Große Beliebtheit 19.10.2014 03:00:00

Goldpreis: Warum die Talfahrt beendet ist

von Andreas Höß, Euro am Sonntag

Syrien, Irak, Ukraine, Ebola-Epidemie, Konjunktureinbruch und fallende Aktienkurse in Deutschland: Bei der morgendlichen Zeitungslektüre kann einem im Moment schon einmal das Brot im Hals stecken bleiben. So viel Krise war selten. Das suggerieren zumindest die Schlagzeilen in diesen Wochen. Da müsste der Goldpreis doch eigentlich durch die Decke gehen, sollte man meinen.

Doch ein Blick auf den Kurs der Angstwährung Nummer 1 zeigt: Der Goldpreis ist mit 1.200 US-Dollar je Unze weit von seinem Hoch aus dem Jahr 2011 bei rund 1.900 Dollar entfernt. Und zuletzt fielen die Notierungen sogar deutlich, anstatt zu steigen. Steckt die Krisenwährung Gold selbst in der Krise? Und wird ihr Kurs weiter fallen?

Auch die Analysten der Großbanken fragen sich das - und kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Kaum eine Anlageklasse polarisiert so wie Gold. Während manche Anleger das Edelmetall für einen nutzlosen Rohstoff halten, sehen es andere als ultimativen Wertspeicher, der Vermögen vor Inflation, Finanzkrisen oder Währungsschnitten rettet. So driften die Schätzungen zum Teil weit auseinander. Der liechtensteinische Vermögensverwalter Incrementum erwartet bis Ende 2015 einen Preisanstieg um 600 auf 1.831 Dollar je Unze. Die niederländische Bank ABN Amro rechnet hingegen mit einem starken Preisverfall um 400 auf 825 Dollar.

Der Goldpreis sollte stabil bleiben
Die große Masse liegt wie so oft dazwischen. Vom Datendienst Bloomberg befragte Analysten erwarten in den kommenden Quartalen kaum Preisschwankungen und sehen den Goldpreis bis Ende 2015 im Mittel fast unverändert bei 1.255 Dollar - trotz geopolitischer Krisen, Wirtschaftsrisiken und drohender Seuchen. Schreiben die Analysten wie so oft nur die jüngste Entwicklung in die Zukunft fort? Vielleicht, schließlich pendelt der Goldpreis bereits seit etwa einem Jahr zwischen 1.200 und 1.400 Dollar je Unze. Doch tatsächlich spricht derzeit wenig für einen Absturz. Und genauso wenig deutet auf einen starken Anstieg hin. Der Hauptgrund: Die Bedrohung durch globale Finanzkrisen wird als weniger akut wahrgenommen. Und diese Bedrohung treibt den Goldpreis traditionell weitaus stärker als etwa geopolitische Risiken.

So waren die Terroranschläge auf das New Yorker World Trade Center am 11. September 2001 zwar auch für die Börsen weltweit ein echter Schock. Trotzdem stieg der Goldpreis in den folgenden Tagen nur um acht Prozent und damit lediglich halb so stark wie nach der Pleite der US-Großbank Lehman Brothers zu Beginn der Finanzkrise im Jahr 2008. Und ihr Hoch erreichten die Notierungen 2011, als viele europäische Staaten vom Bankrott bedroht waren und der Euro vor dem Zusammenbruch stand. Hinzu kam, dass die Niedrigzinspolitik der Notenbanken die Inflationsangst schürte.

Diese Furcht scheint verflogen - zumindest vorerst. Inflation ist kein Thema mehr, in Europa liegt die Teuerungsrate beispielsweise weit unter dem von der Europäischen Zentralbank (EZB) anvisierten Ziel von zwei Prozent jährlich. Griechenland, Irland, Portugal oder Spanien und Italien kommen dank des beherzten Eingreifens der EZB mittlerweile wieder an bezahlbare Kredite, auch die hartnäckige Wirtschaftskrise im Süden Europas schwächt sich ab. Pleitewellen im Bankensektor gelten als lange nicht mehr so wahrscheinlich wie während der Finanzkrise. Die Lage an den globalen Finanzmärkten hat sich wieder etwas normalisiert.

Der große Hype ist vorbei
Mit der Entspannung ist der Hype ums Gold abgeklungen. Das haben auch viele spekulative Anleger gemerkt, die mit günstigen Indexfonds (ETFs) auf die Angstwelle gewettet hatten. Sie haben mit den fallenden Preisen längst Positionen aufgelöst, Goldfonds mussten zwischen 2012 und 2013 fast 1.000 Tonnen des Edelmetalls auf den Markt werfen, was zu einem gigantischen Überangebot und einem Preissturz führte. Nun sind die Goldbestände in den ETFs vergleichsweise konstant und andere Faktoren prägen die Entwicklung. Und diese halten sich die Waage.

