Zusätzliche Stimulierungsmaßnahmen mag die Europäische Zentralbank (EZB) zwar im Köcher haben. Doch bevor sie auch nur daran denkt, diese herauszuholen, wird sie abwarten, wie die bisherigen Schritte wirken.
Das Zinssignal für die Sitzung des EZB-Rats an diesem Donnerstag ist klar: Keine Änderung der Leitzinsen, die seit Juni auf 0,15 Prozent für den Hauptrefinanzierungssatz liegen, und unverändert negative Zinsen von 0,10 Prozent beim Satz für Einlagen der Banken.
Die zielgerichteten langfristigen Refinanzierungsgeschäfte (TLTRO) sind die nächsten Pfeile, die die EZB im September und Dezember aus dem Köcher ziehen wird. Mit ihnen will die Zentralbank die Kreditvergabe ankurbeln. Doch gerade hier ist unter Volkswirten Skepsis über die Erfolgsaussichten aufgekommen. Sagen die Banken zu wenig Kredite wegen mangelnder Liquidität zu, oder gibt es andere Gründe dafür wie die fehlende Bonität der Schuldner oder auch die Sorge, damit die eigene Bilanz angesichts der anstehenden Bankentests zu belasten? Auch die Furcht vor tolerierter Fehlnutzung besteht, wenngleich EZB-Präsident Mario Draghi Vorkehrungen gegen Missbrauch zugesichert hat.
Präsidenten der EZB
Mario Draghi
Der Ex-Chef der italienischen Zentralbank ist seit 2011 Präsident der EZB und verfügt über internationale Erfahrung und Reputation. Bei seiner Bewerbung setzte er sich gegen seinen deutschen Konkurrenten Axel Weber durch.
Wie seine amerikanischen Kollegen setzt auch Mario Draghi auf eine lockere Geldpolitik zur Bekämpfung der europäischen Schuldenkrise. Der Italiener betont dabei immer wieder, dass die EZB bereit sei. alle ihr zur Verfügung stehenden Instrumente zu nutzen. Dazu gehören unter anderem die Senkung des Leitzins für den Euroraum auf ein Rekordtief und die Erwägung eines negativen Einlagezinssatzes, sowie das Versprechen, dass die EZB notfalls unbegrenzt Staatsanleihen klammer Eurostaaten kaufen würde. Kritische Stimmen bemängeln jedoch, dass die EZB sich mit diesen Maßnahmen zum Teil außerhalb ihres Mandates bewegen würde.
Jean-Claude Trichet
Jean-Claude Trichet übernam 2003 das Amt des EZB-Präsidenten von Wim Duisenberg. Zuvor war Gouverneur der Banque de France (französische Zentralbank) und trieb in diese Position dei Euro-Einführung voran.
Nach dem Willen der franzöischen Regierung wäre Trichet bereits der erste Präsident der EZB geworden. Nur mittels eines Kompromisses konnten die anderen EU-Staaten ihren Favoriten Wim Duisenberg durchsetzen. Die Franzosen erhielten dafür die Versicherung, das Trichet die Nachfolge Duisenbergs nach einer verkürzten Amtszeit von nur vier Jahren antreten würde.
Während Trichets Zeit an der Spitze der EZB steuerte der Währungsraum durch gewaltige Turbulenzen. Um diese zu bewältigen setzte Trichet seinen Kurs beim Leitzins gegen den Willen mehrere europäischer Regierungen durch und brach auch Tabus. Als Sündenfall gilt der Kauf von Anleihen europäischer Schuldenstaaten. Die achtjährige Amtszeit von Jean-Claude Trichet endete 2011.
Willem Duisenberg
Der Niederländer Willem "Wim" Duisenberg war nach der Gründung der Europäischen Zentralbank im Jahr 1998 ihr erster Präsident. Zuvor war er von 1973 bis 1977 Finanzminister der Niederlande und von 1982 bis 1994 Präsident der niederländischen Zentralbank. Im Rennen um den Posten an der Spitze der EZB setzte er sich durch Mitbewerber Jean-Claude Trichet durch, der später sein Nachfolger wurde.
Sein kompromissloses Eintreten für Geldwertstabilität trug wesentlich dazu bei, dass die Europäer dem neuen Geld vertrauten, das 2002 als Bargeld eingeführt wurde. Er verdiente sich dadurch auch den Beinamen "Mister Euro" und erhielt das Großkreuz des Verdienstordesn der Bundesrepublik Deutschland. Während seiner Amtszeit, die bis 2003 dauerte, schaffte er es, die EZB durch das Minenfeld nationaler Empfindlichkeiten zu lenken. An den Finanzmärkten sorgte Duisenberg allerdings gelegentlich mit lockeren Bemerkungen für Verwirrung.
Wenn diese spezifischen Langfristtender nicht fruchten, wird für die EZB Handlungsdruck entstehen, allerdings wohl erst nach der zweiten Zuteilungsrunde im Dezember. Mit einem anderen Aspekt als möglichem Steigbügelhalter für neue unkonventionelle Maßnahmen wird Draghi auf der Pressekonferenz sicher konfrontiert werden: Der weiter gesunkenen Jahresteuerung in der Eurozone im Juli.
Die Option Quantitative Easing hat er zuletzt bewusst offen gelassen, falls die Inflation zu lange zu niedrig bleibt. Angesichts der rückläufigen Tendenz bei der Inflation und einer Jahresrate von gerade einmal 0,4 Prozent wird sich Draghi genauer äußern müssen, was aus seiner Sicht "zu lange" sein wird.
Dass es schnell gehen wird, ist nicht zu erwarten. Zwar hat sich bei den vorgelagerten Erzeugerpreisen eine gewisse Beruhigung ergeben, die mittelfristig auf die Verbraucherpreise durchschlagen könnte. Doch die Monatsrate von plus 0,1 Prozent und die Jahresrate von minus 0,8 Prozent auf Erzeugerebene sprechen nicht für einen baldigen Schub.
Angekündigt hat Draghi auch die Ausarbeitung eines Ankaufprogramms für Kreditverbriefungen (Asset Backed Securities - ABS). Anfang Juli hat der EZB-Präsident dazu noch keine Details geliefert. Das sollte er jetzt nachholen, wie mehrere Volkswirte erwarten.
DJG/smh/cln
(FRANKFURT) Dow Jones Newswires