Trotz Inflationsdruck |
03.02.2022 15:53:40
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EZB: Leitzins im Euroraum bleibt auf Rekordtief von null Prozent - Sorge vor erhöhter Inflation
Die EZB hatte zuletzt immer wieder ihre Einschätzung bekräftigt, dass die Inflationsraten 2022 allmählich sinken werden - auch wenn dies länger dauern könnte als zunächst erwartet. Bislang zeichne sich keine gefährliche Lohn-Preis-Spirale ab, die die Inflation dauerhaft nach oben treiben könnte, sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde erst vor zwei Wochen.
Zumindest im Moment gebe es keine Anzeichen, dass die Inflationsentwicklung dadurch außer Kontrolle geraten könnte, sagte Lagarde seinerzeit: "Im Gegenteil: Wir gehen davon aus, dass sich die Energiepreise im Laufe des Jahres 2022 stabilisieren werden (...) und dann werden die Inflationsraten allmählich zurückgehen."
Allerdings: Noch hält sich die Teuerung auf vergleichsweise hohem Niveau. Im Euroraum stieg die Inflation im Januar entgegen den Erwartungen sogar noch weiter auf nun 5,1 Prozent. Das ist der höchste Wert seit Einführung des Euro als gemeinsame europäische Verrechnungswährung 1999. In Deutschland ging die jährliche Teuerungsrate zu Jahresbeginn zwar auf 4,9 Prozent zurück, der Rückgang fiel aber deutlich geringer aus als erwartet. Vor allem steigende Energiepreise heizen den Preisauftrieb an.
Die vergleichsweise hohe Teuerung macht Verbrauchern Sorge. Denn eine höhere Inflation schwächt ihre Kaufkraft, weil sie sich für einen Euro weniger kaufen können als zuvor. Kritiker werfen der EZB vor, mit ihrer seit Jahren ultralockeren Geldpolitik inklusive milliardenschwerer Anleihenkäufe die Teuerung noch anzuheizen.
Bei der Sitzung Mitte Dezember hatte der EZB-Rat ein erstes Signal für ein Auslaufen der Geldflut gesendet: Nur noch bis Ende März wird die EZB zusätzliche Wertpapiere im Rahmen ihres in der Corona-Pandemie aufgelegten Anleihenkaufprogramms PEPP erwerben. Allerdings steckt die Notenbank weiterhin etliche Milliarden in Staatsanleihen und Unternehmenspapiere: Das allgemeine Kaufprogramm APP wird vorübergehend aufgestockt. Gelder aus auslaufenden PEPP-Papieren sollen bis mindestens Ende 2024 neu angelegt werden.
Einer baldigen Zinserhöhung im Euroraum hatte Lagarde wiederholt eine Absage erteilt. "Wir werden in ein paar Monaten neue Projektionen haben. Diese könnten anders aussehen, und zu diesem Zeitpunkt werden wir uns unseren Fahrplan ansehen müssen", sagte Lagarde jüngst mit Blick auf die für März erwarteten neuen Prognosen der Notenbank zur Entwicklung von Inflation und Konjunktur. Lagarde betonte mit Blick auf das Inflationsziel der Notenbank: "Wir werden handeln, sobald die Kriterien erfüllt sind, aber im Moment sind sie nicht erfüllt."
Die Notenbank strebt für den Währungsraum der 19 Länder ein stabiles Preisniveau bei einer jährlichen Teuerungsrate von 2 Prozent an. Sie akzeptiert es, wenn diese Marke zeitweise etwas über- oder unterschritten wird.
Der seit Jahresbeginn amtierende Bundesbank-Präsident Joachim Nagel hatte zu seinem Amtsantritt gewarnt, er sehe "derzeit eher die Gefahr, dass die Inflationsrate länger erhöht bleiben könnte als gegenwärtig erwartet". Nagel betonte: "Bei aller Unsicherheit ist eines ganz klar: Wenn es die Preisstabilität erfordert, muss der EZB-Rat handeln und seinen geldpolitischen Kurs anpassen." Am Donnerstag nahm Nagel erstmals an den Beratungen des EZB-Rates teil.
Lagarde: EZB-Rat ist besorgt wegen hoher Inflation
In der Europäischen Zentralbank (EZB) nehmen die Sorgen wegen der hohen Inflation zu. Im geldpolitischen Rat herrsche durchweg Besorgnis wegen der Entwicklung, sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde am Donnerstag in Frankfurt nach der Zinssitzung der Notenbank. Auf der nächsten Sitzung im März werde der mittelfristige Ausblick genauer untersucht. Im Rat sei man sich aber einig, keine Entscheidung ohne eine hinreichende Datengrundlage zu treffen.
Im März werden dem geldpolitischen Ausschuss neue Projektionen des Mitarbeiterstabs vorliegen. Diese Projektionen dienen dem Rat als Entscheidungshilfe. Häufig nimmt er die Projektionen zum Anlass, größere geldpolitische Entscheidungen zu treffen.
Die Teuerung im Währungsraum war im Januar auf ein Rekordhoch von 5,1 Prozent gestiegen. Im Gegensatz zu anderen Notenbanken wie der britischen Zentralbank hat die EZB noch nicht mit Zinsanhebungen auf die Entwicklung reagiert.
Gefragt nach der Inflationsentwicklung sagte Lagarde, die Situation habe sich etwas geändert. Die Inflationsrisiken deuteten nach oben, man müsse sich die Entwicklung aber sehr genau ansehen. Allerdings sehe es so aus, als nähere sich die EZB ihrem mittelfristigen Preisziel von zwei Prozent.
Ihre jüngste Absage an Zinsanhebungen im laufenden Jahr wollte Lagarde auf Rückfrage nicht wiederholen. Allerdings werde der Leitzins nicht angehoben, solange man noch Anleihen kaufe. Die EZB schmilzt ihre allgemeinen Wertpapierkäufe (APP) im laufenden Jahr zwar ab, ein Enddatum steht aber noch nicht fest. Man solle nicht zu viel mit Blick auf unmittelbare Zinsanhebungen erwarten, sagte Lagarde. "Wir werden nicht selbstgefällig sein, aber wir werden auch nicht übereilt agieren."
Derzeit wird an den Finanzmärkten stark auf eine baldige Zinserhöhung der EZB spekuliert. Zuletzt war an den Geldmärkten eine erste Anhebung für Mitte 2022 erwartet worden.
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FRANKFURT (dpa-AFX)
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