Gastransit 11.07.2022 17:42:00

Abschaltung von Nord Stream 1 - Gas fließt durch die Ukraine nach Europa

Abschaltung von Nord Stream 1 - Gas fließt durch die Ukraine nach Europa

Über die zuletzt wichtigste Route für russisches Erdgas nach Deutschland erfolgen seit Montagmorgen keine Lieferungen mehr. Die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 ist für lang angekündigte Wartungsarbeiten abgeschaltet worden. Ab 6.00 Uhr hätten keine Lieferkapazitäten mehr zur Verfügung gestanden, sagte ein Sprecher der Nord Stream AG der Deutschen Presse-Agentur. Auch der tatsächliche Gasfluss sank am Vormittag laut Daten der Betreibergesellschaft praktisch auf Null.

Nach Angaben der Nord Stream AG sollen die Arbeiten bis zum 21. Juli dauern. In diesen zehn Tagen werde kein Gas durch die Pipeline nach Deutschland befördert.

Die Abschaltung findet zum Zeitpunkt großer Sorge um die Gasversorgung und einen möglicherweise dauerhaften Lieferstopp statt. Dabei spielt auch die Diskussion über eine Turbine von Siemens Energy eine Rolle, die nach ihrer Wartung nun wieder ausgeliefert werden soll. Das russische Staatsunternehmen GAZPROM hatte im Juni die Liefermenge durch die Pipeline deutlich gedrosselt und auf die fehlende Turbine verwiesen, die zur Reparatur nach Kanada geschickt worden war.

Dem Präsidenten der Bundesnetzagentur Klaus Müller zufolge gibt es unterschiedliche Signale aus Moskau zu künftigen Gas-Lieferungen durch die Pipeline. Auf der einen Seite gebe es Aussagen von Kreml-Sprechern, man könne in Kombination mit der zugesagten Lieferung der Turbine wieder wesentlich mehr Gas liefern, sagte Müller am Montag im ZDF-Morgenmagazin. Auf der anderen Seite habe es auch sehr martialische Ansagen gegeben. "Ehrlich gesagt, es weiß keiner", sagte Müller. Im schlimmsten Fall, wenn Russland die Gas-Lieferungen durch Nord Stream 1 auch nach der Wartung der Leitung stoppe, gebe es mehrere Szenarien, in denen Deutschland in eine Gas-Notlage rutsche.

Die Ukraine protestierte gegen die geplante Lieferung der gewarteten russischen Nord-Stream-1-Turbine von Kanada nach Deutschland. Man sei "zutiefst enttäuscht" über die Entscheidung der kanadischen Regierung, in diesem Fall eine Ausnahme von den gegen Russland verhängten Sanktionen zu machen, hieß es in einer am Sonntag veröffentlichten Erklärung von Außen- und Energieministerium in Kiew. Siemens Energy will die in Kanada gewartete Turbine nach eigenen Angaben "so schnell wie möglich zu ihrem Einsatzort" bringen. Aktuell arbeiteten die Experten des Unternehmens an allen weiteren formalen Genehmigungen und der Logistik. Das Gerät kann angesichts seiner geringen Größe - wenn nötig - auch per Flugzeug transportiert werden.

Die US-Regierung erklärte, die geplante Lieferung der Turbine zu unterstützen. Kurzfristig werde die Turbine Deutschland und anderen europäischen Ländern ermöglichen, ihre Gasreserven wieder aufzufüllen, erklärte der Sprecher des Außenministeriums, Ned Price. Das erhöhe die Energiesicherheit in Europa. Russland habe es somit schwerer, Energie als Waffe zu nutzen.

Nach der Abschaltung von Nord Stream 1 fließt das Gas weiter über das von Russlands Krieg erschütterte Transitland Ukraine nach Europa. Der mögliche Umfang entsprach am Montag nach Angaben des Betreibers des ukrainischen Gastransitnetzes etwa dem der vergangenen Tage. Die über diese Route in Deutschland ankommende Menge russischen Gases war nach Angaben der Bundesnetzagentur allerdings im Juni ebenfalls deutlich zurückgegangen und entsprach schon davor nur einem Bruchteil der über Nord Stream 1 gelieferten Menge. Durch die über Polen verlaufende Jamal-Pipeline kam den Angaben zufolge zuletzt gar kein russisches Gas mehr in Deutschland an.

