Ausblick auf Zinsentscheid 04.11.2014 15:30:31

Europäische Zentralbank wird wohl abwarten

Nachdem der Hauptrefinanzierungssatz bei nur noch 0,05 Prozent liegt, der Einlagensatz mit 0,20 Prozent negativ ist und der Ankauf privater Wertpapiere beschlossene Sache, dürfte die EZB zunächst abwarten. Das erwarten die 47 von Dow Jones Newswires befragten Bankvolkswirte einhellig.

   Gleichwohl dürfte EZB-Präsident Mario Draghi in seiner um 14.30 Uhr beginnenden Pressekonferenz seine Entschlossenheit bekräftigen, im Bedarfsfall auch andere Papiere als Covered Bonds und Kreditverbriefungen (ABS - Asset-backed securities) zu kaufen. Der nächste Schritt in diese Richtung könnten Unternehmensanleihen sein, wie nach der Oktober-Sitzung aus Kreisen des EZB-Direktoriums verlautete. Vermutlich wird Draghi dazu einige Fragen erhalten.

   Im Prinzip handelt es sich bei der November-Sitzung um einen "Zwischentermin". Erst im Dezember wird die Zentralbank neue Prognosen zur Entwicklung von Wirtschaftswachstum und Inflation veröffentlichen. Beobachter erwarten mit großer Sicherheit, dass sich die EZB dann einer deutlich niedrigeren Wachstumsprognose für 2015 gegenübersehen wird. Die Frage wäre, ob ihr Szenario einer anhaltenden Konjunkturerholung noch intakt ist, und was das für ihre Inflationserwartungen bedeutet.

   Die positive Entwicklung der Einkaufsmanagerindizes dürfte aus Sicht der EZB eine ebenso willkommene Erleichterung darstellen wie der leichte Anstieg der Inflationsrate auf 0,4 Prozent (bei allerdings sinkender Kernteuerung). Die aus Marktgrößen abgeleiteten Inflationserwartungen sind seit der vorigen Ratssitzung weiter gesunken. Allerdings lagen die von Draghi oft zitierten Erwartungen in fünf Jahren für die darauf folgenden fünf Jahre Mitte Oktober schon deutlich tiefer und sind zuletzt relativ stabil gewesen.

   Dem EZB-Rat werden am Donnerstag auch schon die neuen Inflationsprognosen der Professional Forecasters vorliegen. Draghi wird auch dazu sicher Fragen zu beantworten haben. Genaueres wird die Öffentlichkeit aber erst in der nächsten Woche erfahren, wenn die EZB ihren Monatsbericht für November veröffentlicht.

   Die Frage ist, ob all das die EZB dichter an den Ankauf von Staatsanleihen bringen wird - ein Rezept, das die US-Notenbank, die Bank of England und die Bank of Japan seit Jahren mit einigem Erfolg anwenden. Das Problem der EZB besteht darin, dass sie mit Käufen an den privaten Kreditmärkten nicht genug Aktiva anhäufen kann, um das Ziel von Draghi zu erreichen, der die Bilanzsumme wieder auf das Niveau von Anfang 2012 bringen möchte. Beim aktuellen Niveau von knapp über 2 Billionen Euro impliziert das einen Anstieg um 1 Billion Euro.

   Indem Zentralbanken ihre Bilanzsumme - also das Volumen ihrer Vermögenswerte - steigern, pumpen sie frisches Geld in die Wirtschaft, um diese anzukurbeln. Die Anleihekäufe der EZB sind langsam gestartet: In den ersten beiden Wochen des Programms kaufte sie Covered Bonds für 4,8 Milliarden Euro.

   Der Ankauf von ABS hat noch gar nicht begonnen. Unklar ist, wie viel Geld die EZB über das am 11. Dezember anstehende Refinanzierungsgeschäft mit vierjähriger Laufzeit in das Finanzsystem pressen kann. Sollte all das keinen zufriedenstellenden Eindruck machen und sollten sich die Inflationsaussichten weiter eintrüben, dürften Staatsanleihekäufe wohl als Option ernsthaft diskutiert werden.

   Allerdings wäre der Weg dorthin für die EZB sehr steinig. Jegliche Versuche, die Kaufprogramme aus den USA, Großbritannien und Japan zu kopieren, würden die Notenbank vor politische und praktische Probleme stellen. Überdies ist strittig, ob Staatsanleihekäufe der EZB die Inflation tatsächlich in Richtung des offiziellen Inflationsziels der Notenbank von knapp unter 2 Prozent bringen würden.

   In den USA war Quantitative Easing (QE) nach überwiegender Meinung ein Erfolg. Aber das lag auch daran, dass sich die Unternehmen hier größtenteils über den Kapitalmarkt finanzieren. Europas Unternehmen dagegen besorgen sich Geld überwiegend über Bankkredite. Skeptiker glauben deshalb nicht, dass QE hier genauso wie jenseits des Atlantiks wirken würde.

   Und es gibt noch andere Probleme, auf die Anleihekäufe keinen Einfluss hätten. In Frankreich und Italien etwa hemmen die Steuer- und die Investitionspolitik das Wachstum. Was weitgehend fehlt, sind Maßnahmen, die das Wachstumspotenzial Europas stärken. Entsprechende Aufforderungen an Europas Regierungen sind fester Bestandteil von Draghis Pressekonferenzen. Bewirkt haben sie bisher nichts.

   DJG/hab/apo

   Dow Jones Newswires

Von Hans Bentzien

FRANKFURT

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