Erhebliche Risiken: Darum könnte das deutsche Energiepaket eine Anleihen-Kernschmelze in der Eurozone auslösen

• Deutsches Maßnahmenpaket gegen hohe Energiepreise stößt auf Kritik
• Citi: Paket kann Rezession mildern, aber nicht verhindern
• Kernschmelze am Anleihemarkt der Eurozone denkbar


Mit einem "Doppelwumms" sollen die deutschen Verbraucher angesichts der hohen Gaspreise entlastet werden. Die Bundesregierung belebt dafür den Wirtschaftsstabilisierungsfonds WSF aus den Zeiten der Corona-Krise neu und will bis zum Jahr 2024 maximal 200 Milliarden Euro bereitstellen. Das nationale Programm umfasst unter anderem zielgerichtete Liquiditäts- und Eigenkapitalhilfen für Unternehmen, eine Mehrwertsteuerermäßigung auf Gas und Fernwärme, sowie einen Preisdeckel für einen Basisverbrauch an Erdgas.

Während deutsche Unternehmen wie etwa thyssenkrupp die geplanten Entlastungen begrüßen und auch deutsche Verbraucher sich erleichtert zeigen dürften - nicht zuletzt, weil auch die umstrittene Gasumlage gestrichen wurde -, kam heftige Kritik an dem deutschen Alleingang aus den Reihen der EU. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen warnte vor einer Verzerrung des gemeinsamen Marktes und sieht die Wettbewerbsgleichheit der Unternehmen in der Eurozone in Gefahr. "Das reichste und wirtschaftlich stärkste Land der Europäischen Union versucht, diese Krise zu nutzen, um seinen Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Unternehmen im Binnenmarkt zu verschaffen. Das ist nicht fair", kritisierte auch Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki und sprach von "deutschem Egoismus".

Doch nicht nur die Fairness innerhalb der EU, auch der gesamte Anleihenmarkt der Eurozone könnte unter dem "Doppelwumms" von Bundeskanzler Olaf Scholz erheblich leiden, warnten Analysten der Citigroup laut "CNBC". Die US-Nachrichtenseite spricht gar davon, dass das deutsche Entlastungspaket möglicherweise eine "Kernschmelze" am Markt für Euro-Anleihen auslösen könnte.

Steht ein Ausverkauf von Euro-Anleihen bevor?

Die Citi-Experten sehen laut "CNBC" gleich mehrere Risiken, die das deutsche Entlastungspaket mit sich bringen könnte. Dies seien vor allem Risiken in Bezug auf die Finanzierung des Pakets und die damit verbundenen Auswirkungen auf die Inflation, die Renditen deutscher Staatsanleihen, den Leitzins der EZB und die Pläne anderer Euro-Länder zur Schuldenaufnahme. Denn das Geld für den "Doppelwumms" wird sich Deutschland vor allem am Anleihemarkt durch die Aufnahme neuer Schulden besorgen, was die Inflation befeuern wird und laut der Nachrichtenseite möglicherweise dazu führen könnte, dass die EZB die geldpolitischen Zügel noch stärker anziehen muss.

Dabei ist die Ausgabe neuer Bundesanleihen laut Citi-Analyst Christian Schulz aber nicht einmal das Hauptproblem. Wie er laut "CNBC" sagte, könnte sich Deutschland ein solches Programm durchaus erlauben, da es unter anderem einen niedrigen Schuldenstand in Relation zum BIP habe. Riskant sei das Programm viel mehr dadurch, dass es andere EU-Staaten, die finanziell weniger tugendhaft seien, zur Nachahmung anregen könnte. "Das Risiko besteht, dass andere dem Beispiel folgen könnten", so Schulz. Anders als Deutschland könnten es sich aber eben nicht alle EU-Länder leisten, in großem Stil neue Schulden aufzunehmen. Sollten sie es dennoch tun, könnte es laut dem Citi-Experten am Anleihemarkt der Eurozone zu ähnlichen Verhältnissen kommen wie in Großbritannien, wo jüngst britische Staatsanleihen dramatisch unter Druck geraten waren, nachdem die britische Regierung Steuererleichterungen in Kombination mit Plänen für eine groß angelegte Kreditaufnahme angekündigt hatte. Anleger befürchteten, dass dies zu ausufernden Staatsschulden und unkontrollierbaren Inflationsraten führen könnte. "Das Risiko besteht darin, dass sich diese gleiche Dynamik jetzt auch auf dem Kontinent entwickelt", sagte Schulz.

Analysten skeptisch bezüglich positiver Effekte des Entlastungspakets

Auch bezüglich der positiven Auswirkungen des "Doppelwumms" zeigen sich die Experten nicht völlig überzeugt. Die Citi-Analysten gehen laut "CNBC" zwar davon aus, dass das deutsche Maßnahmenpaket die Inflation im kommenden Jahr um zwei Prozentpunkte absenken und "die kommende Rezession mildern" könne, es werde den wirtschaftlichen Rückgang insgesamt aber nicht verhindern. Ähnlich äußerten sich laut der Nachrichtenseite auch Experten der Deutschen Bank, die davon ausgehen, dass sich der BIP-Rückgang dank dem "Abwehrschild" im Jahr 2023 auf etwa zwei Prozent belaufen könnte - anstatt der zuvor prognostizierten 3,5 Prozent.

Redaktion finanzen.at

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