Belastend wirkt unter anderem die sinkende Nachfrage in China und Indien, den größten Goldimporteuren der Welt. In China zügelte das geringere Wirtschaftswachstum den Appetit auf Gold, in Indien ließen hohe Importzölle und Einfuhrbeschränkungen die Importe einbrechen. Besonders stark setzte aber die Stabilisierung der US-Wirtschaft den Goldpreis unter Druck.

Weil sich die Lage am US-Arbeitsmarkt bessert, lässt die US-Notenbank Fed ihr milliardenschweres Hilfsprogramm (Quantitative Easing) auslaufen und könnte auch die Zinsen bald anheben. Das stärkt den US-Dollar, in dem auch der Goldpreis üblicherweise angegeben wird. Seit Mitte Juli wertete der Dollar gegenüber dem Euro um rund sieben Prozent auf, der Goldpreis fiel in Dollar in der gleichen Zeit nur wenig mehr, nämlich um knapp zehn Prozent. Europäische Anleger spürten also kaum etwas von der jüngsten Goldschwäche.

Selbst wenn der Dollar weiter aufwerten sollte, muss das den Goldpreis aber nicht drastisch drücken. Die niedrigeren Notierungen machen manche Minen unrentabel. Es zeichnet sich ein Minensterben ab, weshalb künftig wohl weniger Edelmetall aus dem Boden gegraben wird. Auch die Zentralbanken kaufen übrigens mehr Gold, als sie verkaufen, und stützen damit die Notierungen. Und die zahlreichen Konflikte - siehe Irak, Syrien oder Ukraine - geben dem Goldpreis immer wieder einen kleinen Schub.

Deutsche Anleger kaufen gezielt
"Politische Krisen sind aber immer nur für ein paar Dollar Preisanstieg gut. Die richtigen Sprünge am Goldmarkt gibt es dann, wenn Anleger echte Angst um ihr Geld haben", sagt Wolfgang Wrzesniok-Roßbach. Er ist Geschäftsführer von Degussa, mit einem Jahresumsatz von 1,2 Milliarden Euro im Privatkundengeschäft Deutschlands größter Goldhändler. Von Panikkäufen, Menschenschlangen vor Filialen oder Lieferengpässen bei Goldbarren wie etwa in den Jahren 2008 oder 2011 kann er nicht berichten.

Unzufrieden mit seinen Geschäften ist er dennoch nicht. Der September sei der beste Monat des Jahres gewesen - trotz oder gerade wegen des Preisrückgangs. "Unsere Kunden sind sehr gut über die Preisentwicklung informiert und kaufen gezielt nach, um ihr Vermögen zu diversifizieren und gegen Unwägbarkeiten abzusichern", so Wrzesniok-Roßbach. "Die Angst vor Finanzkrisen ist unterschwelliger geworden, aber sie ist noch längst nicht weg."

Eine aktuelle Studie der Steinbeis-Hochschule Berlin, für die 2.000 volljährige Bundesbürger befragt wurden, bestätigt diesen Eindruck. Demnach ist zwar die Angst vor Inflation und Währungsreform etwas zurückgegangen, doch das Vertrauen in den Euro und das Finanzsystem ist brüchig. Gold hat dagegen weiter einen guten Ruf. Jeder fünfte Befragte hat in den vergangenen beiden Jahren in Gold investiert. Und obwohl die Preise stark nachgegeben haben, sind 90 Prozent davon mit ihrem Investment zufrieden. Historische Erfahrungen wie Inflation und Währungsschnitte sowie die jüngsten Finanzkrisen und Börsencrashs haben in Deutschland eine Anlagekultur wachsen lassen, in der Gold mehr ist als ein kurzfristiger Renditebringer.

Das spiegelt sich auch in den Vermögen der Deutschen wider. Laut Steinbeis-Umfrage haben 37 Prozent der deutschen Anlagegold in Form von Barren oder Münzen, im Jahr 2012 waren es noch 30 Prozent. Das Anlagegold in deutschem Privatbesitz summiert sich auf 4.400 Tonnen im Gegenwert von 170 Milliarden Euro. Und es sollen noch etliche Tonnen dazukommen. 36 Prozent der Befragten planen demnach, demnächst Gold zu kaufen. Wo es gute und seriöse Angebote gibt, lesen Sie im großen Edelmetallhändler-Test von €uro am Sonntag (siehe nächste Seite).

Investor-Info

Goldpreis und Spekulanten
Ende des Ausverkaufs

Bis 2012 pumpten Anleger Milliarden in physisch hinterlegte Gold-ETFs. Als die Notierungen dann nachgaben, zogen sie das Geld ab, was den Absturz verstärkte. Seit der Ausverkauf bei Gold-ETFs ­vorbei ist, ist auch der Goldpreis wieder stabil.

