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Präsidentschaftswahl |
25.10.2020 14:49:00
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Nach Erholung vom Frühjahr: Wie der Ölpreis auf einen Sieg des demokratischen US-Präsidentschaftskandidaten Joe Biden reagieren könnte
• Mehr Regulationen für US-Ölindustrie erwartet
• Nuklearabkommen mit dem Iran im Fokus
US-Präsident Donald Trump kann wohl zu Recht als Freund der Ölindustrie bezeichnet werden. Bereits 2017, kurz nach seinem Amtsantritt, kündigte er den Austritt der USA aus dem Pariser Klimaabkommen an, das der US-Ölindustrie laut "ZEIT" schon lange ein Dorn im Auge war. Im Ölpreiskrieg zwischen Russland und Saudi-Arabien zu Beginn des Jahres nahm er dann eine Vermittlerrolle ein, um eine Einigung zu erzielen und Produktionskürzungen zu erreichen. Laut "ZEIT" war dies das erste Mal, dass sich "ein US-Präsident Hand in Hand mit der Opec bemüht, die Ölpreise hochzutreiben". Genutzt hat dies indes wenig: Die Corona-Pandemie und der mit ihr verbundene Lockdown in vielen Ländern hat dafür gesorgt, dass die Ölpreise im April ins Bodenlose fielen. Zwar hat sich der Preis für das schwarze Gold inzwischen wieder erholt, jedoch dümpeln die Kurse für Brent und WTI in den letzten Wochen überwiegend zwischen 40 US-Dollar pro Barrel und 45 US-Dollar pro Barrel vor sich hin. Das dürfte sich jedoch ändern, falls Joe Biden die Wahl am 3. November gewinnt, glauben Analysten. Über die Richtung, in die sich die Ölpreise dann entwickeln werden, sind sie sich jedoch nicht einig.
Deutsche-Bank-Experte sieht bei Biden-Sieg Dämpfer für Ölpreis
Dr. Ulrich Stephan, Chef-Anlagestratege für Privat- und Firmenkunden bei der Deutschen Bank, sieht bei einem Sieg von Joe Biden bei der US-Präsidentschaftswahl negative Auswirkungen auf die Ölpreise zukommen. Im Newsletter "Perspektiven am Morgen" vom 19. Oktober nennt er drei Gründe, die bei einem Amtsübergang auf den Kandidaten der demokratischen Partei "eine dämpfende Wirkung auf die Ölpreise" haben dürften. So werde etwa ein US-Präsident Biden "die Dekarbonisierung der US-Wirtschaft vorantreiben", schreibt Stephan. Tatsächlich dürfte bei einem Machtwechsel im Weißen Haus mehr Geld in den Ausbau erneuerbarer Energien fließen, da Biden laut "CNBC" bis 2035 erreichen will, dass der Energie-Sektor in den USA keinen Kohlenstoff mehr ausstößt. Zudem werde Biden die OPEC+-Staaten laut Stephan nicht zu Produktionskürzungen antreiben, wie es Trump getan hat.
"Die deutlichsten negativen Auswirkungen auf die Ölpreise hätte vermutlich der Versuch einer Wiederbelebung des Nuklearabkommens mit dem Iran", so der Chef-Anlagestratege der Deutschen Bank weiter. Er geht davon aus, dass Biden den Nuklear-Deal noch vor den iranischen Präsidentschaftswahlen im Juni 2021 neu aufschnüren dürfte, wodurch der Iran als Ölexporteur an den Weltmarkt zurückkommen könnte. Ein höheres Ölangebot wäre die Folge. Dr. Ulrich Stephan schätzt, dass das Angebot an Rohöl dadurch um zwei Millionen Barrel pro Tag steigen dürfte. Die Nachfrageseite dürfte aufgrund der anhaltenden Corona-Pandemie vor allem in Europa jedoch weiterhin schwächeln. Auf kurze Sicht gebe es somit bei einem Biden-Sieg "wenig Potenzial für signifikant höhere Ölpreise, obgleich die OPEC+-Staaten ihre Förderkürzungen vermutlich bis in das Jahr 2021 hinein verlängern werden", so das Fazit des Deutsche-Bank-Experten.
Goldman Sachs bleibt mit Blick auf Biden bullish für Öl
Ganz anderer Meinung sind hingegen die Analysten der US-Investmentbank Goldman Sachs. "Wir erwarten nicht, dass die anstehende US-Wahl unsere bullishen Prognosen für die Öl- und Gaspreise zu Fall bringen wird", heißt es in einer Analyse von Mitte Oktober, die "CNBC" vorliegt. Laut den Goldman-Sachs-Experten wäre ein Sieg von Joe Biden und eine zusätzliche "Blue Wave" - gemeint ist damit, dass die Demokraten bei der US-Wahl die Mehrheit in beiden Kammern des Kongress erreichen - hingegen wahrscheinlich sogar "ein positiver Katalysator" für die Ölpreise. Darauf würden die "jüngsten Rotationen bei den Ölpreisen, die an Tagen eines höheren erwarteten Stimulus und eines sich abschwächenden US-Dollars in den Rallymodus gehen", hindeuten.
Insgesamt erwartet die US-Investmentbank, dass die Öl- und Gasindustrie in den USA unter einem US-Präsident Joe Biden mit einem gewissen Gegenwind zu kämpfen haben werde, auch wenn seine Aussagen im Wahlkampf eher moderat ausfallen würden. Erwartet wird, dass Biden Beschränkungen für die Förderung von Schieferöl auf dem Staat gehörenden Gebieten verschärfen und weniger neue Pipelines genehmigen wird. Durch weitere Regulierungen - etwa höhere Steuern - könnte er zudem die Kosten für die Produktion von Schieferöl um bis zu 5 US-Dollar pro Barrel verteuern, glauben die Analysten. Damit würde sich die Förderung für einige Produzenten wohl nicht mehr lohnen, wodurch das Angebot sinken und die Ölpreise steigen dürften - denn die Nachfrage sollte sich laut der US-Investmentbank im kommenden Jahr wieder etwas erholen. Auch bei der Wiederbelebung des Nuklearabkommens mit dem Iran geht Goldman Sachs laut "CNBC" nicht von negativen Auswirkungen auf den Ölpreis aus. Der Gegenwind beim Schiefer-Angebot werde wachsende Exporte aus dem Iran ausgleichen, so die Einschätzung. Denn wenn der Iran durch ein höheres Angebot die Preise drückt, dann sei die Produktion für viele US-Unternehmen nicht mehr profitabel, wodurch wiederum das Angebot von dieser Seite sinke, so die Rechnung.
Auch Artem Abramov von der Energieberatungsfirma Rystad Energy schloss sich laut der Webseite "Natural Gas Intelligence" der Meinung der Goldman-Sachs-Analysten an. Er erwarte von Biden, dass er als US-Präsident den Handelskrieg mit China beenden und eine Politik betreiben werde, die sich mehr mit dem Schutz vor COVID-19 befasst. Das allein dürfte sich positiv auf den Ölverbrauch und die Ölpreise auswirken, so der Energieexperte.
Redaktion finanzen.at
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Rohstoffe in diesem Artikel
Ölpreis (Brent) | 73,42 | 0,32 | 0,44 | |
Ölpreis (WTI) | 69,36 | 0,28 | 0,41 |