Erdgaspreis - Natural Gas
Energiekrise |
21.10.2022 14:23:00
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Vorerst kein EU-Gaspreisdeckel - Gaspreisbremse Thema auf Ministerpräsidentenkonferenz
Verbraucher und die Wirtschaft hätten in der aktuellen Situation allerdings nichts von einem solchen Instrument. Der vorgeschlagene Mechanismus soll nicht das derzeitige Preisniveau drücken, sondern lediglich dann zum Einsatz kommen, wenn etwa Manipulationen wie der russische Lieferstopp über Nord Stream 1 die Preise hochtreiben. Auch die Details eines solchen Modells - etwa was ein exzessiver Gaspreis ist - sind noch weitgehend unklar. Dennoch reklamierten etliche Staats- und Regierungschefs die Vereinbarung als Erfolg für sich.
Kanzler Scholz, dem vor dem Gipfel von vielen Staaten Egoismus in der Energiekrise vorgeworfen worden war, sprach nach der ersten Gipfelnacht von einem "guten Zeichen der Solidarität". Ungarns Viktor Orban sah eine "faire Vereinbarung". Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki nannte das Ergebnis gut für Polen und Österreichs Kanzler Karl Nehammer verkündete "gute Nachrichten".
Tatsächlich blieb der Gipfel-Kompromiss allerdings vage. Vereinbart wurde viel mehr ein "Fahrplan" für die kommenden Wochen und Monate, wie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte. Als nächstes sollen sich die Energieminister der EU-Staaten am Dienstag mit dem Vorhaben des Gaspreisdeckels gegen extrem hohe Preise befassen.
Von der Leyen gab sich sicher, dass ein "dynamischer Preiskorridor" eingeführt wird. Scholz zeigte sich deutlich zurückhaltender als seine ehemalige Kabinettskollegin. Er behauptete, die Fachminister müssten mögliche Beschlüsse bei dem Thema einstimmig fassen, andernfalls werde sich ein EU-Gipfel nochmal damit befassen. Geregelt ist eigentlich, dass in der Energiepolitik mit qualifizierter Mehrheit entschieden werden kann. Bei anderen Gipfel-Teilnehmern sorgten Scholz' Äußerungen für Irritationen. Der Kanzler setzt sich seit Monaten öffentlich dafür ein, seltener auf das Einstimmigkeitsprinzip zu setzen, um die EU etwa in außenpolitischen Fragen handlungsfähiger zu machen.
Deutschland sah Preisdeckel aller Art bislang mit Skepsis. Je nach Ausgestaltung wird etwa befürchtet, dass Lieferanten ihr Gas nicht mehr in die EU, sondern an andere Länder verkaufen könnten. Bei den anstehenden Verhandlungen dürfte Berlin nun versuchen, das Instrument so zu konzipieren, dass es möglichst selten oder gar nicht angewendet wird. Der Gipfel-Beschluss legte als Hürde bereits unter anderem fest, dass die Versorgungssicherheit nicht gefährdet wird.
Weitreichende Ergebnisse gab es beim Gipfel auch deshalb nicht, weil Deutschland und Frankreich in Schlüsselfragen seit Wochen über Kreuz liegen. So fordert der französische Präsident Emmanuel Macron etwa, europaweit einen Preisdeckel für Gas einzuführen, das zur Stromerzeugung genutzt wird - Scholz lehnt ein solches Vorhaben dagegen vehement ab. Ähnliche Differenzen gibt es in der Frage, wie in der EU mögliche Unterstützungsmaßnahmen in der Energiekrise finanziert werden sollen.
Macron bezog bereits vor dem Gipfel mit seiner Warnung vor einer Isolation Deutschlands klar Position. Das passt ins Bild der kurz vor dem Gipfel verschobenen gemeinsamen Kabinettssitzung beider Regierungen, die eigentlich für nächste Woche geplant waren. Der Grund: Die Differenzen bei zentralen Themen wie Energie und Verteidigung sind einfach zu groß.