Goldpreis und Währungen
Europäer im Vorteil
Europäische Anleger wurden vom jüngsten Absturz des Goldpreises, der vom starken Dollar ausgelöst wurde, weitgehend verschont. In Euro gerechnet pendelte der Goldpreis auch seit Mitte Juni eher seitwärts, in US-Dollar gerechnet gab die Notierung des Edelmetalls jedoch um rund zehn Prozent nach.

Gold und investments
Profite im Seitwärtsmarkt

Auf Gold können Anleger auf verschiedene Weise setzen. Entweder sie kaufen Barren oder Münzen. Oder sie nutzen Wertpapiere, um von der Entwicklung des Goldpreises zu profitieren. Mit einem ETC von db X-trackers setzen Anleger prinzipiell auf einen steigenden Preis (ISIN: DE000A1E0HR8). Doch auch wenn Gold seitwärts tendiert, sind Gewinne möglich. Denn der ETC notiert in Euro, Gold hingegen in Dollar. Bei einer weiteren Abschwächung der europäischen Gemeinschaftswährung legt das Papier also zu. Ausdrücklich für einen stagnierenden oder leicht fallenden Goldkurs gemacht ist ein Zertifikat von HSBC. Es verspricht ein Plus von 6,4 Prozent bis zum Laufzeit­ende im Juli 2015, wenn der Goldpreis bis dahin nicht über 1.500 Dollar geklettert ist. Sollte der Preis fallen, gewinnt das Zertifikat an Wert - allerdings nur bis zu einer Notierung von 1.030 Dollar.

Goldnation Deutschland
Bundesbürger sind Goldfans

Die Bundesbürger stellen nur rund ein Prozent der Weltbevölkerung. Trotzdem besitzen sie 8.200 Tonnen Gold im Gegenwert von 250 Milliarden Euro - und damit 4,7 Prozent des globalen Goldbestands. Rechnet man die 3.400 Tonnen der Bundesbank hinzu, sind es 6,6 Prozent. Noch höher ist der deutsche Anteil an Barren und Münzen: Mit 4.400 Tonnen sind 12,8 Prozent der weltweit verfügbaren Menge in deutschem Privatbesitz.

Münzen und Barren
Tipps für den Kauf

Viele Vermögensverwalter empfehlen, fünf bis zehn Prozent des Vermögens in Gold zu investieren - zur Diversifikation und als Sicherheitsanker. Wer Gold nutzen möchte, um sein Vermögen in Krisenzeiten zu erhalten, kauft am besten Barren oder Münzen. Hier reicht die Bandbreite von Münzen mit einem Gewicht von einer Zehntel Unze (gut drei Gramm) bis hin zu Barren, die rund 12,5 Kilogramm wiegen. Wer im Ernstfall flexibel sein möchte, sollte eine kleine Stückelung wählen. Wer dagegen kosten­bewusst anlegen möchte, sollte sich möglichst große Barren zulegen. Denn bei diesen ist der ­Kostenanteil geringer als bei kleineren Barren oder ­Münzen. Zur Orientierung: Der Unterschied zwischen Kauf- und Verkaufspreis einer Goldmünze mit einem Gewicht von einer Unze (31,1 Gramm) liegt bei rund vier ­ Prozent. Auch die Kosten für die Lagerung ­müssen ­Anleger im Blick haben. Wer Münzen kauft, sollte gängige Anlagemünzen wie Krügerrand oder Maple Leaf wählen, da sie sich leichter veräußern lassen. Bei Barren sollten Anleger darauf achten, dass diese eine Reinheit von mindestens 99,99 Prozent haben und ein Qualitätssiegel besitzen, zum Beispiel von der Londoner Rohstoffbörse (LBMA).

Besteuerung
Unterschiedliche Behandlung

Die Regeln zur Besteuerung von Gold sind sehr ­anlegerfreundlich. Beim Kauf von Goldmünzen und -barren fällt keine Mehrwertsteuer an. Außerdem bleiben Gewinne beim Verkauf steuerfrei, wenn das Gold mindestens ein Jahr lang gehalten wurde. ­Ausnahmen bestehen bei historischen Goldmünzen. Richtet sich deren Wert nach der Seltenheit und nicht nach dem Goldwert, wird beim Kauf Mehrwertsteuer fällig. Bei Silbermünzen und -barren ist die Situation anders. Hier ist prinzipiell der volle Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent zu zahlen. Die Steuerlast lässt sich aber deutlich senken, wenn eine Silbermünze aus einem Nicht-EU-Land importiert wird (mithilfe der sogenannten Differenzbesteuerung). Die Nutzung von Zollfreilagern im Ausland, zum Beispiel in der Schweiz, ermöglicht einen Kauf gänzlich ohne Mehrwertsteuer. Wird das Silber an den Anleger geliefert, müssen die Steuer und ­etwaige Zölle jedoch entrichtet werden.

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