Nach Fed-Erhöhung 04.05.2023 15:29:03

EZB hebt Leitzins im Kampf gegen Teuerung weiter an - Lagarde: 'Wir pausieren nicht'

EZB hebt Leitzins im Kampf gegen Teuerung weiter an - Lagarde: 'Wir pausieren nicht'

Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) beschloss am Donnerstag eine Anhebung der Leitzinsen im Euroraum um 0,25 Prozentpunkte. Zuvor hatte es drei Anhebungen um 0,50 Punkte gegeben.

Der Leitzins, zu dem sich Geschäftsbanken frisches Geld bei der EZB besorgen können, steigt nun auf 3,75 Prozent. Parken Banken Geld bei der EZB, erhalten sie dafür künftig 3,25 Prozent Zinsen, wie die Notenbank in Frankfurt mitteilte.

Mit den im vergangenen Juli begonnenen Zinserhöhungen versuchen die Währungshüter, die hohe Inflation einzudämmen. Höhere Zinsen verteuern Kredite. Das kann die Nachfrage bremsen und hohen Teuerungsraten entgegenwirken. Die EZB strebt mittelfristig für den Euroraum Preisstabilität bei einer Teuerungsrate von zwei Prozent an.

"Die Inflation liegt seit Mitte 2021 über unserem Ziel, ist also seit fast zwei Jahren zu hoch", hatte EZB-Chefvolkswirt Philip R. Lane kürzlich in einem Interview gesagt und eine weitere Zinserhöhung für die Mai-Sitzung in Aussicht gestellt. "Dies ist immer noch nicht der richtige Zeitpunkt, um aufzuhören."

Im April hat sich die Inflation im Euroraum wieder etwas verstärkt. Im Währungsraum der 20 Staaten lagen die Verbraucherpreise einer ersten Schätzung des Statistikamtes Eurostat zufolge um 7,0 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. Im März war die jährliche Teuerungsrate im Euroraum noch deutlich von 8,5 Prozent auf 6,9 Prozent gesunken.

"Je länger die Inflation zu hoch bleibt, desto größer ist das Risiko, dass sich die Wahrnehmung der Menschen ändert, dass sie das Vertrauen in unsere Fähigkeit verlieren, zu unserem Zwei-Prozent-Ziel zurückzukehren", hatte EZB-Chefvolkswirt Lane gewarnt.

Höhere Teuerungsraten lassen die Kaufkraft schwinden: Verbraucherinnen und Verbraucher können sich für einen Euro weniger leisten. Das belastet das Wirtschaftswachstum, für das der private Konsum eine wichtige Stütze ist. Auf der anderen Seite verteuern steigende Zinsen Kredite für Unternehmen, weshalb die eine oder andere Investition ausfallen könnte. Auch das bremst die Konjunktur.

Zugleich will die Notenbank von Juli an die Gelder aus auslaufenden Wertpapieren des allgemeinen Kaufprogramms APP nicht mehr in den Erwerb neuer Anleihen stecken. Den Kauf frischer Wertpapiere im Rahmen des Programms hatte die EZB bereits zum 1. Juli 2022 eingestellt.

Die rasante Zinswende, die die Zentralbanken in den USA und Großbritannien nach Jahren des extrem billigen Geldes noch vor der EZB einleiteten, ist auch für Banken nicht nur positiv. Das zeigte sich zuletzt in den USA, wo bereits drei Institute nach enormen Mittelabzügen aufgrund von Liquiditätssorgen kollabierten. Die US-Notenbank Fed hob am Mittwoch zum zehnten Mal in Folge ihren Leitzins an: Nach einem Sprung um 0,25 Prozentpunkte liegt der Leitzins in den USA nun in einer Spanne von 5,0 bis 5,25 Prozent.

Lagarde: Signifikante Aufwärtsrisiken für Inflationsausblick

Die Europäische Zentralbank (EZB) sieht nach den Worten von EZB-Präsidentin Christine Lagarde "signifikante Aufwärtsrisiken" für den Inflationsausblick. In ihren einleitenden Bemerkungen zur Pressekonferenz nach der jüngsten EZB-Ratssitzung nannte Lagarde unter anderem einen unerwartet starken Anstieg von Löhnen und Unternehmensgewinnen.

