01.12.2019 16:18:44

Zukunft der großen Koalition nach SPD-Entscheid ungewiss

Von Andreas Plecko

BERLIN/FRANKFURT (Dow Jones)--Die Zukunft der großen Koalition ist ungewiss, nachdem sich die SPD-Basis für Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans als neue Parteichefs ausgesprochen hat. Die designierten Parteichefs kündigten an, dass der SPD-Parteitag am kommenden Wochenende anhand von Sachfragen entscheiden soll, ob die Koalition mit der Union fortgeführt wird. Politiker von CDU und CSU riefen das neue Spitzenteam auf, das Bündnis fortzusetzen. Linke und Grüne boten Esken und Walter-Borjans eine Zusammenarbeit an, die FDP sieht die SPD im "freien Fall".

Außenstaatsminister Michael Roth (SPD) kritisierte die Forderungen von Esken und Walter-Borjans. "Die Wahlsieger haben die Fortsetzung der GroKo an Bedingungen geknüpft, die kaum zu erfüllen sein werden", sagte Roth dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Ich bin gespannt, was unsere neue Führung dem Bundesparteitag vorschlagen wird." Enttäuschungen sind programmiert, schließlich könne es jetzt nicht einfach so weitergehen wie bisher.

CDU-Vize Julia Klöckner schloss eine Überarbeitung des Koalitionsvertrags, wie von den designierten SPD-Vorsitzenden gefordert, kategorisch aus. "Ein einseitiges Nachverhandeln, nur weil die SPD-Spitze gewechselt hat, wird es mit der Union nicht geben", sagte die Bundeslandwirtschaftsministerin den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Auch wir haben unsere Überzeugungen, für die wir gewählt worden sind. Wir sind vertragstreu und werden jetzt nicht mehr Geld ausgeben als erwirtschaftet wurde."

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) warnte die designierte neue SPD-Führung vor einem Linksruck in der Finanzpolitik. "Die Bundesregierung hat sich zur schwarzen Null bekannt", sagte Altmaier dem Handelsblatt. "Die Zusage, keine neuen Schulden zu machen, war eines der wichtigsten Versprechen der Union im Wahlkampf."

Die CSU sieht auch nach der überraschenden Wahl der SPD-Basis für die neue Doppelspitze keinen Grund, das Berliner Regierungsbündnis infrage zu stellen. "Wir stehen zu dieser großen Koalition und wollen die Regierungszusammenarbeit mit der SPD fortsetzen", sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt der Augsburger Allgemeinen. "Wir haben einen bestehenden Koalitionsvertrag, der dafür die Grundlage bietet."

Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) sieht die SPD "im freien Fall". Kubicki sagte der Welt am Sonntag: "Wir bereiten uns auf Neuwahlen vor oder den Zerfall der CDU, wenn sie den weiteren zu erwartenden Forderungen der Sozialdemokraten nachgeben."

FDP-Chef Christian Lindner befürchtet nach der Wahl der neuen SPD-Führungsspitze und der zu erwartenden Neuausrichtung der Partei eine "große Koalition um jeden Preis". Lindner sagte der Neuen Osnabrücker Zeitung: "Ich warne die Union, sich den Fortbestand der Groko durch weitere teure Geschenke an die SPD zu erkaufen". Die Bildung einer Minderheitsregierung oder Neuwahlen seien denkbare Alternativen.

Die Linke forderte die SPD auf, neue Bündnisse zu erwägen. "Unser Land braucht eine sozial-ökonomische Wende und das geht nur mit Mehrheiten links der Union", erklärte Parteichefin Katja Kipping.

Die Grünen-Parteichefs Annalena Baerbock und Robert Habeck sowie die Fraktionsvorsitzenden Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter gratulierten Walter-Borjans und Esken: "Wir wünschen ihnen viel Erfolg und freuen uns auf eine faire, sachliche und konstruktive Zusammenarbeit."

Die AfD sagte ein Ende der großen Koalition voraus. "Das wird zerbrechen", meinte AfD-Chef Jörg Meuthen. Mit der Personalentscheidung der SPD "sind vorgezogene Neuwahlen ein großes Stück wahrscheinlicher geworden".

(Mit APF-Material)

Kontakt zum Autor: konjunktur.de@dowjones.com

DJG/apo

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December 01, 2019 10:19 ET (15:19 GMT)

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