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Eindringliche Warnung |
25.03.2020 20:00:00
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Coronavirus und Preiskampf: Turbulenzen am Ölmarkt könnten Entwicklungsländer schwer treffen
• Corona-Pandemie führt zusätzlich zu geringerer Ölnachfrage auf dem Weltmarkt
• IEA und OPEC warnen vor drastischen Folgen für Entwicklungsländer, die auf Öleinnahmen angewiesen sind
Steht die Weltwirtschaft vor einem Kollaps? Die Ausbreitung des Coronavirus setzt die betroffenen Staaten teils massiv unter Druck. Die Kapitalmärkte reagieren sehr empfindlich. Alle wichtigen Indizes sind drastisch gefallen. Zeitgleich liefern sich Russland und die OPEC, angeführt durch Saudi-Arabien, einen erbitterten Preiskrieg in Sachen Öl. Die Auswirkungen könnten fatal sein.
Wer hat den längeren Atem?
Nach gescheiterten Verhandlungen um eine Begrenzung der Ölfördermenge ist der Ölpreis rapide gefallen. Russland wollte keiner weiteren Verknappung mehr zustimmen, da durch die künstlich aufrechterhaltenen Preise vor allem die Position der USA gestärkt wird - so die Argumentation. Die Vereinigten Staaten sind durch das umstrittene Fracking mittlerweile zum größten Erdölproduzenten der Welt aufgestiegen. Die erfolgbringende Produktionsmethode ist allerdings aufwendiger, als die konventionelle Gewinnung. Deshalb kann angenommen werden, dass Russland mit seinem Manöver die Strategie verfolgt, die Amerikaner aus dem Markt zu drängen.
Saudi-Arabien will derweil eine Begrenzung der Fördermenge erzwingen und Russland zu neuen Verhandlungen bewegen. Durch die Corona-Krise hat sich die globale Ölnachfrage verringert. Für stabile Preise ist eine zusätzliche Limitierung des Angebots unbedingt notwendig. Um eine Einigung herbeizuführen, versucht das saudische Königreich die russische Regierung in die Knie zu zwingen. Durch enorme Reservekapazitäten war es möglich, die Fördermenge schlagartig zu erhöhen und den Weltmarkt förmlich mit Öl zu überfluten. Der resultierende Preisverfall führt zu einem Defizit in der russischen Staatskasse. Trotz des gesteigerten Absatzvolumens muss auch Saudi-Arabien auf wichtige Einnahmen verzichten. Es stellt nun die Frage, wann eine der beiden Parteien nachgibt und das Überangebot endet. Bisher können offenbar noch beide Länder mit dem niedrigen Preis leben.
Machtkampf zieht Entwicklungsländer in den Abgrund
Der Kampf um die Macht hat allerdings nicht nur Auswirkungen auf die Konfliktparteien. In einem gemeinsamen Statement haben sich der Executive Director der Internationalen Energieagentur (IEA), Dr. Fatih Birol, und der Secretary General der Organisation erdölexportierender Länder (OPEC), Mohammad Sanusi Barkindo, über die aktuelle Lage am globalen Ölmarkt geäußert.
Zu Beginn der Erklärung drücken beide Experten ihre Besorgnis über die Verbreitung des Coronavirus aus. Durch die Pandemie sei eine weltweite Gesundheitskrise zu beobachten, die potenziell weitreichende soziale und wirtschaftliche Konsequenzen haben wird. Dabei befassten sich die Experten genauer mit den eingetretenen Volatilitäten auf dem Finanz- und Ölmarkt. Nach Meinung von Birol und Barkindo sind besonders Entwicklungsländer, die auf Einnahmen aus der Öl- und Gasförderung angewiesen sind, gefährdet. Diese seien nämlich stark anfällig für Marktpreisschwankungen. Sollten die derzeit vorliegenden Bedingungen weiter anhalten, rechnen die Experten im Jahr 2020 mit einem Rückgang der Einnahmen um 50 bis 85 Prozent. Das würde einen Einbruch auf den niedrigsten Stand seit mehr als zwei Jahrzehnten bedeuten. Den betroffenen Staaten stünde dadurch weniger Geld zur Verfügung, um wichtige öffentliche Sektoren wie das Gesundheitswesen oder die Bildung zu unterhalten. Die Aufrechterhaltung der Marktstabilität ist deshalb unerlässlich für die Sicherung des dringend benötigten Einkommens der Erzeuger.
Birol und Barkindo richteten sich in ihrer Äußerung zwar nicht direkt an Russland und Saudi-Arabien, jedoch erklärten sie, dass unbedingt Wege gefunden werden müssten, um die gegenwärtige Situation zu entschärfen und die negativen Auswirkungen auf die Entwicklungsländer zu minimieren. Denn nicht nur das Coronavirus zehrt an deren Kräften, sondern auch der Preiskampf der Ölgiganten. Auf die niedrige Nachfrage der schwächelnden Wirtschaft trifft nämlich zusätzlich noch das Überangebot der Konfliktparteien, sodass die kleinen Förderländer doppelt unter Druck geraten. Im schlimmsten Fall könnten Staatskrisen die Folge sein, welche dann von der ohnehin schon angeschlagenen Weltgemeinschaft aufgefangen werden müssen.
Redaktion finanzen.at
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