Bilanz 26.09.2022 22:05:00

Bitcoin seit einem Jahr gesetzliches Zahlungsmittel in El Salvador: Hat sich der Traum vom Krypto-Paradies erfüllt?

Bitcoin seit einem Jahr gesetzliches Zahlungsmittel in El Salvador: Hat sich der Traum vom Krypto-Paradies erfüllt?

• El Salavadors Kryptopläne bislang kein Erfolg
• Kursrutsch und fehlender Rückhalt in der Bevölkerung
• Präsident Bukele hält an Plänen fest


Der Vorstoß von El Salvador, das die Kryptowährung Bitcoin im vergangenen Jahr als erstes Land der Welt zum gesetzlichen Zahlungsmittel machte, hat für Aufruhr in der Kryptocommunity gesorgt. Mit dem Schritt wurde die Digitalwährung neben dem US-Dollar die zweite offizielle Landeswährung.

Bukeles Traum vom Krypto-Paradies

Vorangetrieben wurde das Experiment vom Präsident des Landes, Nayib Bukele, der sich immer wieder als Kryptobulle präsentierte und die wirtschaftlichen Vorteile von Bitcoin-Zahlungen hervorhob. So sollten mehr Bewohner des Landes Zugang zu Bankdienstleistungen erhalten, Auslandsüberweisungen sollten billiger werden. Zudem wollte sich das Land vom Internationalen Währungsfonds unabhängiger machen. Zusätzlich erwartete Bukele auch positive Auswirkungen auf die Wirtschaft des Landes. Seine Vision: Der Schritt solle El Salvador zum Eldorado für Kryptoenthusiasten machen, ausländische Investoren anziehen und Arbeitsplätze schaffen. Dabei war die Einführung von Bitcoin als Zahlungsmittel nur ein erster Schritt in Richtung Krypto-Land: Zeitgleich verkündete der Präsident des Landes den Bau einer Bitcoin-Stadt, für deren Finanzierung er die Ausgabe von Staatsanleihen im Milliardenwert plante. Mit dem Erlös sollte sowohl die Stadt als auch der Kauf weiterer Bitcoins finanziert werden.

Tatsächlich verkündete Bukele in den Folgemonaten auf Twitter mehrere Male, die Bitcoin-Einlagen des Landes aufgestockt zu haben. Dabei verwies er auf Preisrückgänge an Markt und betonte immer wieder seine Überzeugung, dass die Kryptowährung derzeit günstig zu haben sei, aber im Preis wieder steigen werde. 2.301 Bitcoins besaß El Salvador im Mai diesen Jahres. Die vermeintlich günstigen Kaufkurse sanken nach den Käufen von El Salvador aber weiter, Bukele hat also anders als kommuniziert rückblickend keine Tiefstkurse für seine Nachkäufe erwischt.

Ist das Kryptoexperiment gescheitert?

Das offensichtliche Problem, mit dem Bukeles Krypto-Experiment zu kämpfen hat, ist die Tatsache, dass der Kryptomarkt seit Monaten unter Druck ist und der Bitcoin massiv an Wert verloren hat, was ein deutliches Loch in El Salvadors Staatskasse gerissen hat. Seit Umsetzung der Pläne im September vergangenen Jahres, als die älteste Kryptowährung noch bei rund 45.000 US-Dollar gehandelt wurde, hat der Bitcoin zwar ein neues Allzeithoch in seiner Historie stehen, diesem folgte aber ein massiver Preisrutsch. Aktuell pendelt der Bitcoin um die Marke von 18.000 US-Dollar und damit weit unter den Preisen, zu denen Bukele eingestiegen ist oder in Vergangenheit nachgekauft hat.

Das Experiment ist aber noch auf anderer Ebene gescheitert: Anders als erhofft, hat die Wirtschaft von El Salvador nicht von der Krypto-Ausrichtung profitiert. Angesichts der sinkenden Bitcoin-Preise hat auch die Kreditwürdigkeit des Landes gelitten, höhere Zinssätze für Kreditnehmer im Land waren die Folge.

Und auch die eigene Bevölkerung steht offenbar nicht hinter der Vision des Präsidenten: Die von der Regierung gelaunchte Krypto-App, die den Bewohnern des Landes dabei helfen sollte, zu einer Kryptonation zu werden, hat ihren Zweck offenbar verfehlt. 30 US-Dollar-Bitcoin-Bonus erhielten Bürger des Landes, wenn sie die staatseigene Wallet "Chivo" nutzen - damit wollte die Regierung die Verwendung digitaler Zahlungsmittel vereinfachen. Wie die US-amerikanische Nonprofit-Forschungsorganisation U.S. National Bureau of Economic Research in einer Studie ermittelt hat, nutzten aber nur 20 Prozent der Bürger die App nach Inanspruchnahme des Bonus weiter.

Auch die Ausgabe von Bitcoin-Anleihen, mit denen man das Prestigeobjekt Bitcoin City finanzieren wollte, ist ins Stocken geraten. Ursprünglich hätten die so genannten Volcano Bonds im Frühjahr lanciert werden sollen, seitdem wurden die Pläne immer wieder verschoben.

Die erhoffte Vorbildwirkung hatte das Vorpreschen von El Salvador auf internationaler Ebene ebenfalls nicht: Kein anderes Land hat seitdem Bitcoin als gesetzliches Zahlungsmittel eingeführt.

Ernüchternde Bilanz vom Bitcoin-Experiment

Alles zusammengenommen ist die Bilanz von El Salvadors Kryptoexperiment - zumindest zum aktuellen Zeitpunkt - durchaus ernüchternd. Verantwortlich dafür ist insbesondere der Preisrutsch am Kryptomarkt aber auch der mangelnde Rückhalt für die Regierungspläne in der Bevölkerung. Dessen ungeachtet hält Nayib Bukele an seinen Plänen, El Salvador in Sachen Kryptowährung zu einem Vorreiter zu machen, weiter fest. Von möglichen Schuldenproblemen seines Landes will Bukele nichts wissen:

"Im Gegensatz zu dem, was die Medien die ganze Zeit gesagt haben, hat El Salvador nicht nur die Liquidität, um alle seine Verpflichtungen bei Fälligkeit zu bezahlen, sondern auch, um alle seine eigenen Schulden bis 2025 im Voraus zu kaufen.", so der Präsident auf Twitter.

Zuletzt wurde bekannt, dass sich der Bitcoin-Bulle Reuters zufolge für eine weitere Amtszeit als Präsident zur Wiederwahl stellen will. Bis 2021 war die direkte Wiederwahl eines Präsidenten gesetzlich ausgeschlossen, der oberste Gerichtshof des Landes hatte eine entsprechende Regelung aber im vergangenen Jahr aufgehoben und so den Weg für eine mögliche zweite Amtszeit von Bukele frei gemacht.

Redaktion finanzen.at

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