EZB-Bilanz schrumpft 11.12.2014 14:02:00

Volkswirte erwarten baldigen Start von EZB-Anleihenkäufen

Nach Mitteilung der EZB haben beim zweiten sehr langfristigen, zielgerichteten Refinanzierungsgeschäft (TLTRO) 306 Banken Gebote über 129,8 Milliarden Euro abgegeben. Die Erwartung hatte bei rund 150 Milliarden gelegen. Volkswirte weisen darauf hin, dass die EZB nicht den erhofften Beitrag zur angestrebten Vergrößerung ihrer Bilanz erhalten hat.

   "Das Volumen lag unter den 257 Milliarden Euro, die die Banken im Rahmen der beiden vorigen Dreijahrestender aufgenommen haben und Anfang nächsten Jahres zurückzahlen müssen", sagte Victor Echevarria, Ökonom bei BNP Paribas. Folglich würde die EZB-Bilanz schrumpfen, anstatt wie angestrebt zu expandieren. Anfang 2015, darauf wies EZB-Ratsmitglied Erkki Liikanen am Vormittag hin, will die EZB daher die Angemessenheit ihrer Geldpolitik überprüfen.

   Für Nordea-Volkswirt Jan von Gerich ist klar: "Eine weitere Lockerung ist notwendig, und die EZB dürfte Anfang nächsten Jahres ein groß angelegten Programm für Wertpapierankäufe auflegen." Das schwache Tender-Ergebnis hat seiner Ansicht nach die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass das schon am 22. Januar passieren wird.

   Die EZB will ihre Bilanzsumme wieder "in Richtung" der Größe bewegen, sie die Anfang 2012 hatte. Das waren rund 3 Billionen Euro. Mit heutigem Stand - vor dem Auslaufen der alten Dreijahrestender - müsste sie dazu rund 1 Billion Euro ins Finanzsystem pressen.

   Die bereits abgewickelten TLTROs hätten dazu rechnerisch einen Beitrag von rund 400 Milliarden Euro leisten können - so groß ist das Volumen der ausstehenden Unternehmenskredite, an die die EZB die Zuteilung ihrer fast vierjährigen Kredite gekoppelt hat. Herausgekommen sind aber nur 212,4 Milliarden, nämlich 82,6 Milliarden beim ersten und 129,8 beim zweiten TLTRO.

   Zwar wird die EZB im nächsten Jahr weitere TLTROs ausschreiben, doch wird deren Maximalvolumen an die dann erfolgte zusätzliche Unternehmenskreditvergabe gekoppelt sein. Angesichts der notorisch schwachen Kreditvergabe im Euroraum ist von dieser Seite also kein substanzieller Beitrag zur Bilanzvergrößerung zu erwarten.

   Bleibt für die EZB die weitere Möglichkeit der im Sommer beschlossene Ankauf von Wertpapieren: Bisher hat sie Covered Bonds für 20,9 Milliarden Euro gekauft und Kreditverbriefungen (ABS) für 0,6 Milliarden. Das ist der Grund, warum viele Ökonomen ein baldiges Staatsanleihekaufprogramm voraussagen, auch wenn sie ökonomisch am Nutzen einer solchen Maßnahme zweifeln.

   "Wir sehen eine 80-prozentige Wahrscheinlichkeit von Unternehmensanleihekäufen und eine 65-prozentige von Staatsanleihekäufen", meint Berenberg-Volkswirt Christian Schulz. Nordea-Ökonom von Gerich rechnet mit Staatsanleihekäufen. Weil die sich voraussichtlich an den Kapitalanteilen der EZB-Anteilseigner orientieren werden, dürften nach seiner Einschätzung die Renditen der sogenannten Kernländer weiter sinken, wenn auch nur noch wenig.

   Das ist auch der Grund, warum manche Ökonomen und auch EZB-Ratsmitglieder den Nutzen eines solchen Programms anzweifeln. "Ich würde gerne Berechnungen sehen, die zeigen, dass das trotz des schon sehr niedrigen Ausgangsniveaus noch Auswirkungen hat", sagte das estnische EZB-Ratsmitglied Ardo Hansson.

   Verfechter von Staatsanleihekäufen, wie Präsident Mario Draghi oder EZB-Chefvolkswirt Peter Praet verteidigen ihre Pläne dagegen. Laut Praet würden Staatsanleihekäufe Anreize für Banken setzen, statt auf Staatsanleihen oder andere Festzinspapiere wie Kredite zu setzen. Niedrigere Erträge bei Festverzinslichen würden die Opportunitätskosten der Banken bei der Kreditvergabe reduzieren, sagte er.

   Beobachter erwarteten bisher, dass der EZB-Rat ein Programm zum Ankauf von Staatsanleihen am 22. Januar oder am 9. März ankündigen würde. Der nur sehr begrenzte Erfolg alternativer Wege zur Vergrößerung der Bilanz lässt den 22. Januar nun wahrscheinlicher erscheinen.

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