Brent und WTI im Fokus 20.01.2016 10:32:00

Ölpreis im Sinkflug: So geht es jetzt weiter!

In der dritten Kalenderwoche des Jahres 2016 hat sich der Preisverfall beim Öl weiter fortgesetzt. Europäisches Rohöl der Sorte Brent kostete bereits am Montag im bisherigen Tief 27,70 US-Dollar und damit so wenig wie seit November 2003 nicht mehr. Amerikanisches Rohöl (WTI) fiel bis auf 28,36 Dollar - der tiefste Stand seit Oktober 2003. Seit ihren Höchstständen Mitte des vergangenen Jahres büßten die Rohölsorten damit annähernd 60 Prozent ihres Wertes ein. Doch was genau ist an einem niedrigen Ölpreis problematisch? Kann ein niedriger Ölpreis auch Vorteile haben? Und wie geht es jetzt an den Börsen weiter?

Opec und Iran fördern Ölpreisverfall

Der Ölpreis befindet sich seit Monaten wegen eines zu hohen Angebotes im Sinkflug. Die Opec, die Organisation erdölexportierender Länder, hatte sich zuletzt im Dezember 2015 gegen eine Kürzung der Ölförderquoten entschieden. Nach der Aufhebung der Handelssanktionen gegen den Iran geraten die Ölpreise nun weiter unter Druck. Die Internationale Atomenergiebehörde IAEA hatte dem Land am Wochenende bescheinigt, seinen Verpflichtungen aus dem Atomabkommen nachgekommen zu sein.

Für den Ölmarkt hat der Schritt eine große Bedeutung: Das ölreiche Iran will seine Rohölausfuhren um etwa 500.000 Barrel pro Tag hochfahren. Damit dürfte das ohnehin hohe Weltangebot - Hauptgrund für den Ölpreisverfall - noch größer werden. Das freut vor allem Verbraucher und Industrie, die von sinkenden Preisen auch für Benzin, Diesel oder Heizöl profitieren.

Die Gewinner des niedrigen Ölpreises

Industrieländer wie Deutschland gehören aus volkswirtschaftlicher Sicht zu den Profiteuren des Ölpreiseinbruchs. Sie können Öl so billig wie selten importieren. Das Überangebot kommt der Industrie zugute, sie kann wegen der geringeren Kosten für die wichtige Ressource günstiger produzieren - etwa in der Chemie, wo Öl ein wichtiger Grundstoff ist.

Auch die Autoindustrie zählt zu den Gewinnern der Ölpreiskrise. Spritdurstige Wagen wie SUVs und große Limousinen gewinnen wieder an Attraktivität, die Gewinnmargen der Fahrzeugbauer steigen. Öl einzusparen, scheint nicht notwendig, die Verbraucher profitieren von einem niedrigen Benzin- und Dieselpreis.

Die Verlierer des Ölpreisverfalls

Während Verbraucher und Industrie von sinkenden Ölpreisen profitieren, geraten viele Ölländer und der Rohstoffsektor weiter unter Druck - eine schwierige Zeit für Ölkonzerne. Gerade erst zeigte sich OMV-Chef Rainer Seele besorgt über den niedrigen Ölpreis: "Wir haben 2014 mit einem großen Sparprogramm 'Fit for Fifty' begonnen. Das reicht aber nicht, wenn der Ölpreis bei 30 Dollar liegt", sagte der OMV-Vorstandschef. Möglicherweise steht dem österreichischen Unternehmen nun ein neuer Sparkurs bevor.

Für alle Ölproduzenten und -exporteure ist der niedrige Preis sehr schmerzhaft. Bei Barrelpreisen zwischen 40 und 45 US-Dollar ist die Förderung wenig profitabel. Staaten wie Venezuela, deren Haushalte stark von den Öleinnahmen abhängig sind, haben bei diesem Preis große Probleme. Auch für die US-Schieferölindustrie ist der Preisverfall eine massive Belastung. Die Förderung des eigenen Öls und Gases mithilfe der umstrittenen Fracking-Methode soll bereits ab einem Preis von 60 US-Dollar pro Barrel unrentabel sein. Einige Förderländer - etwa Saudi-Arabien und andere Golfstaaten - können das Preistief durch hohe Rücklagen besser und länger verkraften.

So geht es an den Ölmärkten weiter

Großer Pessimismus beherrscht derzeit die Ölmärkte. Die britische Bank Standard Chartered veröffentlichte gerade erst eine Prognose, laut derer sie einen Rückgang des Preises auf zehn Dollar für möglich hält. Doch diese zunächst schlechte Nachricht könnte auch eine positive Seite haben: Der Boden für das "schwarze Gold" scheint recht nahe zu sein. Und auch Suhail Mohamed al-Masroui, der Energieminister der Vereinigten Arabischen Emirate, zeigte sich zuletzt zuversichtlich: "Wir sind sicher, dass der Markt sich selbst regulieren wird!"

Auch die Opec setzt darauf, dass sich der Ölmarkt im Laufe dieses Jahres auszubalancieren beginnt. Die Organisation erwartet, dass sich die Preisschwäche auf die Fördermengen außerhalb des Kartells auswirkt. "Nach sieben Jahren mit einem kräftigen Wachstum des Angebots von Nicht-Opec-Staaten, teilweise von mehr als zwei Millionen Barrel pro Tag, dürfte 2016 das Jahr eines Förderrückgangs sein, da sich jetzt die Folgen deutlicher Investitionskürzungen bemerkbar machen werden", heißt es im Opec-Monatsbericht für Januar.

In den USA dürfte der deutlichste Einbruch mit 400.000 Barrel pro Tag sichtbar werden. Aber auch andere Förderregionen wie Kanada, die Nordsee, Lateinamerika und Teile Asiens sieht die Opec als besonders anfällig an. Die Zeiten für die Ölkonzerne bleiben also hart, für den Ölpreis hingegen dürfte es in naher Zukunft wieder nach oben gehen.

Geht es an den Aktienmärkten nun bald wieder aufwärts?

Der immer tiefer stürzende Ölpreis verunsichert die Anleger grundlegend. Der deutsche Leitindex DAX büßte in den ersten Tagen des Jahres 2016 die gesamten Gewinne des vergangenen Jahres ein. Zeitweise fiel das Frankfurter Börsenbarometer unter die Marke von 9.500 Punkten, seine Verluste seit Jahresbeginn belaufen sich aktuell auf mehr als zehn Prozent - an den weltweiten Börsen sieht es kaum besser aus.

Derzeit deutet alles daraufhin, dass es eine nachhaltige Erholung an den Aktienmärkten erst geben kann, wenn die belastenden Faktoren gewichen sind. Neben der Ölpreiskrise sind auch die Konjunktursorgen um China weiter Teil der großen Verunsicherung. Nur stabile Konjunkturdaten aus der Volksrepublik sowie ein sich erholender Ölpreis können - so scheint es derzeit - den Anlegern wieder mehr Zuversicht auf steigende Kurse geben.



Von Markus Gentner/Redaktion finanzen.at

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