Ausblick |
20.10.2016 08:40:47
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Draghi tritt Tapering-Gerüchten entgegen
Die EZB wird ihre Zinsentscheidung am Donnerstag um 13.45 Uhr mitteilen. Gegen 14.30 Uhr beginnt die Pressekonferenz mit Draghi.
So ist die Ausgangslage bei der EZB: Der Rat hat die zuständigen Experten des Eurosystems im September damit beauftragt, nach Wegen zu suchen, das Angebot ankaufbarer Wertpapiere auszuweiten. Derzeit kaufen die Zentralbanken des Euroraums monatlich Anleihen für 80 Milliarden Euro.
Zugleich deuten Konjunkturdaten auf eine recht gut laufende Wirtschaft hin, die Inflation beginnt anzuziehen, und EZB-Offizielle diskutieren verstärkt die negativen Nebenwirkungen anhaltend niedriger Zinsen. Für Aufregung sorgte ein wohl fehlinterpretierter Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg über eine schrittweise Reduzierung des Ankaufvolumens (Tapering).
Analysten spekulieren weiter über Änderung von Ankaufparametern
Bisher hat die EZB nicht zu erkennen gegeben, wie sie das Problem der aufkommenden Anleiheknappheit zu lösen gedenkt. Volkswirte erwägen seit längeren das Für und Wider bestimmter Maßnahmen - von der Streichung des Verbots, Anleihen mit Renditen unterhalb des EZB-Einlagensatzes zu kaufen, über ein Abgehen vom EZB-Kapitalschlüssel als Ankaufkriterium bis zur Streichung von Emissions- oder Emittentenobergrenzen.
Am ehesten denkbar wäre eine Anhebung des Emissionslimits bei Anleihen, die noch nicht über so genannte Collective Action Clauses (CACs) verfügen. CACs sind Klauseln, die eine Änderung einzelner Anleihebedingungen von der Zustimmung der Mehrheit der Gläubiger abhängig machen und die im Falle der mehrheitlichen Zustimmung für sämtliche Anleihegläubiger bindend sind. Bei CAC-Anleihen liegt die Sperrminorität bei 33 Prozent.
Draghi dürfte zu QE-Parametern noch nichts sagen
Da den Zentralbanken des Euroraums die monetäre Staatsfinanzierung untersagt ist, müssten sie, sollte ein Staat in Zahlungsschwierigkeiten geraten, in der Gläubigerversammlung gegen einen Forderungsverzicht stimmen. Sie würden so eine womöglich wünschenswerte Schuldenrestrukturierung verhindern. Bei Anleihen ohne diese Klausel, die bis etwa 2013 begeben wurden, gäbe es diese Schwierigkeit jedoch nicht. Hier könnte (oder müsste) die Zentralbank eine Umschuldung erst ab 50 Prozent der Stimmanteile verhindern.
Dass die EZB zu diesem Thema Aussagen machen wird, glaubt inzwischen kaum ein Analyst mehr - obwohl das ein eleganter Weg wäre, die Entschlossenheit der EZB glaubhaft zu machen, ihr Programm zu verlängern. Manche Beobachter sehen da durchaus einen Zusammenhang. Sie sagen: Dass die EZB die quantitative Lockerung (QE) bisher nicht verlängert hat und im Oktober wohl keine konkreten Hinweise darauf geben wird, bedeutet: Es gibt diese Entschlossenheit gar nicht. Da hilft auch der Hinweis von EZB-Vizepräsident Vitor Constancio nicht, dass die beauftragten Experten noch bis Dezember brauchen, um Vorschläge auszuarbeiten.
Tapering-Diskussion trotz Dementi nicht ausgeschlossen
Wohl auch deshalb löste kürzlich eine Bloomberg-Meldung über einen "informellen Konsens" zum Tapering im Falle eines Ausstiegs aus der ultralockeren Geldpolitik einen deutlichen Renditeanstieg am Anleihemarkt aus. Da auch die jüngsten Konjunkturdaten positiv überrascht haben, die Inflation wie erwartet aufgrund von Basiseffekten anzieht und EZB-Offizielle kritische Bemerkungen zu den negativen Nebenwirkungen anhaltend niedriger Zinsen machen, rechnen manche Beobachter mit heftigen Tapering-Diskussionen im Rat.
Allerdings: Diskussionen sind das eine, sie offiziell zu bestätigen etwas anderes. EZB-Präsident Draghi dürfte in der Pressekonferenz seine ganze Energie aufbieten, um die Tapering-Story aus dem Markt zu nehmen. Beobachter halten die Wahrscheinlichkeit starker Verluste am Anleihemarkt infolge der EZB-Ratssitzung dieses Mal für nicht so groß wie im September.
FRANKFURT (Dow Jones)Weitere Links: