In der Corona-Krise 10.12.2020 15:43:38

EZB weitet Notkaufprogramm für Anleihen aus - Leitzins stabil - EZB sieht Verfehlung des Inflationsziels bis 2023

EZB weitet Notkaufprogramm für Anleihen aus - Leitzins stabil - EZB sieht Verfehlung des Inflationsziels bis 2023

Das Notkaufprogramm für Staatsanleihen und Wertpapiere von Unternehmen wird um 500 Milliarden auf 1,85 Billionen ausgeweitet. Das beschloss der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) am Donnerstag in Frankfurt. Die Laufzeit des Programms wird zudem um neun Monate bis mindestens Ende März 2022 verlängert. Zugleich versorgt die EZB Geschäftsbanken mit weiteren besonders günstigen Langfristkrediten (PELTROs) und lockert die Bedingungen für bereits laufende Langfristkredite.

Bei den Zinsen bleibt alles beim Alten: Der Leitzins im Euroraum liegt seit fast fünf Jahren auf dem Rekordtief von null Prozent. Geschäftsbanken müssen weiterhin 0,5 Prozent Zinsen zahlen, wenn sie Geld bei der Notenbank parken. Freibeträge für bestimmte Summen sollen die Institute bei den Kosten dafür entlasten.

Erst im Juni hatte die Notenbank das Volumen des im März aufgelegten, besonders flexiblen Kaufprogramms PEPP (Pandemic Emergency Purchase Programme) auf 1,35 Billionen Euro fast verdoppelt. Die Wertpapierkäufe helfen Staaten wie Unternehmen: Sie müssen für ihre Papiere nicht so hohe Zinsen bieten, wenn eine Zentralbank als großer Käufer am Markt auftritt.

Nach der Ratssitzung im Oktober hatten die Währungshüter keinen Zweifel daran gelassen, dass sie noch einmal nachlegen wollen. "Selbst wenn sich die zweite Welle des Virus als weniger heftig erweist als die erste, stellt sie keine geringere Gefahr für die Wirtschaft dar", sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde jüngst. Die Französin betonte: "Die EZB war in der erste Welle da und wird auch in der zweiten Welle da sein."

Das Coronavirus hatte sich zuletzt wieder massiv ausgebreitet. In vielen Ländern des Euroraums wurde das öffentliche Leben erneut eingeschränkt. Nach der Erholung in den Sommermonaten wächst die Sorge um die Konjunktur. "Die Eurozone braucht frische Unterstützung, um durch den zweiten Lockdown zu kommen und im kommenden Jahr mit einer Erholung zu starten", sagte ING-Deutschland-Chefvolkswirt Carsten Brzeski.

Hauptziel der EZB ist ein ausgewogenes Preisniveau bei einer mittelfristigen Teuerungsrate von knapp unter 2,0 Prozent im gemeinsamen Währungsraum. Dieser Zielwert wird seit Jahren verfehlt. Im November lag die Inflationsrate im Euroraum bei minus 0,3 Prozent.

Europas Währungshüter sind daher seit Jahren im Anti-Krisen-Modus. Die seit März 2015 mit Unterbrechung laufenden anderen Kaufprogramme der Notenbank für Anleihen haben mit etwas über drei Billionen Euro Ende November bereits ein gewaltiges Volumen erreicht.

Die EZB hat eine umfassende Überprüfung ihrer geldpolitischen Strategie auf den Weg gebracht. Die Notenbank will dabei ihre Formulierung von Preisstabilität ebenso unter die Lupe nehmen wie das geldpolitische Instrumentarium und ihre gesamte Kommunikation. Dabei geht es auch um Fragen, welche Folgen beispielsweise der Klimawandel oder Ungleichheit für das Ziel der Preisstabilität haben können.

EZB sieht Verfehlung des Inflationsziels bis 2023

Die Europäische Zentralbank (EZB) geht angesichts der schweren Corona-Pandemie von einer Verfehlung ihres Inflationsziels bis ins Jahr 2023 hinein aus. Dann sei mit einer Inflationsrate von 1,4 Prozent zu rechnen, sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde am Donnerstag in Frankfurt. Der Wert liegt klar unter dem Preisziel der Notenbank von mittelfristig knapp zwei Prozent.

Für die Jahre davor werden ebenfalls Inflationsraten deutlich unter dem Zielwert der EZB erwartet. Für dieses Jahr geht die Notenbank von 0,2 Prozent aus, für 2021 von 1,0 Prozent und für 2022 von 1,1 Prozent. Die Erwartungen für das laufende Jahr und für 2022 wurden leicht gesenkt.

Ihre Wachstumsprognosen passte die EZB ebenfalls an. In diesem Jahr rechnet sie mit einer um 7,3 Prozent schrumpfenden Wirtschaft, nach bisher minus 8,0 Prozent. Dafür dürfte die Erholung im kommenden Jahr mit 3,9 Prozent schwächer ausfallen als bisher mit 5,0 Prozent erwartet. Für 2022 rechnet die Notenbank mit 4,2 Prozent Wachstum, nach bisher 3,2 Prozent. Im Jahr 2023 wird eine Wachstumsrate von 2,1 Prozent veranschlagt.

Die Prognosen der EZB werden vom Mitarbeiterstab erstellt und dienen dem EZB-Rat als Entscheidungshilfe.

EZB-Präsidentin Lagarde schließt weitere Zinssenkung nicht aus

Die Europäische Zentralbank (EZB) könnte in der Corona-Krise ihre bereits extrem niedrigen Leitzinsen weiter senken. Gefragt nach der Möglichkeit einer weiteren Zinssenkung, sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde am Donnerstag in Frankfurt, dass die Leitzinsen zum Instrumentenkasten der Notenbank gehörten. Sie ergänzte, dass die EZB bereit sei, in der Krise all ihre Instrumente anzupassen, falls dies erforderlich werden sollte.

Weitere Zinssenkungen gelten unter Fachleuten als zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite könnten sie die bereits sehr niedrigen Kapitalmarktzinsen weiter reduzieren und damit Unternehmen sowie Staaten in der Kreditaufnahme entlasten. Andererseits leiden die Geschäftsbanken schon jetzt unter den extrem niedrigen und teils negativen Zinsen. Die flache Zinsstrukturkurve erschwert den Banken ihr traditionelles Einlagen- und Kreditgeschäft.

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FRANKFURT (dpa-AFX)

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Bildquelle: DANIEL ROLAND/AFP/Getty Images,iStock