Krypto und ESG 08.06.2022 22:20:00

Bitcoin, Ethereum & Co.: Wie nachhaltig sind Kryptoinvestments tatsächlich?

Bitcoin, Ethereum & Co.: Wie nachhaltig sind Kryptoinvestments tatsächlich?

• Kryptowährungen gelten per se nicht als nachhaltig
• ESG-Kriterien teilweise erfüllt
• Anleger müssen Prioritätsentscheidung treffen


Nachhaltige Geldanlagen spielen bei Anlegern eine immer größere Rolle. Wer verantwortlich investieren und dabei ethische, soziale und ökologische Kriterien ansetzen, zeitgleich aber Erträge generieren will, kommt um eine Betrachtung des Kryptowährungsmarkts nicht herum. Insbesondere aus Renditegesichtspunkten ist der Handel mit Kryptowährungen wie Bitcoin, Ethereum & Co. einen Blick wert. Kryptowährungen kommen immer mehr im Mainstream an, der Markt ist trotz massiver Verluste in jüngster Zeit weiter billionenschwer. Die Rendite-Chancen im Sektor bleiben hoch - das Risiko angesichts starker Volatilität allerdings ebenfalls.

Nachhaltigkeits-Kriterien unter der Lupe

Nachhaltige Investments zeichnen sich durch die Berücksichtigung besonderer Kriterien aus. Etabliert hat sich in diesem Zusammenhang die Begrifflichkeit "ESG", die Kriterien aus den Segmenten Umwelt (Environment), Soziales (Social) und verantwortungsvolle Unternehmensführung (Governance) unter sich vereint. Anlagen, die in diesen drei Kategorien punkten, gelten in der Regel als nachhaltige Investments. Doch wieviel ESG steckt in Kryptowährungen wie Bitcoin?

Environment: Kryptowährungen und der Umweltaspekt

Betrachtet man Kryptowährungen unter dem Aspekt der Folgen für die Umwelt näher, fällt das Fazit für Cyberdevisen mindestens durchwachsen bis negativ aus. Für die Erzeugung von Kryptowährungen sowie die Verwahrung fällt ein hoher Strombedarf an. Die Blockchain benötigt ein weltweites Computer-Netzwerk zur Durchführung von Krypto-Transaktionen aber auch zum Minen von Bitcoin und Co. Die hohe Rechenleistung bringt einen massiven Verbrauch von Energie mit sich, hinzu kommt, dass insbesondere in Ländern, in denen exzessives Kryptomining betrieben wird, die Stromkosten zwar vergleichsweise günstiger sind, erneuerbare Energien aber nur selten ein Thema bei der Stromgewinnung sind.

Wie hoch der Stromverbrauch im Kryptobereich tatsächlich ist, wird von Experten unterschiedlich bewertet. Die Schätzungen gehen dabei weit auseinander: Während die Universität Cambridge in ihrem "Cambridge Bitcoin Electricity Consumption Index" den jährlichen Energieverbrauch für das Schürfen von Kryptowährungen auf 143,67 TWH schätzt, rechnet der "Digiconomist" mit 97,26 TWh, Dan Held von Ark Investment kommt mit geschätzten 50,8 TWH unterdessen auf eine deutlich kleinere Zahl. Auch die Schätzungen zum Energieverbrauch durch Transaktionen auf der Blockchain weichen stark voneinander ab. Einig sind sich Experten aber darüber, dass der Energiebedarf von Kryptowährungen hoch ist, zumal sich der Energiemix nur schwer feststellen lässt. Kryptowährungen, Kryptotransaktionen und die Verwahrung von Cyberdevisen sowie alle im Zusammenhang mit der Blockchain anfallenden Arbeiten sind energieintensiv und daher kaum mit dem "E" der ESG-Kriterien vereinbar.

Hinweisen muss man aber auch darauf, dass auch Fiat-Währungen einen deutlichen CO2-Fußabdruck hinterlassen. Währungssysteme auf Papiergeldbasis sind nicht nur im Zusammenhang mit der Herstellung der Währungen als Umweltsünder zu benennen, auch der Transport sowie die Verwahrung laufen ESG-Kriterien zuwider.

Soziale Kriterien - Teilerfolg für Bitcoin & Co.

Soziale und gesellschaftliche Aspekte sind ebenfalls ein Kriterium für nachhaltige Investments. Beim Blick auf den Punkt der sozialen Gerechtigkeit können Kryptowährungen - abhängig von der Betrachtungsweise - punkten. Insbesondere die Unabhängigkeit von Banken und Regierungen machen Cyberdevisen zu einem Werkzeug der Teilhabe. Das bestätigte vor einiger Zeit auch Charlene Fadirepo, eine ehemalige Revisionsmanagerin beim Federal Reserve Board of Governors, in einem Interview mit Yahoo Finance und berief sich dabei insbesondere die die Gruppe schwarzer Amerikaner, für die etwa der Bitcoin ein "Werkzeug für soziale Gerechtigkeit" sei. Durch den Cybercoin würden gleiche Wettbewerbsbedingungen geschaffen, insbesondere für Menschen, die von traditionellen Banken benachteiligt würden. "Wenn Sie an schwarze Amerikaner denken, glauben wir, dass Bitcoin es [uns] ermöglicht, Generationenreichtum aufzubauen. Und nicht nur schwarze Amerikaner … Latino-Amerikaner, die LGBT-Gemeinschaften und indigene Gemeinschaften. Es ermöglicht Gemeinschaften, Wohlstand in Gemeinschaften aufzubauen, die von dem diskriminierenden Bankensystem, das wir heute haben, ausgeschlossen wurden."