Mehrere europäische Staaten, die die Regierung in Kiew nach Russlands Angriff unterstützen, erhalten bereits kein Gas mehr aus Russland.

Nach Aussage von Außenministerin Annalena Baerbock wird die Bundesregierung alles dafür tun, dass eine weitere Verknappung russischer Gaslieferungen nicht zu einer Spaltung der Gesellschaft führt. "Wenn wir weniger Energie haben, wenn wir weniger Wärmeversorgung haben, dann werden wir dafür sorgen, dass es gerecht zugehen wird", sagte die Grünen-Politikerin am Montag nach einem Treffen mit ihrem japanischen Amtskollegen Yoshimasa Hayashi in Tokio.

Siemens Energy: Turbine für Nord Stream soll schnell zum Einsatzort

Siemens Energy will die in Kanada gewartete Turbine für die Gasleitung Nord Stream 1 "so schnell wie möglich zu ihrem Einsatzort" bringen. Die politische Entscheidung der kanadischen Regierung sei für die Ausfuhrgenehmigung ein "notwendiger und wichtiger erster Schritt", erklärte ein Sprecher am Montag auf Nachfrage. "Aktuell arbeiten unsere Experten mit Hochdruck an allen weiteren formalen Genehmigungen und der Logistik; dabei handelt es sich unter anderem um Vorgänge, die der Export- und Importkontrolle unterliegen."

Nähere Angaben zum Zeithorizont für die Lieferung machte Siemens Energy nicht. Das fragliche Gerät ist eine sogenannte aeroderivative Gasturbine. Diese können angesichts ihrer geringeren Größe - wenn notwendig - auch per Flugzeug transportiert werden.

Der russische Energiekonzern GAZPROM hatte Mitte Juni seine Gaslieferungen nach Deutschland durch die Ostseepipeline Nord Stream 1 reduziert und auf Verzögerungen bei der Reparatur von Gasverdichtern verwiesen. Der Energietechnikkonzern Siemens Energy hatte daraufhin mitgeteilt, dass eine in Kanada überholte Gasturbine aufgrund der Russland-Sanktionen derzeit nicht aus Montréal zurückgeliefert werden könne. Am Samstag kam nun vom für Bodenschätze zuständige kanadischen Minister Jonathan Wilkinson die Ankündigung, dass es eine "eine zeitlich begrenzte und widerrufbare Erlaubnis" geben werde, die Turbine nach Deutschland zu schicken.

Bundesregierung: EU-Sanktionen betreffen nicht den Gastransit

Angesichts des Protestes der Ukraine gegen die geplante Lieferung der gewarteten russischen Nord-Stream-1-Turbine von Kanada hat die Bundesregierung darauf verwiesen, dies falle nicht unter EU-Sanktionen. Eine Regierungssprecherin sagte am Montag in Berlin, man habe die Kritik der Ukraine zur Kenntnis genommen. Die EU-Sanktionen beträfen nicht den Gastransit. Dies sei auch aus gutem Grund so. Bei den Sanktionen gegen Russland sei ein entscheidendes Kriterium, dass diese der EU und Deutschland nicht mehr schaden als Russland.

In einer am Sonntag veröffentlichten Erklärung von Außen- und Energieministerium in Kiew hieß es, man sei "zutiefst enttäuscht" über die Entscheidung der kanadischen Regierung, im Fall der Turbine eine Ausnahme von den gegen Russland verhängten Sanktionen zu machen. "Wir fordern die kanadische Regierung auf, diese Entscheidung zu überdenken und die Integrität des Sanktionssystems sicherzustellen."

Der russische Energiekonzern GAZPROM hatte Mitte Juni seine Gaslieferungen nach Deutschland durch die Ostseepipeline Nord Stream 1 reduziert. Begründet wurde das in Moskau mit der fehlenden Turbine, die nach Wartungsarbeiten sanktionsbedingt nicht aus Kanada zurückgeliefert werden kann. Nun will Kanada die Turbine erst nach Deutschland schicken lassen, statt direkt nach Russland. Siemens Energy will die Turbine "so schnell wie möglich zu ihrem Einsatzort" bringen, hieß es. p>MOSKAU/KIEW / BERLIN (dpa-AFX)

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