23.01.2015 15:55:48
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WOCHENAUSBLICK: Griechenland-Wahl wird zur neuen Nervenprobe für die Anleger
FRANKFURT (dpa-AFX) - Am Aktienmarkt ist derzeit von Verschnaufpause keine Spur: Kaum hat die Geldflut der Europäischen Zentralbank (EZB) den DAX in zuvor nie gekannte Höhen gehievt, sind nun alle Augen auf Griechenland gerichtet. Der voraussichtliche Sieg des europakritischen Linksbündnisses Syriza bei den vorgezogenen Parlamentswahlen weckt Sorgen, dass die fast schon überwunden geglaubte Eurokrise den Markt noch einmal ordentlich durchschütteln könnte.
"Alles andere als ein Wahlsieg von Syriza wäre eine große Überraschung", schrieb Analyst Christoph Weil von der Commerzbank. Möglicherweise reiche es sogar für eine absolute Mehrheit der Sitze im Parlament. Ein solcher Wahlausgang würde in Brüssel und an den Finanzmärkten sicherlich mit gemischten Gefühlen aufgenommen. Denn das Linksbündnis habe sich auf die Fahnen geschrieben, einen Teil der Reformen zurückzurollen und den Sparkurs zu lockern. Doch Weil beruhigte: Auch bei einem solchen Wahlausgang sei das Risiko eines Austritts Griechenlands aus dem Euro gering.
NEUE ATHENER REGIERUNG MUSS SICH DEN REALITÄTEN STELLEN
Denn nach den Wahlkampfreden muss sich eine neue Regierung in Athen - so sie überhaupt rasch zustande kommt - den Realitäten stellen. Deshalb verwundert es kaum, dass der Syriza-Vorsitzende Alexis Tsipras inzwischen weniger von einem neuen Schuldenschnitt redet. Dieser indes würde nun vor allem zu Lasten der europäischen Staaten und Steuerzahler gehen.
Damit könnte die Parlamentswahl in Athen recht glimpflich an den Märkten vorbeigehen. In diesem Fall dürften sich die Anleger weiter mit Enthusiasmus "der Geldillusion hingeben", wie Chefvolkswirt Stefan Bielmeier von der DZ Bank das massive Anleihekaufprogramm der EZB zur Stützung der Wirtschaft kommentierte. Insofern bleiben Experten trotz der Unsicherheit um Griechenland optimistisch gestimmt: "Dax-Anleger können sich freuen, der Markt liefert ein Rekordhoch nach dem anderen", sagte Marktbeobachterin Sarah Brylewski vom Handelshaus Ayondo.
WARNUNG VOR ZU VIEL EUPHORIE
Die gegenwärtige Hochstimmung begründet Chefvolkswirt Ulrich Kater von der Dekabank so: "Die Geldpolitik der EZB führt schlichtweg zu höherer Attraktivität von Aktien." Denn durch das Überangebot an Liquidität sinkt der Preis des Geldes, also der Zins. Wer auf Anleihen, Festgeld oder Lebensversicherungen setzt, schaut deshalb in die Röhre, weil diese in Zukunft noch weniger Rendite abwerfen als eh schon. Das treibt immer mehr Anleger in die Aktienmärkte.
Doch zumindest kurzfristig sollte man sich von der Euphorie nicht blenden lassen, meinte Brylewski. So habe der deutsche Leitindex 1000 Punkte am Stück ohne nennenswerten Rücksetzer zugelegt, und das vor allem wegen des immer schwächeren Euro und des frischen Notenbankgeldes von EZB-Präsident Mario Draghi. Die Wirtschaftsdaten aus China und anderen Schwellenländer hingegen seien nicht rosig und könnten damit wieder für Rücksetzer am Aktienmarkt sorgen.
IFO-GESCHÄFTSKLIMAINDEX AM MONTAG
Ob die Wirtschaft wenigstens in den Industriestaaten relativ rund läuft, können Anleger im Laufe der neuen Woche beurteilen. Bereits am Montag steht mit Blick auf Deutschland der Ifo-Geschäftsklimaindex für Januar auf der Agenda. Dieser könnte laut den Experten der Commerzbank den Aktienmarkt ebenso stark bewegen wie zwei andere wichtige Konjunkturmeldungen aus den USA: So werden am Dienstag die Auftragseingänge langlebiger Güter veröffentlicht, bevor am Freitag Zahlen zum Wirtschaftswachstum anstehen.
Von dem Zinsentscheid der US-Notenbank Fed am Mittwochabend hingegen erwarten Experten kaum Impulse. Die Währungshüter dürften laut Analystin Claudia Windt von der Landesbank Helaba zwar auf Zinserhöhungskurs bleiben, dies jedoch ein paar Tage nach der Parlamentswahl in Griechenland noch nicht offensiv vertreten.
SIEMENS AM DIENSTAG MIT ZAHLEN
Davon abgesehen zieht hierzulande die Berichtssaison der Unternehmen langsam wieder an. Nach Auffassung der Analysten der Weberbank könnten die Manager nun ein klareres Bild ihrer Erwartungen für 2015 zeichnen als zuletzt. In diesem Zusammenhang dürfte der Ölpreis eine wichtige Rolle spielen. Das billige Öl sollte viele Unternehmen, aber auch die Verbraucher entlasten. Zusätzlicher Rückenwind komme für alle europäischen Exporteure vom schwachen Euro, der die Produkte günstiger mache und damit die internationale Wettbewerbsfähigkeit erhöhe. Die Chancen stünden deshalb gut für positive Unternehmensausblicke und steigende Aktienkurse insbesondere in Europa.
Bereits am Dienstag präsentiert der Industriekonzern Siemens frische Quartalszahlen. Am Donnerstag folgen mit der Deutschen Bank (Deutsche Bank) und dem Halbleiterhersteller Infineon (Infineon Technologies) zwei weitere Unternehmen aus dem Dax. Am selben Tag öffnet auch der im TecDAX notierte Technologiekonzern JENOPTIK seine Bücher./la/he
--- Von Lutz Alexander, dpa-AFX ---
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