Von Hans Bentzien

FRANKFURT (Dow Jones)-- Die absehbare Verringerung der Anleihekäufe der Zentralbanken des Eurosystems wird nach Einschätzung von Volkswirten keine so großen Auswirkungen auf Staatsanleiherenditen und Zinsen haben wie das so genannte Taper-Tantrum der US-Notenbank vor vier Jahren. Die meisten Volkswirte der Mitgliedsinstitute des Verbands öffentlicher Banken (VÖB) rechnen damit, dass die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen in den nächsten sechs Monaten auf nicht mehr als 0,70 Prozent steigen wird. Derzeit rentiert der zehnjährige Bund mit 0,40 Prozent.

"Die Marktauswirkungen werden moderat sein, weil die Bruttokäufe deutlich langsamer sinken werden als die Nettokäufe", sagte Michael Klawitter, Devisenstratege der Dekabank am Dienstag bei der Vorstellung der Zinsprognosen der Mitgliedsinstitute des Bundesverbands öffentlicher Banken (VÖB) in Frankfurt. Der Dekabank-Analyst erwartet im Einklang mit der Mehrheit seiner Kollegen, dass die Europäische Zentralbank (EZB) Ende Oktober beschließen wird, das Nettomonatsvolumen der Anleihekäufe auf 40 (derzeit: 60) Milliarden Euro zu verringern.

Dekabank: Rendite zehnjähriger Bundesanleihen in sechs Monaten bei 0,65 Prozent

Diese Nettokäufe führt die EZB aber neben der Wiederanlage von Mitteln aus fällig gewordenen Anleihen aus. Sie sorgt also dafür, dass ihre Bilanzsumme selbst nach Einstellung der Nettokäufe, die Analysten für Ende 2018 erwarten, konstant bleibt. Folglich ist die von der EZB tatsächlich zusätzlich erzeugte Nachfrage nach Anleihen höher, als der kommunizierte Zielwert von derzeit 60 Milliarden Euro aussagt. Und das dürfte die Anleiherenditen für sich genommen niedrig halten.

Die Dekabank sieht die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen auf Sicht von sechs Monaten, also Mitte März 2018, bei 0,65 Prozent. Das wäre ein Anstieg von 0,25 Prozentpunkten. Stellt man in Rechnung, dass die EZB ihren Tapering-Beschluss erst am 26. Oktober fassen wird, kommt man für die sechs Monate danach auf einen Anstieg von rund 0,30 Punkten.

Im Rahmen des Taper Tantrum war die Rendite zehnjähriger Treasurys in den sieben Monaten nach der berühmten Rede von Fed-Chef Ben Bernanke am 23. Mai 2013 binnen sieben Monaten um 2 volle Prozentpunkte gestiegen und die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen um 0,60 Punkte. Dämpfend wirkt sich auf die heutigen Prognosen laut Klawitter außerdem aus, dass die Annahmen darüber, wo der neutrale Zins liegt, heute ganz andere sind als noch vor vier Jahren.

HSH-Nordbank erwartet Rendite-Anstieg auf 1,00 Prozent

Gleichwohl gibt es auch unter den VÖB-Mitgliedsinstituten Banken, die einen schärferen Renditeanstieg prognostizieren. Die HSH Nordbank etwa sieht die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen Mitte März 2017 bei 1,00 Prozent. Das ist der höchste Werte innerhalb der VÖB-Prognose. "Ich erwarte schon, dass die Renditen anziehen werden, wenn die EZB ihre Pläne ankündigt und dann auch umsetzt", sagte Volkswirtin Sintje Boie bei der Vorstellung ihres Zinsausblicks.

Boie weist darauf hin, dass diese Prognose aber nicht alleine die vermuteten Effekte niedrigerer Anleihekäufe widerspiegelt, sondern auch das robuste Wirtschaftswachstum: "Renditen von 0,3 Prozent passen dazu nicht mehr´", sagte sie. Gemildert würden die Tapering-Auswirkungen aus ihrer Sicht aber dadurch, dass es sich bei der erwarteten Verringerung der Anleihekäufe um keine Überraschung handele.

Helaba-Volkswirt Ulf Krauss kann sich sogar vorstellen, dass die EZB das Ankaufvolumen nicht auf 40 Milliarden, sondern sogar auf 30 oder 20 Milliarden Euro verringert, ohne dass dabei ein Taper-Tantrum herauskommt. "Das würde besser zur guten ökonomischen Situation passen und würde eine längere Laufzeit des Programms ermöglichen", sagte Krauss. Die Helaba sieht die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen Mitte März trotzdem nur bei 0,60 Prozent.

Kontakt zum Autor: hans.bentzien@dowjones.com

DJG/hab/cln

(END) Dow Jones Newswires

September 13, 2017 10:27 ET (14:27 GMT)

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