warnen nun davor, dass sich diese Szenarien wiederholen könnten - mit verheerenden Konsequenzen für die Menschen in diesen Staaten. "Hohe Inflation, steigende Zinssätze und ein sich verlangsamendes Wachstum haben die Voraussetzungen für Finanzkrisen geschaffen, wie sie Anfang der 1980er Jahre eine Reihe von Entwicklungsländern heimgesucht haben", schrieben Sebastian Essl und Marcello Estevao von der Weltbank bereits im Juni.

Auch Deutschland als Exportnation dürfte die Auswirkungen einer solchen Schuldenkrise zu spüren bekommen. Denn die deutschen Exporte könnten gefährdet werden, wenn sich in anderen Ländern die wirtschaftliche Lage drastisch verschlechtert.

Die Zinspolitik der Fed setzt auch den Euro massiv unter Druck. Die Gemeinschaftswährung fiel im späten US-Währungshandel am Mittwoch wieder unter den US-Dollar und sogar auf den niedrigsten Stand seit Ende 2002. Im Sommer war ein Euro erstmals seit rund zwei Jahrzehnten weniger wert als ein Dollar. Die Europäische Zentralbank hat viel später als die Fed angefangen, die Zinsen zu erhöhen.

Auf die Frage, ob die Fed auch die Entwicklungen im Rest der Welt im Blick habe und damit auch eine mögliche globale Rezession, sagte Fed-Chef Powell: "Wir sind uns sehr bewusst, was in anderen Volkswirtschaften auf der ganzen Welt vor sich geht und was das für uns bedeutet - und umgekehrt." Man versuche sich natürlich abzustimmen, aber das sei bei den unterschiedlichen Zinsniveaus schon auch schwierig. Sein Resümee: "Wir befinden uns alle in sehr unterschiedlichen Situationen."

Powell: US-Notenbank muss Zinsen zügig anheben

Die US-Notenbank muss ihre Zinsen nach Aussage von Fed-Chairman Jerome Powell zügig anheben. Die Zinsen müssten "ziemlich schnell" auf ein restriktives Niveau steigen, sagte Powell in seiner Pressekonferenz nach der Veröffentlichung der aktuellen Zinsentscheidung durch den Offenmarktausschuss FOMC. Er beantwortete damit eine Frage nach dem weiteren Zinskurs in diesem Jahr. Powell räumte ein, dass die FOMC-Projektionen Zinserhöhungen in diesem Jahr von 125 Basispunkten nahelegten. "Es gibt aber auch eine große Gruppe, die 100 Basispunkte für ausreichend hält", sagte er.

Powell zufolge kann eine Rezession nicht ausgeschlossen werden. "Niemand weiß, ob dieser Prozess zu einer Rezession führt, oder wie tief die Rezession wird", sagte er. Die Wahrscheinlichkeit einer weichen Landung nehme aber in dem Maß ab, wie die Fed restriktiver werden müsse.

Das FOMC hatte wie erwartet eine Zinserhöhung um 75 Basispunkte beschlossen und eine Fortführung der Zinserhöhungen angekündigt. Wie aus den veröffentlichten Prognosen hervor geht, rechnen die FOMC-Mitglieder mit stärkeren Zinserhöhungen als zuvor, einer höheren Inflation und Arbeitslosigkeit sowie geringerem Wirtschaftswachstum.

dpa-AFX / Dow Jones Newswires

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