Dessen ungeachtet argumentieren Kritiker von Kryptowährungen unterdessen, dass das Sozial-Kriterium bei Bitcoin & Co. eben keine Rolle spiele. Dabei verweisen sie auch darauf, dass die Kriminalität im Kryptosegment hoch sei - bedingt durch die weitgehende Anonymität, die Befürworter ihrerseits als positiv werten. Die Tatsache, dass es kaum Identitätsprüfungen etwa bei der Eröffnung eines Wallets gibt, ist ein Paradies für Kriminelle. Die Blockchain-Analysefirma Chainalysis hat dem Kryptomarkt in ihrem "Crypto Crime Report 2022" jüngst ein vernichtendes Urteil ausgestellt: Die Kriminalität im Kryptomarkt habe ein neues Rekordhoch erreicht. 2021 seien insgesamt rund 14 Milliarden US-Dollar in Kryptowährungen an illegale Adressen überwiesen worden. Die durch Betrug - etwa sogenannte "Rug Pulls", bei denen Entwickler für angebliche Projekte über Token Gelder ihrer Opfer einsammeln und dann spurlos verschwinden - erbeutete Summe stieg im Vergleich zum Vorjahr um 82 Prozent auf 7,8 Milliarden US-Dollar, während Krypto-Diebstähle - etwa durch erfolgreiche Hacks - um satte 516 Prozent auf 3,2 Milliarden US-Dollar anzogen. Auch im aktuellen Jahr setze sich der Trend zu mehr Krypto-Diebstählen fort.

Governance - Auch ein Thema bei BTC und ETH

Governance-Strukturen, wie sie in Unternehmen üblich sind, finden sich im Kryptosegment nur teilweise wieder. Eine Bewertung der Unternehmensführung- und -kultur nach ethischen Gesichtspunkten muss vor diesem Hintergrund anders erfolgen als in Unternehmen, denn die Dezentralisierung bei Kryptowährungen macht es schwer, typische Unternehmensstrukturen anzusetzen.

Dennoch lassen sich ethische Kriterien herausarbeiten, die ein Urteil darüber ermöglichen, ob das "G" in ESG auf den Kryptomarkt angewendet werden kann. Zunächst ist hier das Thema Transparenz zu nennen, das in klassischen Unternehmen ebenfalls eine Rolle spielt. Während in (börsennotierten) Unternehmen etwa die Führungsebene gezwungen wird, transparent zu agieren und potenziell marktbewegende Nachrichten allen so schnell wie möglich zugänglich zu machen, gibt es über die Transparenz der Prozesse auf dem Kryptomarkt offensichtlich keine zwei Meinungen. Der Quellcode ist öffentlich einsehbar, Transaktionen auf der Blockchain können nachvollzogen und im Nachhinein nicht mehr verändert werden. Die weltgrößte Kryptowährung Bitcoin ist vor diesem Hintergrund also nicht anonym, sondern pseudonym: Transaktionen können Adressen zugeordnet werden, zugehörige Parameter sind öffentlich einsehbar.

Hinzu kommt, dass Blockchain-Transaktionen jedem offen stehen, das Netzwerk bietet Chancengleichheit. Das ist in klassischen Unternehmensstrukturen so häufig nicht gegeben, da vollständige Neutralität von Menschen-geführten Projekten, Gruppen oder Konzernen anzuzweifeln ist.

Setzt man die richtigen Maßstäbe ab, kann der Kryptomarkt in Sachen Governance also durchaus Pluspunkte einfahren.

Wie viel ESG steckt wirklich in Krypto?

Ein abschließendes Fazit, wie nachhaltig Kryptoinvestments tatsächlich sind, lässt sich beim genauen Blick auf die ESG-Kriterien nicht eindeutig treffen. Wer den Umweltaspekt besonders hoch bewertet, dürfte Bitcoin & Co. kaum als nachhaltiges Investment einstufen, für wen soziale Teilhabe und Transparenz hoch bewertet werden, dürfte die Lage gegensätzlich beurteilen.

Überdurchschnittliche Renditen sind mit Kryptoanlagen durchaus zu erwirtschaften - überdurchschnittliche Verluste aber ebenso. Die Schwankungen am Digitalwährungsmarkt sind hoch, einer der Gründe, wieso ESG-Experten Kryptowährungen nicht zu lohnenswerten Anlagezielen zählen. Grundsätzlich sind Cyberdevisen-Anlagen kein klassisches ESG-Investment, einen Widerspruch in sich stellen nachhaltige Krypto-Investments aber deshalb noch nicht dar. Tatsächlich müssen Anleger Problembereiche wie Geldwäsche, hoher Stromverbrauch und Schattenbankgeschäfte wohl gegen Transparenz und soziale Inklusion abwägen.

Redaktion finanzen.at

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