WTI
Folgenschwere Maßnahmen |
18.07.2019 22:13:00
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Experte: Es wird eine "große Umstellung" für den Ölmarkt sein
• Die Änderungen dürften zu einem Überangebot an schwefelreichem Öl führen
• Die Nachfrage nach IMO-konformen Produkten dürfte rasant ansteigen
Strenge Vorschriften für Schweröl ab 2020
Zehntausende Schiffe verbrennen Tag für Tag mehr als drei Millionen Barrel des hochkonzentrierten, schwefelreichen Kraftstoffes. Um diese enorme Verschmutzung der Weltmeere durch Schiffe deutlich zu reduzieren, wird es in weniger als einem halben Jahr strengere Vorschriften für die Verwendung von Schweröl geben. Ab dem 1. Januar 2020 treten neue Emissionsnormen durch die International Maritime Organization (IMO) in Kraft. Während der aktuelle Grenzwert für den Schwefelgehalt in Schiffskraftstoffen bei 3,5 Prozent liegt, wird die Internationale Seeschifffahrts-Organisation ab 2020 Schiffe verbieten, die einen Treibstoff mit einem Schwefelanteil von mehr als 0,5 Prozent nutzen.
Um diese neuen Vorschriften zu erfüllen, können Schiffe künftig auf schwefelarme Kraftstoffe zurückgreifen, saubere (teurere) Kraftstoffe wie Flüssiggas verwenden oder auch Abgasreinigungssysteme installieren. Sicher scheint jedoch, dass diese Änderung ein massives, transformatives Ereignis sein dürfte, wie der Nachrichtendienst Unseen Opportunity es bezeichnet. Reuters zufolge dürfte die Containerindustrie, die Konsumgüter transportiert, am stärksten betroffen sein. Auf sie dürften zusätzliche Kosten in Höhe von rund 10 Milliarden US-Dollar zukommen. Die beiden größten Containerreedereien der Welt, A. P. Moller-Maersk und MSC, erwarten jeweils Kosten von rund 2 Milliarden US-Dollar durch die neuen Vorschriften.
Doch nicht nur die Schifffahrt sei massiv betroffen, insbesondere auch Reedereien dürfte die Umstellung hart treffen. "Es ist ein riesiger Schalter. Wenn Sie die Schifffahrt neben allen Ölverbrauchernationen betrachten, wäre sie die Nummer vier oder fünf auf der Liste - es ist also ein enormer Verbrauch", merkte Anthony Gurnee, CEO von Ardmore Shipping, gegenüber CNBCs "Squawk Box" an. "Wir gehen zu einer grundlegend anderen Art von Kraftstoff. Es hat tatsächlich einen größeren Einfluss auf die Raffinerieindustrie als auf die Schifffahrt", glaubt der Experte.
"Die größte Veränderung in der Geschichte des Ölmarktes"
Steve Sawyer, Senior Analyst beim Energieberater Facts Global Energy, sagte gegenüber CNBC: "Es ist die größte Veränderung in der Geschichte des Ölmarktes". "Es wird sich auf Rohölproduzenten, Händler, Reeder, Raffinerien, Eigenkapitalgeber, Versicherungsgesellschaften, Logistikunternehmen, Banken auswirken... Wer ist übrig? Ich kämpfe, um an jemanden zu denken, den es nicht beeinflussen könnte. Deshalb ist es eine große Umstellung", so der Experte weiter.
Denn die Maßnahmen dürften sowohl zu einem Überangebot an schwefelreichem Öl, gleichzeitig aber auch zu einer deutlich höheren Nachfrage nach IMO-konformen Produkten führen. Die alte Schwerölproduktion werde damit zunehmend unverkäuflich, schreibt die WirtschaftsWoche. Der Preis von schwefelarmen Ölen, die von Raffinerien hergestellt und anschließend zu Treibstoffen wie Benzin oder Diesel aufbereitet werden, sei in Europa in den letzten Wochen sprunghaft angestiegen, heißt es bei Bloomberg. Die Schifffahrtsindustrie beginne bereits damit, die Nachfrage zu steigern. "Wir bewegen uns von einer alten Norm zu einer neuen Norm", erklärte Sawyer. "Der Markt zahlt für schwefelarmes Material eine höhere Prämie als zuvor, weil die Leute schwefelarmen Bunkertreibstoff lagern wollen." Straight-Run-Heizöl mit einem Schwefelanteil von 0,5 Prozent sei in Nordwesteuropa kürzlich zum ersten Mal seit fünf Jahren teurer gewesen als Brent-Rohöl, merkte daneben Jan-Jaap Verschoor, Direktor von Oil Analytics, an. Raffinerien kauften das Produkt bereits jetzt auf, um sich auf die kommende Hochphase vorzubereiten, erklärte der Experte. Sawyer erwartet, dass die Nachfrage nach Bunkertreibstoff mit einem 0,5 prozentigen Schwefelanteil künftig auf über eine Million Barrel pro Tag ansteigen wird, wenn sich die Schiffe nach und nach von nicht konformen Treibstoffen abwenden. "Es wird einen Ansturm auf schwefelarme Materialien geben, aus welchem Winkel auch immer, wo immer sie es bekommen können", ist sich auch Verschoor sicher.
"Ich bin fest davon überzeugt, dass der Markt ein Gleichgewicht finden wird", merkte Sawyer aber an. "Lassen Sie es mich so formulieren: Ende Dezember kommt eine Ziegelmauer, die seit über zwei Jahren gebaut wird. Ich denke, man kann entweder mit dem Kopf zuerst gegen laufen und sagen: ‘Das tut weh’, oder man kann einen Weg finden, es zu umgehen."
Redaktion finanzen.at
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