Typische "Short-Attacke" 24.02.2016 15:47:41

Wirecard-Aktie stürzt ab: Zweifelhafter Research-Bericht belastet

Händler verwiesen auf einen Bericht im Internet von einem bisher unbekannten Research-Dienst, der sehr negativ ausfalle. Das Papier brach an der Frankfurter Börse zeitweise um annähernd 24 Prozent auf 32,00 Euro ein - das ist der niedrigste Kurs seit November 2014. Der Börsenwert sackte damit in der Spitze um 1,3 Milliarden Euro ab. Experten sprachen von wilden Spekulationen und einer erneuten "Short-Attacke", bei der Geld mit fallenden Kursen verdient wird. Wirecard ist laut Händlern wegen des Geschäftsmodells und des rasanten Kursanstiegs in den vergangenen Jahren anfällig für Angriffe dieser Art. Der TecDAX wurde von dem Schwergewicht zeitweise mit mehr als 4,5 Prozent ins Minus gezogen.

Nach einem Dementi des Konzerns erholte sich der Kurs wieder etwas. Zudem kaufte Unternehmenschef Markus Braun während der heutigen Turbulenzen weitere Aktien von Wirecard im Wert von 4,3 Millionen Euro. Am frühen Nachmittag stand aber noch ein Minus von annähernd zwölf Prozent auf dem Kurszettel. Bis zum frühen Nachmittag sind auf Xetra schon fast 5,5 Millionen Papiere gehandelt worden - so viel wie seit mehreren Jahren nicht mehr. Am gesamten Vortag waren lediglich 617.069 Papiere gehandelt worden.

Wirecard leitet rechtliche Schritte ein

Das war am Vormittag passiert: Der bisher unbekannte Research-Dienst Zatarra, dessen Internetseite erst vor wenigen Tagen am 17. Februar registriert worden war, hatte schwere Vorwürfe gegen Wirecard erhoben. Die "Financial Times" hatte in ihrem Internet-Blog FTAlphaville den Zatarra-Bericht aufgegriffen. Die Aufmerksamkeit am Markt schnellte hoch und die Aktie brach bei hohen Umsätzen ein.

Der Zahlungsabwickler wehrte sich kurz danach gegen die neuen Vorwürfe zu seinen Geschäftspraktiken. Anschuldigungen gegen Wirecard und seine Mitarbeiter in dem herumgereichten Papier seien verleumderisch und gänzlich unwahr, teilte der Konzern mit. Rechtliche Schritte gegen den "dubiosen" Urheber seien eingeleitet. "Wir nehmen an, dass die Verbreitung des Berichts unseren Aktienkurs negativ beeinflussen sollte", sagte eine Sprecherin.

Klassische Attacke von Leerverkäufern

"Wirecard ist wieder einmal das Opfer von wilden Spekulationen", sagte Händler Andreas Lipkow vom Vermögensverwalter Kliegel & Hafner. Anleger hätten ein Deja-Vu-Erlebnis von vor einigen Jahren als die Aktie ebenfalls im Fokus von professionellen Shortsellern stand.

Ein anderer Experte, der nicht gekannt werden wollte, verwies auf die am Markt immer wieder auftauchenden Berichte von verschiedenen Häusern, die sich in einzelnen, nicht regelmäßigen Studien mit Wirecard befassen. Nach der Erklärung des Unternehmens zum aktuellen Bericht sehe er keinen Anlass für Zweifel an Wirecard. Überwiegend würden sehr alte Vorwürfe aufgegriffen. Diese müssten Kreditkartenunternehmen, die Kunden des Zahlungssysteme-Anbieters sind, bekannt sein. Sie zögen aber keine Konsequenzen.

"Ein Klassiker", sagte ein Börsianer. Wirecard sei in der Vergangenheit schon des Öfteren ein solches Angriffsziel von Anlegern gewesen, denen ein Stimmungsdämpfer zu Gute kommt. Leerverkäufer leihen sich von anderen Händlern Papiere, um diese zu verkaufen und später billiger wieder zu kaufen. Zuletzt hatten Händler Anfang Februar von einer solchen "Short-Attacke" gesprochen, als Berichte über einen Systemausfall für Unsicherheit gesorgt hätten.

Trotz SdK & Co. 1.500 Prozent Plus seit Anfang 2006

Die aufsehenerregendste Attacke gegen Wirecard waren im Sommer 2008 Untersuchungen der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) über angeblich irreführende Bilanzierungsmethoden. Wirecard hatte diese über ein Sondergutachten von Ernst & Young entkräftet. Zudem wurde bekannt, dass einige SdK-Mitglieder auf fallende Wirecard-Kurse gesetzt hatten. Zwei Jahre danach sorgte eine Falschmeldung eines Internetportals für heftige Kursverluste. Langfristig haben die immer wieder auftauchenden Attacken, Gerüchte und Spekulationen den Aufschwung des Unternehmens am Aktienmarkt nicht geschadet. In den vergangenen zehn Jahren legte der Kurs trotz der jüngsten Verluste rund 1.500 Prozent zu.

/fat/zb

FRANKFURT (dpa-AFX)

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