Zuvor hatte das Gremium beschlossen, seine Leitzinsen um 25 Basispunkte anzuheben und die unter dem APP-Programm erworbenen Anleihebestände bis einschließlich Juni um 15 Milliarden Euro monatlich zu verringern. Ab Juli soll die Wiederanlage von Tilgungsbeträgen fällig gewordener, unter dem APP-Programm erworbener Anleihen Juli beendet werden. Die Zinsen sollen auf ein "ausreichend restriktives" Niveau steigen und dort so lange wie nötig bleiben.

Lagarde: Alle EZB-Ratsmitglieder waren für eine Zinserhöhung

Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) war bei seinen Beratungen nach Aussage von EZB-Präsidentin Christine Lagarde einig in der Einschätzung, dass die Zinsen weiter angehoben werden müssen. "Niemand wollte eine Zinspause", sagte Lagarde in der Pressekonferenz nach der jüngsten EZB-Ratssitzung. Zugleich räumte sie ein, dass die geldpolitischen Beschlüsse nicht einstimmig, sondern "nahezu einstimmig" gefallen seien. Einige Mitglieder seien für 50 Basispunkte gewesen.

Zuvor hatte das Gremium beschlossen, seine Leitzinsen um 25 Basispunkte anzuheben und die unter dem APP-Programm erworbenen Anleihebestände bis einschließlich Juni um 15 Milliarden Euro monatlich zu verringern. Vor der aktuellen Sitzung hatte die EZB die Zinsen drei Mal in Folge um 50 Basispunkte erhöht. Lagarde begründete den kleineren Zinsschritt unter anderem mit den Erkenntnissen, die sich aus der Quartalsumfrage zur Kreditvergabe ergeben hätten.

Ab Juli soll die Wiederanlage von Tilgungsbeträgen fällig gewordener, unter dem APP-Programm erworbener Anleihen Juli beendet werden. Die Zinsen sollen auf ein "ausreichend restriktives" Niveau steigen und dort so lange wie nötig bleiben.

Lagarde: Ultimatives Ziel ist aus heutiger Sicht APP-Bestand von Null

Die Europäische Zentralbank (EZB) betrachtet nach den Worten ihrer Präsidentin Christine Lagarde einen vollständigen Abbau der unter dem APP-Programm erworbenen Anleihen als ihr "ultimatives Ziel" - allerdings nur "aus heutiger Sicht", wie sie in ihrer Pressekonferenz nach der jüngsten EZB-Ratssitzung sagte. Die EZB prüft gerade, mit welchem Regime sie die Zinsen künftig steuern will, und sie will Ergebnisse dieser Prüfung bis Jahresende vorlegen. Eine Möglichkeit besteht darin, weiterhin ein gewisses Anleiheportfolio zu halten und nicht zu einem Regime knapper Liquidität zurückzukehren, wie es vor den groß angelegten Anleihekäufen herrschte.

Lagarde sagte, ohne weitere Wiederanlage der Tilgungsbeträge fällig gewordener Anleihen würden die APP-Bestände monatlich um 25 Milliarden Euro sinken. Auf diese Weise würde es zwölf bis 15 Jahre dauern, die Bestände vollständig abzubauen.

EZB-Präsidentin Lagarde: 'Wir pausieren nicht'

Auf die jüngste Zinsanhebung der Europäischen Zentralbank (EZB) dürften weitere Folgen. "Wir pausieren nicht, das ist ganz klar", sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde am Donnerstag nach der Zinssitzung der Notenbank in Frankfurt. Der EZB-Rat sei sich darüber bewusst, dass noch ein Stück Weg zurückzulegen sei. Die EZB habe "Boden gutzumachen".

Vor den Äusserungen Lagardes hatte die EZB ihre Leitzinsen weiter erhöht, allerdings nicht so deutlich wie in den Monaten zuvor. Die Leitzinsen wurden jetzt um 0,25 Prozentpunkte angehoben, davor waren sie dreimal in Folge um 0,5 Punkte erhöht worden.

Marktteilnehmer hatten sich vor der Sitzung gefragt, ob die EZB ähnlich wie die US-Notenbank Fed auf eine Zinspause zusteuern könnte. Danach sieht es nach den Äusserungen Lagardes nicht aus.

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FRANKFURT (dpa-AFX) / (Dow Jones)

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