09.03.2021 08:45:13
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ODDO BHF: Thematische Schwerpunkte einer langfristigen Anlagestrategie
Impulsgeber Technologie und Demographie
Es gibt aber auch langfristige Faktoren, die die Entwicklung der Wirtschaft und der Finanzmärkte auf Jahre oder sogar Jahrzehnte prägen können. Wichtige Impulsgeber für diese „Megatrends“ sind nach unserer Überzeugung Demographie und die Technologie, die unter dem Druck des Wettbewerbs den wirtschaftlichen Wandel vorantreiben. Im heutigen ODDO BHF Marktausblick wollen wir die nach unserer Überzeugung wichtigsten Entwicklungen beleuchten. Diese finden sich thematisch auch in unserer Anlagepolitik wieder. Unter den Technologien sind es nach unserer Überzeugung vor allem die Nutzung der Cloud, der verstärkte Einsatz von Künstlicher Intelligenz und „Machine Learning“ sowie die Entwicklung von APIs (Application Programming Interface), die das Wirtschaftsgeschehen drastisch verändern werden.
Für die IT-technologisch weniger versierten einige Erläuterungen: Bei der Cloud („Datenwolke“) handelt es sich um eine IT-Infrastruktur, die meist über das Internet zugänglich ist und über die nicht nur die Speicherung von Daten, sondern auch die Bereitstellung von Software und die Verarbeitung von Daten erfolgt bzw. erfolgen kann. APIs sind Schnittstellen zur Programmierung von Anwendungen, die einen Austausch von Daten zwischen Programmen ermöglichen; ein Beispiel aus dem Alltag ist das Zusammenspiel zwischen Applikationen auf dem Smartphone und Betriebssystemen wie iOS oder Android. Künstliche Intelligenz bezeichnet allgemein den Versuch, menschliches Denken nachzubilden; Machine Learning ist damit ein Teilgebiet der künstlichen Intelligenz, wobei die „Maschine“ in vorgegebenen Datenbeständen Muster zu erkennen versucht, auf deren Grundlage die Maschine eigenständig Probleme zu lösen in der Lage ist.
Die zweite wichtige Entwicklung ist demographisch: Der Anteil der technikaffinen Bevölkerung nimmt
beständig zu. In den USA ist der Bevölkerungsanteil der Baby Boomer – also der zuletzt dominierenden
Nachkriegsgeneration 1946-64 – mittlerweile kleiner als der der "Millenials“ (1981-96); die „Generation Z“
(1997-2012) dürfte die „Boomer“ in den nächsten Jahren und in rund 15 Jahren auch die Millenials
überholen. Spätestens die Kohorte der Generation Z ist mit der digitalen Welt aufgewachsen und begreift sie
als elementaren Teil ihres Lebensraums. Die Covid-19-Krise und die soziale Distanzierung haben zu einer
beschleunigten Annäherung auch der weniger jungen Bevölkerung an digitale Angebote beigetragen. Der
Online-Handel erlebte einen Quantensprung, ebenso Kommunikationsangebote wie Videokonferenzen, die
Nutzung vorn Streaming-Angeboten für Filme und Spiele oder Online-Angebote für Schule/Ausbildung,
Fitness oder Gesundheitsvorsorge. Warum sind diese Entwicklungen so relevant? Vor allem deshalb, weil in
der Cloud praktisch alle Daten zusammengeführt werden (können) und damit im Prinzip global verfügbar
sind. Mit entsprechenden Applikationen und Schnittstellen lassen sich praktisch „über Nacht“ Produkte und
Prozesse gestalten, durch die wirtschaftliche Abläufe verändert und bestehende Geschäftsmodelle
wirtschaftlich ins Abseits gestellt werden (können). Gleichzeitig wird die Vernetzung oder „Konnektivität“ der
Menschen immer enger. So nimmt beispielsweise die Durchdringung mit Smartphones rasch zu: Innerhalb
einer Dekade ist die Verbreitung von 6% auf mittlerweile 49% der Weltbevölkerung gestiegen.
Zudem erlaubt der Ausbau des Breitbandnetzes und, perspektivisch, der Übergang zum 5G-Netz wesentlich höhere Datenmengen und Übertragungsgeschwindigkeiten. Und drittens nimmt die Nutzung von sozialen Medien zu, so dass die Nutzer – beispielsweise für Werbezwecke – erreichbar sind. Die aktuellsten Zahlen besagen, dass mittlerweile mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung, 4,2 Milliarden Menschen, über soziale Medien verbunden sind.
