Analyse 08.04.2022 15:51:00

Shell, BP & Co: Russlands Invasion zwingt Ölkonzerne reinen Tisch zu machen

Shell, BP & Co: Russlands Invasion zwingt Ölkonzerne reinen Tisch zu machen

Am Donnerstag teilte Shell mit, dass voraussichtlich Vermögenswerte im Umfang von 4 bis 5 Milliarden US-Dollar in Russland abgeschrieben werden müssen. Das wäre weit mehr als die 3 Milliarden US-Dollar an langfristigen russischen Vermögenswerten, die Ende letzten Jahres in den Büchern standen. Die zusätzliche Wertminderung umfasst die Abschreibung von Forderungen, erwartete Kreditverluste und Verträge.

Operativ läuft es gut

Der Energieriese gab auch einige gute Zahlen für das erste Quartal bekannt, was angesichts eines durchschnittlichen Ölpreises von 97 US-Dollar pro Barrel für die Sorte Brent keine Überraschung war. In den Kommentaren der Analysten spielten die unerwartet hohen Abschreibungen jedoch kaum eine Rolle. Sie sprachen lieber über das Produktionsvolumen, die Gewinnspannen und die Entwicklung des Betriebskapitals.

Ein paar Milliarden US-Dollar klingen weniger bedeutend, wenn man diese Summe mit dem vierteljährlichen freien Cashflow von 6,3 Milliarden US-Dollar vergleicht, den die Analysten im Durchschnitt erwarten, wenn im nächsten Monat die vollständigen Ergebnisse des Unternehmens vorgelegt werden.

Die Shell-Aktie beendete den europäischen Vormittag mit einem Minus von etwa 1 Prozent und lag damit nur geringfügig hinter der regionalen Konkurrenz.

Fast alle verlassen Russland

Nur wenige Tage nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine hatte Shell Ende Februar erstmals auf die Abschreibungen für Russland hingewiesen. Viele große Ölgesellschaften waren bis dahin in Russland tätig, und alle - mit Ausnahme von TotalEnergies - planen nun den Rückzug.

Anleger erwarten in diesem Quartal weitere Wertminderungen in Höhe von mehreren Milliarden US-Dollar. ExxonMobil beendete das letzte Jahr mit russischen Vermögenswerten im Wert von 4 Milliarden US-Dollar. BP ist am stärksten verwickelt: Die Beteiligung des Mineralölunternehmens am russischen Ölproduzenten Rosneft schlug mit 14 Milliarden US-Dollar zu Buche. Außerdem rechnet das Unternehmen mit einer zusätzlichen nicht zahlungswirksamen Belastung von 11 Milliarden US-Dollar für seit 2013 aufgelaufene Wechselkursverluste.

Die vorläufige Schätzung von Shell könnte ein Zeichen dafür sein, dass die Abschreibungen auf russische Vermögenswerte eher eine Unter- als eine Obergrenze für Wertminderungen darstellen.

TotalEnergies hat in Russland 13,7 Milliarden US-Dollar an Kapital im Feuer. Das Unternehmen ist seit mehr als 25 Jahren in dem Land tätig und verfügt über Niederlassungen in allen Geschäftsbereichen. Laut einer Mitteilung vom vergangenen Monat will der französische Ölmulti seine Minderheitsbeteiligungen an russischen Liegenschaften beibehalten, während die meisten anderen Geschäftsbereiche aufgelöst werden sollen. Mit der Verschärfung der Sanktionen wächst der Druck auf das Unternehmen, dem Vorbild der Konkurrenten zu folgen.

Hohe Preise federn Verluste ab

Der Schritt dürfte finanziell nicht allzu sehr schmerzen, vorausgesetzt, die Rohstoffpreise bleiben hoch. Die Möglichkeiten der Unternehmen, aus hohen Öl- und Gas-Spotpreisen Kapital zu schlagen, sind zwar durch langfristige Lieferverträge begrenzt, aber es gibt einen gewissen Spielraum, und diejenigen, die über Handelsabteilungen verfügen, können ebenfalls profitieren.

Shell geht davon aus, dass ein Anstieg des Brent-Rohölpreises um 10 US-Dollar pro Barrel seinem integrierten Gasgeschäft einen zusätzlichen operativen Cashflow von 1 Milliarde US-Dollar pro Jahr und seiner Upstream-Sparte 3 Milliarden US-Dollar pro Jahr beschert. Zum Vergleich: Im vierten Quartal 2021 erwirtschaftete Shell bei einem durchschnittlichen Brent-Preis von 80 US-Dollar pro Barrel einen operativen Cashflow von 8,2 Milliarden US-Dollar. Steigende Gaspreise sorgen ebenfalls für Auftrieb.

Das letzte Mal, dass große Ölgesellschaften Vermögenswerte in Milliardenhöhe abschreiben mussten, war in der Anfangsphase der Pandemie, als Preise und Nachfrage einbrachen. Dies führte zu einigen schmerzhaften Dividendenkürzungen. Diesmal ist die Lage deutlich komfortabler. Man sollte sich aber auch nicht wundern, wenn die Rechnung am Ende noch ein paar Extras enthält.

Von Rochelle Toplensky

NEW YORK (Dow Jones)

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