19.10.2007 16:00:00
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HINTERGRUND: Früheres Horror-Szenario wird wahr: Ölpreis und Euro im Höhenflug
Eines der wichtigsten Argumente für eine weiter robuste Konjunktur in Deutschland ist die Änderung der Rahmenbedingungen der vergangenen Jahre. Die USA sind zwar für die deutschen Automobilhersteller oder Maschinenbauer weiterhin ein wichtiger Markt, und Hersteller aus den USA stehen in Konkurrenz zu deutschen Firmen - allerdings haben asiatische Länder wie China und Indien an Bedeutung gewonnen. Und auch die rohstoffexportierenden Länder kaufen vermehrt Produkte "Made in Germany". Der Volkswirt des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), Olaf Wortmann, spricht von Sondereffekten. "Wir würden lautere Klagen hören, wenn die Auslastung und Nachfrage nicht so hoch wären."
FESTER EURO WIRKT PREISANSTIEG BEIM Öl ENTGEGEN
Auch der seit Jahresbeginn um rund 50 Prozent gestiegene Ölpreis scheint für viele Unternehmen verkraftbar. Denn zum Teil kompensiert der starke Euro den in US-Dollar notierten Preisanstieg beim Rohöl. Und die Effizienz der Rohstoffnutzung hat sich in den vergangenen Jahren verbessert, so dass zum Beispiel für dasselbe Produkt heute weniger Energie notwendig ist. So geht die Commerzbank in einer aktuellen Studie davon aus, dass ein weiterer Ölpreis-Anstieg zwar zu einem "Nachfrageschock" führen könne - dieser werde dann aber durch neue Technik zu Einsparungen und langfristig wieder niedrigeren Ölpreisen führen.
"Die Situation ist mit den Ölpreisschocks der 70er Jahre nicht zu vergleichen", sagt der Eurozonen-Volkswirt der Deutschen Bank, Markus Heider. Damals habe ein knappes Angebot den Ölpreis getrieben, heute dagegen seien die fundamentalen Ursachen im weltweit hohen Wirtschaftswachstum zu finden - und das wirkt sich wiederum positiv auf die deutsche Wirtschaft aus.
PAUSE BEIM AUFSCHWUNG
Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute rechnen in ihrem gerade vorgelegten Herbstgutachten für das kommende Jahr nur mit einer vorübergehenden Pause im Aufschwung. Für 2008 erwarten sie ein Plus von 2,2 Prozent beim Bruttoinlandsprodukt nach 2,6 Prozent in diesem Jahr. Doch auch die Konjunkturforscher haben ein Szenario vorgelegt, das einen weiter stark steigenden Euro und Ölpreis vorsieht. Dann ist nur noch mit einem Wachstum von unter einem Prozent zu rechnen - wobei diese Variante allerdings nicht als wahrscheinlich gilt.
Daher wird nun vieles von der weiteren Entwicklung der Ölpreise und Wechselkurse abhängen. Einen weiteren Anstieg des Ölpreises auf über 100 Dollar hält manch Experte für möglich. Allerdings sehen viele einen Grund des starken Anstiegs auch in der Spekulation und nicht nur in den fundamentalen Daten wie Verbrauch und Produktion. So haben vor allem Hedge-Fonds Milliarden-Beträge in Rohstoffe investiert - und eine solche Spekulationsblase könnte schnell wieder platzen. Allerdings: "Es ist sehr schwer, Ölpreise vorherzusagen", sagt Volkswirt Heider. Die Prognosefehler seien in den vergangenen Jahren extrem hoch gewesen.
DEUTSCHE BANK-CHEFVOLKSWIRT WALTER ERWARTET WEITEREN ANSTIEG
Deutsche-Bank-Chefvolkswirt Norbert Walter jedenfalls geht von einem weiteren Anstieg aus. "Nach meiner Einschätzung werden wir mit Sicherheit die 100-Dollar-je-Fass-Grenze überschreiten", sagte er dem Radiosender NDR Info. Das liege auch daran, dass der Dollar wohl noch schwächer werde. Einen deutlichen Rückgang des Eurokurses halten viele Experten auf jeden Fall für wenig wahrscheinlich: Die Gemeinschaftswährung hat schließlich inzwischen eine wichtige Rolle in der Welt. Die Stabilität der harten Währung und unveränderte Leitzinsen bei 4,0 Prozent machen den Euro attraktiv - zumindest solange die Wirtschaft in der Eurozone nicht in die Rezession abrutscht. /rg/DP/js
---Von Rochus Görgen, dpa ---