Schwerpunkte des strukturellen Wandels
Vor dem Hintergrund der technologischen und demographischen Veränderungen bahnen sich in vielen
Bereichen des Lebens und damit auch der wirtschaftlichen Aktivitäten große Veränderungen an.
Unternehmerisch und damit auch für den Anleger besonders interessant erscheinen uns dabei folgende
Themen:
(1) Finanztechnologie: Nachdem im Bereich des Zahlungsverkehrs und des Handelns mit standardisierten
Produkten wie Aktien bereits erhebliche Bodengewinne gemacht werden konnten, dürfte sich die nächste
Angriffswelle auf die Digitalisierung komplexer und illiquider Finanzprodukte wie beispielsweise
Immobilienfinanzierung, Lebens-, Gebäude- und Krankenversicherungen, Altersvorsorge oder, im
unternehmerischen Bereich, Treasury-Funktionen und Liquiditätssteuerung oder die Finanzierung von
Ausrüstungen richten. Darüber hinaus ist eine deutliche Tendenz zu erkennen, Finanzdienstleistungen in
das Produktangebot von Nicht-Finanzdienstleistern bzw. der Online-Plattformen und auf der
Beschaffungsseite („B2B“) einzubetten.
Der asiatische und insbesondere der chinesische Markt ist im Hinblick auf die Digitalisierung von verbraucherbezogenen Finanzdienstleistungen sehr weit fortgeschritten. Vor allem Tech-Giganten wie Alibaba oder Tencent bieten innerhalb ihres „Ökosystems“ rund um das Kerngeschäft E-Commerce und soziale Medien praktisch alle wichtigen Finanzdienstlungen von Zahlungsverkehr über Finanzierungen bis zur Vermögensanlage an. Mehr als 80% der Menschen in China machen Zahlungen über das Smartphone, und 90% davon entfallen auf die genannten Namen. Abseits von diesen ergibt sich – auch unter Anlagegesichtspunkten – geschäftliches Entwicklungspotenzial vor allem im Bereich des elektronischen Handels (z.B. Börsen) oder in Regionen wie Indien.
(2) Unternehmenstechnologie: Einer der wichtigsten Trends der kommenden Jahre dürfte die schrittweise
Ersetzung der IT-Infrastruktur der Unternehmen durch Cloud-Dienste sein. „Infrastruktur als Dienstleistung“
(IaaS) ist ein rasch expandierender Markt: Der weltweite Umsatz, so Schätzungen, dürfe sich zwischen 2019
und 2022 auf über 80 Mrd. US$ fast verdoppeln. Was bisher vor allem für Randbereiche der
Unternehmensaktivitäten in Anspruch genommen wird, könnte zunehmend auch für Kernbereiche genutzt
werden. Innerhalb der Cloud ist „Software as a Service“ (SaaS) vermutlich der nächste Schritt der
Entwicklung: Damit könnten unternehmensinterne Anwendungsentwicklungen verzichtbar und die IT-
Infrastruktur vereinfacht werden; anstelle klassischer Softwarelösungen für Kernanwendungen im
Unternehmen wie Customer Relationship Management (CRM), Personalinformationssystem (HR) oder
Finanzberichterstattung und -planung werden vermutlich SaaS-Dienste treten.
Aufgrund der Online-
Konkurrenz ist vor allem im Einzelhandel der Wettbewerbsdruck hoch, die Digitalisierung voranzutreiben und
damit die Vertriebskanäle im Sinne eines Omni-Channel-Modells zu erweitern und zu integrieren – z.B. Kauf
online, möglicherweise über eine Messenger App, Lieferung an Kundenadresse, Umtausch im Geschäft –
inklusive der kontinuierlichen Aktualisierung von Lagerbeständen und Lieferzeiten und der Planung von
Bestellungen. Nach Schätzungen des McKinsey Global Institute sind die Mitarbeiter amerikanischer
Unternehmen zu mehr als 50% mit der Sammlung und Verarbeitung von Daten und vorhersehbaren
physischen Aktivitäten beschäftigt. Hier bestehen offensichtlich Ansatzpunkte für den Einsatz Künstlicher
Intelligenz und Robotergesteuerter Prozessautomatisierung (RPA).
(3) Konsumentenverhalten: Das Konsumentenverhalten verändert sich grundlegend. Die Loyalität in den
Kundenbeziehungen sinkt, die Preistransparenz steigt, Produkte und Marken gewinnen über soziale Medien
viral Marktanteile und ersetzen Althergebrachtes. Ein erster wichtiger Trend ist die veränderte Nutzung der
Freizeit. Der Anteil des „linearen“ Fernsehens sinkt und wird durch Streaming von Videos „on demand“
(YouTube, Apple TV, oder Amazon TV bis Netflix) sowie durch Soziale Medien wie SnapChat, TikTok oder
Instagram ersetzt. Amerikanische „Kids“ verbrachten Erhebungen zufolge während der Corona-Krise bis zu
5 Stunden täglich auf sozialen Plattformen, britische mehr als 4 Stunden. Gerade bei der jüngeren
„Generation Z“ nehmen Spiele eine wichtige Rolle ein, insbesondere auch in den USA und in China.
