Programm wird verlängert 08.12.2016 17:22:40

EZB-Präsident Draghi: EZB kauft künftig Wertpapiere mit Restlaufzeit von einem Jahr

EZB-Präsident Mario Draghi trat in seiner Pressekonferenz zur Erläuterung der geldpolitischen Beschlüsse aber energisch dem Eindruck entgegen, dass es sich hierbei um den ersten Schritt zu einer schrittweisen Verringerung der Ankäufe in Richtung null ("Tapering") handele. Seine Botschaft: Auch bis 2019 ist nicht mit dem Erreichen des Inflationsziels von knapp 2 Prozent zu rechen, deshalb bleibt die EZB an den Märkten "anhaltend präsent".

Draghi: Tapering wurde heute nicht diskutiert

"Tapering wurde heute nicht diskutiert", stellte Draghi klar. Auf die Nachfrage, ob das bedeutet, dass tatsächlich kein Ratsmitglied Tapering gefordert habe, sagte Draghi knapp: "Genau". Diskutiert wurden im Rat nach seinen Worten zwei Optionen: Eine Verlängerung der Anleihekäufe von 80 Milliarden Euro um sechs Monate und eine Verlängerung um neun Monate bei einem Volumen von 60 Milliarden Euro. Die zweite Variante sei mit "sehr, sehr großer Mehrheit" beschlossen worden, so Draghi. Die EZB werde "anhaltend" an den Märkten präsent sein.

Die Verringerung des Ankaufvolumens erklärte der EZB-Präsident mit den verbesserten Aussichten, dass Inflationsziel der EZB von "unter, aber nahe 2" zu erreichen. "Die Deflationsrisiken sind weitgehend verschwunden", sagte er. Als die EZB das monatliche Ankaufvolumen im März 2016 von 60 auf 80 Milliarden Euro angehoben habe, seien die Aussichten für eine nachhaltige Korrektur des Inflationspfads deutlich schlechter gewesen.

EZB-Stab senkt Kerninflationsprognosen für 2017 und 2018

Gleichwohl dürfte sich die EZB wegen des grundlegend schwachen Inflationsdrucks jedoch mehr Sorgen als noch zuletzt machen. Grund: Der volkswirtschaftliche Stab der EZB senkte seine Prognosen für die Kerninflation (ohne Energie- und Nahrungsmittelpreise) für 2017 und 2018 auf 1,1 (zuvor: 1,3) und 1,4 (1,5) Prozent. Für 2019 werden 1,7 Prozent Kernteuerung prognostiziert. Auch die Gesamtteuerung sieht der EZB-Stab 2019 bei 1,7 Prozent.

Ob das schon mit der von der EZB angestrebten Zielinflation übereinstimme, wollte ein Journalist in der Pressekonferenz wissen. "Nicht wirklich", beschied Draghi ihn und fügte hinzu: "Wir müssen dranbleiben." Meint: Die Zinsen niedrig halten oder im Notfall weiter senken und die Anleiheankäufe auch wieder hochfahren, wenn sich die Inflationsaussichten wieder eintrüben.

Wörtlich hieß es im geldpolitischen Beschluss: "Sollte sich der Ausblick eintrüben oder sollten die Finanzierungsbedingungen einer nachhaltigen Anpassung des Inflationspfads in Richtung des Zielbereichs im Wege stehen, wäre der EZB-Rat bereit, das Volumen und/oder die Dauer des Programms zu erhöhen." Diese Ankäufe würden zusätzlich zur Reinvestition von Mitteln erfolgen, die aus der Fälligkeit bereits erworbener Anleihen anfielen.

EZB erlaubt Ankauf von Staatsanleihen mit Restlaufzeit von einem Jahr

Damit das auch technisch möglich ist, änderte der EZB-Rat einige Parameter des Ankaufprogramms. So dürfen die Zentralbanken Anleihen ihres Staats künftig auch dann kaufen, wenn deren Restlaufzeit nur noch ein Jahr beträgt. Bisher liegt diese Grenze bei zwei Jahren. Außerdem können die Zentralbanken Anleihen auch dann kaufen, wenn ihre Rendite unterhalb des EZB-Einlagensatzes liegt - wenn das erforderlich ist. "Das ist eine Option, keine Notwendigkeit", sagte Draghi. Beide Änderungen treten am 1. Januar 2017 in Kraft.

Die Leitzinsen ließ die EZB wie erwartet unverändert. Der Hauptrefinanzierungssatz liegt damit weiterhin bei 0,00 Prozent, der Spitzenrefinanzierungssatz bei 0,25 Prozent und der Satz für Überschusseinlagen der Banken bei minus 0,40 Prozent.

Euro fällt, Bundesanleihen und Aktien verzeichnen Gewinne

Die Finanzmarktreaktionen auf Beschlüsse und Kommunikation der EZB waren folgende: Der Euro sank von rund 1,080 auf 1,062 US-Dollar. Das deutet darauf hin, dass das von Draghi sicher beabsichtigte "dovishe" Signal angekommen ist. Die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen sank von 0,390 auf 0,386 Prozent, während die italienischer Papiere gleicher Laufzeit von 1,966 auf 1,987 stieg. Der Dax legte von 11.053 auf 11.150 Punkte zu, um knapp 0,9 Prozent.

"Wir glauben, dass es der EZB gelungen ist, die Märkte davon zu überzeugen, dass sie noch für lange Zeit beträchtliche Mengen an Wertpapieren kaufen wird, und dass das geringere Monatsvolumen nicht als eine geldpolitische Straffung interpretiert werden sollte", heißt es in einem Kommentar von Nordea.

Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer sieht durchaus einen "Beginn des erzwungenen Ausstiegs aus den Anleihekäufen", der sich ab 2018 schrittweise fortsetzen werde. Allerdings rechnet Krämer, dass die EZB dann andere Maßnahmen ergreifen wird, zum Beispiel einen Langfristender mit einer Laufzeit etwa von fünf Jahren anbieten. "Dann könnten die Banken im Süden der Währungsunion mit billigem EZB-Geld Anleihen ihrer Staaten kaufen und die EZB an der Kauffront ablösen. Heute haben wir leider nicht den Einstieg in den Ausstieg aus der viel zu lockeren Geldpolitik gesehen", lautet Krämers Fazit.

Von Hans Bentzien

FRANKFURT (Dow Jones)

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