Immerhin wollen Scholz und Macron sich nächste Woche in Paris erstmal zu zweit treffen, um sich auszusprechen. "Wir arbeiten also weiter und vertreten nicht immer die gleichen Positionen, was normal ist", sagte Macron dazu. Klingt nicht gerade zuversichtlich. Dann fügte er noch hinzu, dass es sich gerade um einen Schlüsselmoment für Europa handele.
Scholz ließ sich gar nicht so richtig auf Fragen nach Problemen im deutsch-französischen Verhältnis ein. Er spreche ja immer wieder mit Macron, sagte er. "Insofern kann man davon ausgehen, dass die Zusammenarbeit zwischen Frankreich und Deutschland, und auch zwischen dem Präsidenten und dem Bundeskanzler intensiv ist - und Erfolg hat." Was genau er als Erfolg sieht, erklärte er dann aber nicht mehr.
Ministerpräsidenten beraten mit Bundesministern über Gaspreisbremse
Die Regierungschefinnen und -chefs der Länder haben am Freitagmorgen ihre Beratungen fortgesetzt. Am zweiten und letzten Tag ihrer Konferenz wollten sich die Ministerpräsidenten mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) über die Energiekrise austauschen. Dabei dürfte die angekündigte Gaspreisbremse im Vordergrund stehen. Mehrere Regierungschefs hatten gesagt, dass sie sich mehr Klarheit bei der Umsetzung erhoffen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ist nicht dabei.Die Bundesregierung will Verbraucher und Unternehmen mit einem Maßnahmenpaket von bis zu 200 Milliarden Euro angesichts der hohen Energiepreise infolge des Ukraine-Kriegs unterstützen. Die Preise für Gas und Strom sollen gedeckelt werden. Für Firmen soll es Liquiditäts- und Eigenkapitalhilfen geben. Details sind aber noch offen. Die nächsten Bund-Länder-Gespräche sind am 2. November geplant. Dann könnten konkrete Schritte beschlossen werden.
Bei den Beratungen am Freitag in Hannover dürften zudem unter anderem die Finanzierung der Aufnahme von Geflüchteten sowie eine Nachfolgelösung des Ende August ausgelaufenen 9-Euro-Tickets für den Nah- und Regionalverkehr Thema sein.
Ministerpräsident Weil fordert Gaspreisbremse schon zum Januar
Die geplante Gaspreisbremse sollte nach Ansicht von Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil schon im Januar in Kraft treten. "Es ist zwingend notwendig aus meiner Sicht", sagte der SPD-Politiker am Freitagmorgen vor der Fortsetzung der Ministerpräsidentenkonferenz in Hannover: "Ich glaube, das wird auch heute der einhellige Rat der 16 Bundesländer an die Bundesregierung sein."Zur Entlastung der Gaskunden hatte die von der Regierung eingesetzte Expertenkommission ein Stufenmodell vorgelegt. Dieses sieht in diesem Dezember eine Einmalzahlung in Höhe einer Monatsrechnung vor und im kommenden Jahr eine Gaspreisbremse für private Haushalte, kleine und mittlere Unternehmen sowie für industrielle Verbraucher. Die Deckelung für eine Grundmenge an Gas soll im März 2023 starten.
Das vorgeschlagene Verfahren, eine Gaspreisbremse im Dezember einzuführen, sie im Januar und Februar auszusetzen und es dann erst wieder im März zu einer Entlastung kommen zu lassen, werde niemand verstehen, kritisierte Weil.
Weil sagte auch, er bedauere das Ende des Tankrabatts. Niedersachsen sei ein großes Flächenland, viele Menschen mit geringem Einkommen müssten morgens lange Strecken zur Arbeit pendeln und seien auf das Auto angewiesen. Diese Menschen müssten unterstützt werden. "Ich habe aber ehrlich gesagt nicht die Hoffnung, dass das jetzt korrigiert wird", sagte der SPD-Politiker.
BRÜSSEL / HANNOVER (dpa-AFX)
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