Die Märkte fragen nicht lange nach, sie nehmen solche Gerüchte dankbar auf: Der deutsche Leitindex DAX legte in den vergangenen Tagen eine unvergleichliche Aufwärtsrally hin und markierte am Dienstag ein Allzeithoch bei 10.298,42 Punkten - die Anleger hoffen auf noch mehr "billiges Geld" und einen weiteren Schub für die Aktienmärkte. Doch was macht die Investoren und Hollande so sicher, dass die europäischen Notenbanker um EZB-Chef Mario Draghi auf ihrer Ratssitzung am Donnerstag tatsächlich ein solches Programm beschließen?
Ein Desaster für Schweizer Unternehmen
Werfen wir einen Blick zurück: Als am vergangenen Donnerstag die Schweizerische Nationalbank (SNB) bekanntgab, der Franken werde ab sofort nicht mehr an den Euro gekoppelt, stürzten die europäischen Leitindizes ab. Die Angst vor einer wirtschaftlichen Destabilisierung in Europa war groß. Doch die Börsen außerhalb der Schweiz erholten sich schnell wieder: Der DAX beispielsweise drehte innerhalb weniger Minuten wieder in die Gewinnzone und schloss am selben Tag über der psychologisch wichtigen Marke von 10.000 Punkten. Was war passiert?
Für die eidgenössischen Unternehmen ist der Schritt der landeseigenen Notenbank ein Desaster, weil der Schweizer Franken in der Folge im Vergleich zum Euro kräftig zulegte - ursprünglich war der Mindestkurs 2011 eingeführt worden, um die Schweizer Exportwirtschaft vor einem allzu starken Franken zu schützen. Nach ersten Schätzungen der Großbank UBS könnten die negativen Folgen für die Exportwirtschaft rund fünf Milliarden Franken betragen.
Die abrupte Kehrtwende im Währungskurs der Schweizerischen Nationalbank traf auch so manches Finanzhaus schwer. Vor allem Währungshändler leiden derzeit massiv unter der Entscheidung der Notenbank. Global Brokers stellte im Anschluss an die Entscheidung der SNB sein Geschäft aufgrund von Liquiditätsproblemen ein.
Anleger spekulieren auf billiges Geld der EZB
Die Aktienmärkte hingegen hatten sich nach den heftigen Turbulenzen durch die Franken-Freigabe relativ schnell wieder erholt, Anleger spekulierten schnell auf billiges Geld der EZB. Denn: Um den Kurs des Euro zum Franken in der Vergangenheit stabil zu halten, musste die Schweizerische Nationalbank viel "Geld drucken". Laut eigener Angaben geht die SNB aber davon aus, dass die Europäische Zentralbank am kommenden Donnerstag Anleihekäufe im großen Stil verkünden wird. Der Euro dürfte also in seinem Wert noch weiter fallen, die eidgenössische Nationalbank hätte noch mehr billiges Geld auf den heimischen Markt werfen müssen, um auch den Wert des Franken zu drücken. Das wollte oder konnte die SNB offensichtlich nicht mehr leisten.
Frankreichs Präsident Francois Hollande und die Investoren in der Eurozone sehen also zurecht klare Indizien für ein groß angelegtes Anleihekaufprogramm der EZB. Auch die Mehrzahl der Zentralbankbeobachter und Volkswirte rechnet mit dem Startschuss für die sogenannte Quantitative Lockerung.
Kritik an der EZB: Folgen der Anleiheprogramms unvorhersehbar
Die Folgen von "QE1" für die europäische Wirtschaft sind derzeit noch völlig ungewiss - vor allem nach der Franken-Freigabe durch die SNB. Unter anderem könnten auf die Deutsche Bank als weltweit zweitgrößten Devisenhändler noch beträchtliche Probleme zukommen. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel versagt EZB-Chef Mario Draghi ihre Unterstützung beim Thema Staatsanleihen. Merkel warnte die Notenbank davor, mit ihrer Politik Bemühungen bei der Konsolidierung der öffentlichen Finanzen und der Besserung der Wettbewerbsfähigkeit zu untergraben. Die Kanzlerin wies darauf hin, dass die von Draghi bisher betriebene Politik der Euro-Rettung eher negative Auswirkungen auf die Reformbereitschaft mancher Länder hatte. Und der Chef der Deutschen Bundesbank, Jens Weidmann, steht "billigem Geld" sowieso schon immer kritisch gegenüber. Er befürchtet, dass Deutschland und damit der Großteil der Steuerzahler für einen möglichen Ausfall von Bonds eines anderen Euro-Landes haften muss.
Die Suche nach einem Kompromiss für die umstrittene neue Geldschwemme läuft deshalb im Vorfeld der Zinssitzung auf Hochtouren, den Kritikern will die EZB entgegenkommen. "Der Spiegel" und die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" (FAS) meldeten bereits am Wochenende, dass die nationalen Notenbanken nur Staatsanleihen ihres eigenen Landes kaufen sollen. Damit soll die Risikohaftung an den Landesgrenzen Halt machen. Außerdem darf jede Notenbank wohl nur einen Teil der ausstehenden Staatsschulden ihres Heimatlandes kaufen.
Nach wie vor unbeantwortet ist die Frage, wie groß die Geldschwemme überhaupt ausfällt und welche Papiere gekauft werden sollen. Staatliche Schuldverschreibungen (Staatsanleihen) dürften aber im Programm enthalten sein, da diese vom Umfang her die größte Anlageklasse in Europa sind. Denn Ziel der Europäischen Zentralbank ist es, ihre Bilanz um etwa eine Billion Euro auszuweiten. Ohne Staatsanleihekäufe erscheint das nahezu unmöglich. Juristisch gesehen sind Staatsanleihekäufe jedenfalls unter gewissen Umständen legal. Das entschied der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof in der vergangenen Woche.
Enttäuschungspotenzial ist groß
Die EZB und ihr Präsident Mario Draghi stehen also gehörig unter Zugzwang. Der Druck, am Donnerstag die Erwartungen der Anleger zu erfüllen, ist hoch. Doch das könnte nicht einfach werden, denn im Raum steht ein weiteres Zugeständnis an die Bedenkenträger: Möglicherweise soll von Seiten der EZB zunächst keine Summe für die Anleihekäufe genannt werden, um auch in den kommenden Wochen jederzeit flexibel reagieren zu können. Die Investoren in der Eurozone dürfte das nicht zufriedenstellen.
Alles andere als die Ankündigung eines "QE"-Programms würde die Akteure am Finanzmarkt enttäuschen. Nach dem jüngsten Höhenflug am deutschen Aktienmarkt warnen Börsenexperten deshalb davor, alles auf einmal zu investieren.
Kommt "QE1" - und daran zweifelt im Moment kaum ein Experte -, dann eröffnen die Interventionen der EZB dauerhaft große Chancen. Die Renditen der Krisenstaaten Spanien, Portugal und Italien dürften noch weiter fallen, auch wenn die fundamentalen Risiken mittlerweile gestiegen sind. Unternehmensanleihen schwächerer Bonität dürften ebenfalls profitieren - vor allem angesichts mangelnder Alternativen in Zeiten rekordniedriger Zinsen. Auch der Euro gab in Erwartung der Geldschwemme weiter nach, was bereits jetzt einem heimlichen Konjunkturprogramm für die europäische Exportwirtschaft gleicht.
Es geht also um die Glaubwürdigkeit der EZB. Die Notenbanker um Chef Draghi müssen nun liefern, sonst dürften die Zinsen kriselnder Eurostaaten schnell wieder steigen.
Von Markus Gentner/finanzen.at
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