Jahresabschluss 2017 |
20.11.2019 17:48:00
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Wirecard-Aktie sackt ab: Kein Testat für singapurische Wirecard-Tochter - Wirecard sieht keine Unregelmäßigkeiten
Der Konzern führte das auf dort laufende Ermittlungen rund um bereits früher im Jahr bekanntgewordene Bilanzierungsprobleme zurück, weswegen Dokumente nicht für die Wirtschaftsprüfer zugänglich gewesen seien. Für den testierten Konzernabschluss insgesamt sei das aber irrelevant.
"Aufgrund der Einschränkungen durch die Ermittlungen (und nicht wie fälschlich in dem Artikel suggeriert durch Unregelmäßigkeiten) in Singapur waren Dokumente teilweise nicht zugänglich, sodass sich der lokale Prüfer auf Basis geltendem lokalen Rechnungslegungsstandard kein abschließendes Prüfungsurteil bilden konnte", teilte Wirecard am Mittwoch mit.
"Für die Wirecard-Gruppe ist der Konzernabschluss nach IFRS maßgebend. Dieser wurde für die Geschäftsjahre 2017 und 2018 von Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft geprüft und uneingeschränkt testiert", hieß es weiter. Die Einschränkungen der Einzelprüfung in Singapur seien für die Prüfung des Konzernabschlusses nicht relevant. Sämtliche Veröffentlichungspflichten seien ordnungsgemäß eingehalten worden.
Das "Handelsblatt" hatte zuvor unter Berufung auf Dokumente im Register der Finanzaufsicht Acra in Singapur berichtet. Die Prüfer schrieben dem Blatt zufolge zu dem Einzelabschluss in Singapur 2017: "Wir können weder die Angemessenheit, Vollständigkeit und Richtigkeit des Jahresabschlusses feststellen, noch können wir den Umfang möglicher Anpassungen abschätzen, die (...) erforderlich sein könnten." Auch die Prüfer hätten auf fehlende Dokumente verwiesen, weil die Untersuchungen der Finanzaufsicht CAD zu Bilanzfälschungsvorwürfen andauerten. Zudem hätten sie "keine ausreichenden Erklärung für bestimmte Buchhaltungsunterlagen und Transaktionen erhalten".
Wirecard steht seit geraumer Zeit unter Beschuss, vor allem die britische "Financial Times" ("FT") veröffentlicht rund um das Unternehmen aus Aschheim bei München seit längerem kritische Berichte. Ende Januar sorgte ein Artikel zu Unregelmäßigkeiten und möglichen Scheinbuchungen in Singapur dafür, dass der Aktienkurs binnen gut einer Woche um fast die Hälfte abstürzte. Wirecard musste nach der Prüfung durch eine beauftragte Anwaltskanzlei kleinere Buchungsfehler wegen "Qualitätsmängeln" einräumen, sah sich aber vom Vorwurf systematischer Falschbuchungen entlastet.
Dennoch könnten sich in Singapur Mitarbeiter strafbar gemacht haben, die Behörden im Land ermitteln noch. In Deutschland gehen die Staatsanwaltschaft München und die Finanzaufsicht Bafin dem Verdacht nach, dass Wirecard einer von Spekulanten orchestrierten Aktion zum Opfer gefallen sein könnte, mit der sogenannte Leerverkäufer an sinkenden Aktienkursen verdienen wollen - wie es auch schon in der Vergangenheit der Fall war. Nach Ansicht des Unternehmens könnten Verantwortliche der "FT" mit den Shortsellern unter einer Decke stecken, Wirecard geht rechtlich gegen die Zeitung vor. Diese wiederum sieht sich nach eigens in Auftrag gegebenen Untersuchungen von diesem Vorwurf entlastet.
Wirecard hat nach neuerlichen Vorwürfen in der britischen Wirtschaftszeitung zu angeblichen Scheinbuchungen bei Töchtern in Dubai und Irland eine Sonderprüfung der Bilanzen eingeleitet, neben dem regulären Wirtschaftsprüfer EY durchleuchten nun auch die Spezialisten von KPMG die Bücher des Unternehmens. Laut Finanzchef Alexander von Knoop dauert die Sonderprüfung bis voraussichtlich Ende des ersten Quartals 2020. Danach sollen die Ergebnisse in einem Bericht veröffentlicht werden.
"Wir gehen davon aus, dass die erneute unabhängige Prüfung dazu führt, alle weiteren Spekulationen endgültig zu beenden", sagte Aufsichtsratschef Wulf Matthias dazu. Vorstandschef Markus Braun zeigte sich zuletzt überzeugt, dass durch die Untersuchung das Vertrauen in das Geschäft gestärkt werde. Schon jetzt könne Wirecard nach eigenen Untersuchungen sagen, dass alle in den Unternehmensberichten von 2016 bis 2018 verbuchten Kundenbeziehungen und die Umsatzerfassung korrekt seien, sagte er vor zwei Wochen bei der Vorlage von Quartalszahlen.
Wirecard-Aktien brechen ein
Der Kurs von Wirecard ist am Mittwoch ein weiteres Mal wegen Zweifeln an den Bilanzierungspraktiken unter Druck geraten. Allerdings fiel der Abschlag nach relativierenden Aussagen des Zahlungsdienstleisters geringer aus als vorbörslich noch mit minus 8 Prozent befürchtet. Im Xetra-Handel reduzierten sie ihr Minus bis Handelsschluss auf nur noch 3,30 Prozent bei 117,25 Euro.
Unter Börsianern wurde der am Vorabend bereits veröffentliche "Handelsblatt"-Bericht zuerst klar negativ gesehen. Die Tochter in Singapur sei zwar nur eine kleine Einheit und die mit ihrer Bilanzierung erhobenen Vorwürfe altbekannt, der Bericht lasse aber erneut Bedenken um die Transparenz des Unternehmens aufkommen, sagte ein Händler in einer ersten Reaktion.
Auch DZ-Bank-Experte Harald Schnitzer sprach in einem Kommentar davon, dass die Anleger besorgt seien wegen der anhaltenden Vorwürfe gegen das schnell wachsende Unternehmen. Seiner Einschätzung nach ist es unabdinglich, dass Wirecard seine Rechnungslegungstandards verbessert, um wieder mehr Klarheit und Glaubwürdigkeit zu schaffen.
Den Vertrauensverlust bei den Anlegern spiegelt der Wirecard-Kurs bis heute wider: Das 170-Euro-Niveau vom Januar dieses Jahres - bevor Berichte der "Financial Times" die jüngsten Turbulenzen in Gang brachten - haben die Anteile bis heute nicht wieder erreicht. Trotz zahlreicher Erholungsansätze bedeutet der aktuelle Kurs von 116,50 Euro seither noch immer ein Minus von mehr als 30 Prozent. Immer wieder sorgten Berichte wie an diesem Mittwoch für Rückschläge.
DÜSSELDORF (dpa-AFX)
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