Während der Durchschnittsamerikaner statistisch ein paar Minuten pro Tag für Computerspielen nutzt,
verbringt die Generation X täglich 0,7 Stunden ihrer knappen Freizeit mit Computerspielen. Schließlich
gewinnen auch digital unterstütztes Fitness-Training und andere gesundheitsorientierte Angebote an
Gewicht im Zeitbudget.
Ein zweiter wichtiger Trend dürfte die Tendenz zu Produkten sein, die Nachhaltigkeit oder andere ethische Aspekte oder Werte als Markenbotschaft beinhalten. Indem das Produkt bestimmte Werte signalisiert, erhöht sich die Identifikation der Verbraucher mit dem Produkt. Ein Beispiel: Für die Hälfte der Millennials, also der Generation der 80er und 90er Jahre, spielt die nachhaltige Verpackung eine wesentliche Rolle. Ein dritter wichtiger Trend im Bereich des Konsumverhaltens ist der zur Digitalisierung von Dienstleistungen. Hohes Potenzial haben (weiterhin) digitale Plattformen, über die Leistungen bestellt oder gebucht werden können, während die Dienstleistung selbst physisch erfolgt – also beispielhaft die Buchung von Reisen oder die Bestellung von Essen; interessant sind aber auch Felder, wo die Leistungserbringung ebenfalls digital erfolgt, beispielsweise im Bereich der Ausbildung (Nachhilfe, Schule, Studium) oder Gesundheitswesen.
(4) Gesundheitsversorgung: Wie nur wenige andere Wirtschaftsbereiche ist das Gesundheitswesen oft von
Ineffizienzen geprägt, die viel Raum für Produktivitätsgewinne lassen. Ein Ansatzpunkt ist die Verbesserung
der Verbraucherorientierung, beispielsweise im Hinblick auf Zugang und Auswahl von Ärzten und
Krankenhäusern und anderen medizinischen Diensten, aber auch im Hinblick auf Kostentransparenz und
eine stärker ergebnisorientierte Entlohnung medizinischer Leistungen. Ein anderer Ansatzpunkt zur
Effizienzsteigerung ist die Digitalisierung von Teilen der Gesundheitsversorgung. Konsultationen können
teilweise online erfolgen, Hausbesuche verringert werden; die gesundheitliche Überwachung
Pflegebedürftiger kann durch Sensoren und tragbare Geräte unterstützt (was zusätzlich wichtige Daten
liefert) und Medikamente automatisiert bereitgestellt werden. Gesundheitsdaten können zentral erfasst und
denen, die sie benötigen, zugänglich gemacht werden. Spannend ist schließlich auch der Einsatz von
Künstlicher Intelligenz/Machine Learning einerseits im diagnostischen Bereich (beispielsweise
Krebserkennung) oder für die Organisation von Prozessen in Krankenhäusern andererseits.
Fazit
Wir sehen eine Reihe langfristiger, durch den technologischen Fortschritt und demographischer
Veränderungen geprägter Trends, die die wirtschaftliche Entwicklung der kommenden Jahre und Jahrzehnte
entscheidend prägen werden. Hohes Wachstumspotenzial bieten nach unserer Überzeugung gerade auch
Geschäftsmodelle, die an den voraussichtlich dynamischen Entwicklungen im Bereich der
Finanztechnologie, der Unternehmenstechnologie, an Veränderungen im Konsumentenverhalten und im
Bereich des Gesundheitswesens direkt oder indirekt partizipieren. Im Rahmen einer langfristigen, an Qualität
orientierten Anlagestrategie sollten diese Themen nach unserer Überzeugung prominent berücksichtigt
werden.
Den vollständigen ODDO BHF Marktausblick finden Sie hier im PDF-Format.
Vergangene Wertentwicklungen, Simulationen oder Prognosen sind kein zuverlässiger Indikator für die Zukunft. Die Rendite kann infolge von Währungsschwankungen steigen oder fallen. Etwaige Meinungsäußerungen geben die aktuelle Einschätzung des Investment Office der ODDO BHF AG wieder, die sich insbesondere von der Hausmeinung innerhalb der ODDO BHF Gruppe unterscheiden und ohne vorherige Ankündigung ändern kann.
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