Katastrophenanleihen 09.11.2013 03:00:01

Hohe Zinsen beim Spiel mit dem Feuer

von Thomas Strohm, Euro am Sonntag

Waldbrände, Hurrikane, Erdbeben — Naturkata­strophen können immense Schäden ver­ursachen, die auch Versicherer ins Wanken bringen würden. Die Assekuranz reicht darum einen Teil des von ihr übernommenen Risikos mithilfe von Katastrophenanleihen an den Kapitalmarkt weiter. Kommt es zu einem bei der Emission der sogenannten Cat-Bonds genau festgelegten Schaden, müssen Anleihegläubiger mit ihrem Geld einspringen.

Für das Risiko, das sie den Ver­sicherern abnehmen, bekommen die Investoren allerdings einen relativ hohen Zins. Privatanleger jedoch können nicht direkt in Cat-Bonds investieren. Die Stückelung der Papiere liegt meist bei 100.000 oder mehr und ist damit nur für institutionelle Investoren ausgelegt.
Es gibt aber einige auf die Schuldtitel spezialisierte Investmentfonds, die auch Kleinanlegern offenstehen und die im laufenden Jahr bisher eine Wertsteigerung von bis zu acht Prozent pro Jahr erzielten.

Der Herbst ist für Investoren besonders spannend: Bis Ende November dauert die Hurrikansaison an der Ostküste Nordamerikas. „Bisher ist sie eine der ruhigsten der ver­gangenen zehn Jahre“, sagt Daniel Ineichen, Fondsmanager des gerade gestarteten Schroder Gaia Cat Bond (ISIN: LU0951570844), der — wie so viele ähnliche Produkte — erst ab ­einer hohen Mindestsumme, hier: 100.000 Euro, zugänglich ist.
„Etwas schlimmer als im langjährigen Schnitt verliefen die Taifune an der Westküste der USA und in Japan“, sagt Ineichen, der von der auf verbriefte und handelbare Versicherungsrisiken spezialisierten Schweizer Boutique Secquaero kommt. An dieser hat sich das britische Investmenthaus Schroders im Frühjahr beteiligt. Die Taifunschäden waren jedoch in diesem Jahr nicht so groß, dass sie Bonds getroffen hätten.

Grundsätzlich zahlt nämlich zunächst der Versicherer und dann der Rückversicherer, bevor die Anleihegläubiger an der Reihe sind. Es gibt aber auch Bonds, die an physikalisch messbaren Größen wie der Erdbebenstärke hängen — und ausfallen, sobald die Marke gerissen wird.

Risikomodelle als Grundlage
Im vergangenen Jahr war das nie der Fall. Kein einziger Cat-Bond weltweit fiel aus. 2011 traf es dagegen drei Katastrophenanleihen: einen Bond im Volumen von 300 Millionen Dollar wegen des stärksten jemals in ­Japan registrierten Erdbebens und zwei Bonds über je 100 Millionen Dollar wegen Tornados in den USA. „Noch nie zuvor sind innerhalb eines Jahres Schadenszahlungen aus drei Cat-Bonds ausgelöst worden“, sagt Dirk Schmelzer vom Investmenthaus Plenum in Zürich.

Die Historie des Segments ist allerdings auch noch jung. 1994 wurde die erste Katastrophenanleihe aufgelegt. Ein Auslöser dafür war Hurrikan Andrew, der 1992 zu großen und für die Versicherer teuren Schäden geführt hatte. Ein anderer Grund war, dass nun mit Computermodellen die Risiken für Investoren, die mit einer solchen Anleihen verbunden sind, wesentlich besser eingeschätzt werden konnten.

Für Manager wie Ineichen sind diese Risikomodelle eine wichtige Entscheidungsgrundlage vor einem Investment. „Wir neigen dazu, eine Untergewichtung in Anleihen zu haben, die sich auf Risiken beziehen, die sich schwer in Modellen abbilden lassen“, sagt der Schroders-Mann.

Tornados sind dafür ein Beispiel: Diese sind zerstörerisch, aber nur entlang einer schmalen Schneise. Je nachdem, ob sie in unbewohntem oder bewohntem Gebiet wüten, sind die Schäden sehr gering oder sehr hoch. Mögliche Schäden durch einen Hurrikan, der auf breiter Front auf die Küste trifft, lassen sich viel besser einschätzen.

Dass der Kauf eines Cat-Bonds einem Kasinobesuch gleicht, ist also ein Irrtum. Der Zeitpunkt einer Naturkatastrophe kann zwar nicht vorhergesagt werden, wohl aber die Wahrscheinlichkeit für eine Naturkatastrophe sowie die damit verbundene Schadenshöhe.

