24.11.2013 15:21:30

Staatsanleihen bleiben unter EZB-Schutz

   Von Hans Bentzien

   Die Europäische Zentralbank (EZB) ist an einer Diskussion über den privilegierten regulatorischen Status von Staatsanleihen in Bankbilanzen derzeit nicht interessiert. Laut einem Bericht des Spiegel hat EZB-Präsident Mario Draghi einen Vorschlag des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken zurückgewiesen, der die Einstufung hoher Bestände an Anleihen eines Staats als "Klumpenrisiko" vorsah.

   Banken müssen Staatsanleihen in ihren Büchern derzeit nicht mit Eigenkapital hinterlegen, weil diese als risikofrei gelten. Dass macht sie für die Institute zu einem guten Geschäft. Anleihen Italiens oder Spaniens werfen ordentliche Renditen ab und kosten kein wertvolles Eigenkapital. Schön ist das aus Sicht der Staaten, die diese Papiere ausgeben: Sie haben in "ihren" Banken sichere Abnehmer.

   Kritikern wie Bundesbankpräsident Jens Weidmann ist das schon länger ein Dorn im Auge. Er argumentiert, dass auf diese Weise die Verbindung schwacher Banken und hoch verschuldeter Staaten verstärkt wird, während die Euro-Staaten zugleich die Gründung einer Bankenunion vorantreiben, die die Restrukturierung bzw. Abwicklung strauchelnder Banken per Rettungsfonds ESM ermöglichen würde.

   Zwar käme der Rettungsfonds erst am Ende einer Haftungskaskade, doch ist die Haftung von Aktionären und Anleihegläubigern gerade zum Start des neuen Abwicklungsregimes noch eine unsichere Sache. So hat Draghi kürzlich selbst vorgeschlagen, die Inhaber unbesicherter vorrangiger Bankanleihen im Interesse der Finanzstabilität vorerst von der Haftung auszunehmen. Überhaupt sollen Aktionäre und Anleiheinvestoren erst ab 2018 haften, wenngleich die EZB für einen deutlich früheren Start solcher "Bail-ins" plädiert.

   Nachteilig ist der privilegierte Status von Staatsanleihen schließlich auch für die Kreditversorgung von Unternehmen. Da die Banken mit ihnen aus den oben beschriebenen Gründen leicht Geld verdienen, haben sie keinen Anreiz, Geld an Unternehmen zu verleihen. Die schwache Kreditvergabe gilt aber als eines der wichtigsten Deflationsrisiken.

   Sinkt die Vergabe von Unternehmenskrediten, und das tut sie in der Eurozone seit Monaten, bleibt das Geldmengenwachstum schwach und damit mittelfristig auch die Inflation. Die Aussicht auf eine für längere Zeit niedrige Inflation war es auch, die die EZB Anfang des Monats dazu bewog, ihren geldpolitischen Schlüsselzins auf 0,25 Prozent zu senken.

   Von besonderem Interesse ist die Bilanzierung von Staatsanleihen durch Banken derzeit auch deshalb, weil die EZB bisher noch nicht mitgeteilt hat, wie sie in den bevorstehenden Stresstests für 130 Banken mit den Staatsanleihebeständen umgehen wird.

   Nach Aussage von EZB-Direktor Yves Mersch wird die EZB Staatsanleihen bei der vorhergehenden Bankbilanzprüfung wie üblich als risikofrei behandeln. Wie aber die Belastungsannahmen für Staatsanleihen im Stresstest aussehen würden und ob "im Besonderen etwas für Staatsanleihen vorgesehen" werde, sei noch unklar.

   Der Ausschuss für Systemrisiken hatte wohl wegen der immer noch fragilen Finanzstabilität im Euroraum in seinem neuen Vorschlag nur eine "mittelfristige" Begrenzung von Staatsanleihebeständen bzw. deren Hinterlegung mit Eigenkapital gefordert. Laut Spiegel gab Draghi die Empfehlungen "zur Überarbeitung" an die Wissenschaftler zurück.

   Kontakt zum Autor: hans.bentzien@wsj.com

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