Cat-Bonds haben für Anleger sehr vorteilhafte Eigenschaften. Weil ein Erdbeben in Japan und ein Tornado in den USA völlig unabhängig von­einander sind, können Investoren innerhalb eines Portfolios stark diversifizieren — so, wie es sonst am Kapitalmarkt kaum möglich ist. „Eine einzige Naturkatastrophe führt in ­einem breit gestreuten Cat-Bond-Portfolio häufig nur zu geringen Verlusten“, sagt Daniel Ineichen: „Dafür müssen schon verschiedene Kata­strophen aus verschiedenen Regionen in einem Jahr zusammenkommen.“

Für Investoren haben Cat-Bonds zudem den großen Vorteil, dass sie von anderen Anlageklassen wie Aktien, Anleihen oder Rohstoffen weitgehend unabhängig sind.
Und auch wenn die Zinsen von ihrem niedrigen momentanen Niveau wieder zu steigen beginnen und damit spiegelbildlich die Kurse bereits emittierter Anleihen fallen, bieten Cat-Bonds den Investoren einen Schutz. Das liegt daran, dass der Kupon variabel ist. Der Zins besteht aus einem Geldmarktsatz und einer ­Risikoprämie, deren Höhe sich nach dem Fokus der Anleihe richtet. Das heißt, wenn das Zinsniveau steigt, wird automatisch der Kupon höher. Zudem ist die Laufzeit der Anleihen relativ kurz, rund ein Drittel der Cat-Bonds werden in jedem Jahr fällig und zum Nennwert zurückgezahlt. Das sichert den Preis nach unten ab, denn gegen Ende der Laufzeit nähern sich Bondkurse immer mehr dem Nennwert an.

Obwohl die Katastrophenanleihen nicht an der Börse gehandelt werden, hat sich der Markt auch in ­Ex­tremsituationen bisher stets als stabil erwiesen. So sind nach der Lehman-Pleite Ende 2008, als sich viele Hedgefonds aus dem Markt verabschieden mussten, zwar die Kurse gefallen. Die Cat-Bonds waren aber selbst in dieser Stressphase für die Kapitalmärkte noch gut handelbar — so, wie sonst fast nur noch US-Staatsanleihen, sagt Ineichen.

Einen weiteren Stresstest haben die Cat-Bonds ebenfalls mit Bravour bestanden: Nach dem extrem starken Erdbeben in Japan 2011 haben ­lediglich jene Anleihen gelitten, die sich genau auf eine solche Katastrophe bezogen — andere Cat-Bonds konnten normal gehandelt werden.

Wachsender Markt
Der Markt für die Anleihen ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen — und er wird noch weiter zulegen. Das hat zwei Ursachen. Zum einen werden die Eigenkapitalvorschriften für Versicherer mit dem Regelwerk Solvency II schärfer. Die Assekuranz wird deshalb ver­suchen, sich zu entlasten und mehr Risiken an den Kapitalmarkt weiterzureichen.

Zum anderen steigt der Wohlstand in Schwellenländern wie ­Brasilien, Indien oder China. Die Menschen dort werden das neu gewonnene Eigentum stärker mithilfe von Versicherungspolicen absichern wollen. Die Gefahr von Naturkata­strophen in diesen Ländern ist hoch. Und deshalb werden die Versicherer einen Teil der Risiken abwälzen — mehr Katastrophenanleihen werden an den Markt kommen.

Investor-Info

Cat-Bonds im Vergleich
Attraktiver Ertrag

Gemessen an Rendite und Volatilität hängen Katas­trophenanleihen alle anderen Anlageklassen ab. Von Anfang 2002 bis September 2013 steht für die Cat-Bonds eine jährliche Rendite von 8,6 Prozent zu Buche. Gegenüber Unternehmensanleihen mit einer ähnlichen Ausfallwahrscheinlicheit sind sie damit deutlich im Vorteil. Rohstoffe und Hochzinsanleihen brachten zwar noch etwas mehr Ertrag ein – allerdings schwankten deren Kurse weitaus stärker als die Preise der Katastrophenanleihen. Die stabile Entwicklung bildet auch der Cat-Bond-Index des Schweizer Rückversicherers Swiss Re ab: Für größere Kursstürze konnten weder die drei Hurrikans Katrina, Rita und Wilma in den USA im Jahr 2005 noch das schwere Erdbeben 2011 in Japan sorgen. Weil sich die Cat-Bonds stets auf ganz bestimmte Katastrophen und Regionen beziehen, sind sie ­voneinander unabhängig. Droht ein Bond auszufallen, beeinträchtigt das die anderen Kurse kaum. 

GAM Star Cat Bond Euro
Bewährte Strategie

Der vom US-Spezialisten Fermat Capital Management gesteuerte Fonds des Dubliner Investmenthauses GAM hat sich in den vergangenen Jahren als Top-Produkt im Segment einen Namen gemacht. Seit 2011 können deutsche Anleger in den bereits 2004 gestarteten Fonds investieren. Sie müssen eine Mindestanlagesumme von 10.000 Euro mit­bringen, das Investment hat sich bisher ausgezahlt. Im laufenden Jahr steht das Plus bis dato bei 7,8 Prozent. 2012 gab es eine Rendite von knapp acht Prozent.

Plenum CAT Bond Euro
Kleine Einstiegssumme

Der 2010 aufgelegte, schon ab 100 Euro investierbare Fonds der Schweizer Boutique Plenum wird von Dirk Schmelzer und David Strasser gesteuert. Sie streben einen Ertrag von vier Prozentpunkten über dem Geldmarktzins an. Im laufenden Jahr dürfte ihnen das gelingen, bisher liegt das Plus bei 4,3 Prozent. Im vorigen Jahr gab es 5,8 Prozent.

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