Wirecard-Skandal 01.09.2020 20:04:00

Wirecard-Aktie dreht ins Plus: Opposition einig über Wirecard-Untersuchungsausschuss - DWS trennt sich von EY

Wirecard-Aktie dreht ins Plus: Opposition einig über Wirecard-Untersuchungsausschuss - DWS trennt sich von EY

Nach AfD, FDP und Linke sprachen sich nun auch die Grünen dafür aus, wie der Grünen-Abgeordnete Danyal Bayaz am Dienstag nach einer Sondersitzung des Finanzausschusses in Berlin sagte. FDP, Linke und Grüne haben zusammen die nötige Stimmenzahl für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses und wollen gemeinsam abstimmen.

"Trotz der vielen Sondersitzungen und trotz der vielen Fragenkataloge hat es die Bundesregierung nicht geschafft, den Fall Wirecard lückenlos und gründlich aufzuarbeiten", sagte Bayaz. Seine Fraktionskollegin Lisa Paus sprach von einem "regelrechten Abgrund beim Thema Lobbyismus beim Kanzleramt".

Um einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, muss ein Viertel der 709 Abgeordneten im Bundestag zustimmen - FDP, Grüne und Linke haben zusammen 216 Sitze. Auf die Stimmen der AfD wollen sich die anderen drei Fraktionen nicht stützen.

"Die Menschen erwarten zu Recht, dass der Staat sie vor schwerster Kriminalität schützt, aber sie bedürfen eben auch des Schutzes vor politischen Entscheidungsträgern, die erst wegschauen und sich hinterher wegducken", sagte der FDP-Abgeordnete Florian Toncar.

Untersuchungsausschüsse können Zeugen und Sachverständige laden und Akteneinsicht verlangen. Die Ermittlungen sind allerdings zeitaufwendig, und die Zeit für den Wirecard-Ausschuss, der wegen der Bundestagswahl im kommenden Herbst wohl allenfalls bis zur Sommerpause arbeiten könnte, ist kurz.

Ziel sei es, sich mit Linken und Grünen so schnell auf einen Arbeitsauftrag für den Ausschuss zu einigen, dass dieser schon in der kommenden Woche in den Bundestag eingebracht werden könne, sagte Toncar. Der Linken-Abgeordnete Fabio De Masi erwartet, dass es so kommt: "Wir können uns sehr zügig hier verständigen."

Im Juni hatte der inzwischen insolvente Zahlungsdienstleister Luftbuchungen von 1,9 Milliarden Euro eingeräumt. Die Münchner Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass Wirecard seit 2015 Scheingewinne auswies, und ermittelt wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs. Der Schaden für die kreditgebenden Banken und Investoren könnte sich auf 3,2 Milliarden Euro summieren.

Es gehe nicht allein um Wirecard, sondern angesichts der Tatsache, dass immer mehr Menschen bargeldlos bezahlten, auch um neue digitale Geschäftsmodelle insgesamt, sagte De Masi. Wenn man zu dem Ergebnis komme, dass niemand über mögliche Geldwäsche wache und Bilanzen kontrolliere bei diesen "neuen digitalen Tankern", so könne das nicht beruhigen. Die Ausführungen von Bafin-Chef Felix Hufeld im Aussschuss hätten ihn nicht überzeugt: Dieser habe wiederholt, dass Wirecard als Technologiekonzern einzustufen gewesen sei und damit nicht in den Bereich der Finanzaufsicht falle. Andere europäische Aufsichtsbehörden hätten bei vergleichbaren Unternehmen aber anders entschieden.

Widerspruch zu einem Untersuchungsausschuss war auch aus den Fraktionen der Regierungsparteien CDU, CSU und SPD nicht zu vernehmen. "Wir würden natürlich auch sehr gerne mit Verantwortlichen der Wirecard sprechen", kündigte der SPD-Abgeordnete Jens Zimmermann an. Es handle sich "um bandenmäßigen Betrug, um höchst kriminelle Handlungen" - aber eben auch um ein Versagen verschiedenster staatlicher Institutionen auf unterschiedlichen Ebenen, die den Skandal nicht verhindert hätten.

"Wir müssen feststellen, dass die Wirecard AG das Hauptziel verfolgt hat, möglichst viele Tele des Unternehmen aus der Finanzaufsicht herauszuhalten", sagte der CSU-Abgeordnete Hans Michelbach. Zum Skandal insgesamt sagte er: "So etwas darf in Deutschland nie mehr passieren."

Der AfD-Abgeordnete Kay Gottschalk erklärte, seine Fraktion sehe dem Ausschuss mit Spannung entgegen, "denn Aussagen unter Eid fördern meist ganz neue Ergebnisse zu Tage". Er kündigte an: "Wir werden alles tun, damit dieser Fall bis ins letzte Detail aufgeklärt wird." Die AfD beansprucht den Vorsitz des Ausschusses. Turnusmäßig wäre die Fraktion nach parlamentarischen Gepflogenheiten nun am Zug.

Zentrale Fragen bei der politischen Aufarbeitung sind, wann genau die Bundesregierung von Unregelmäßigkeiten wusste und ob sie zu wenig dagegen unternommen hat. Im Fokus stehen besonders die Finanzaufsicht Bafin, die dem Finanzministerium untersteht, sowie Rechnungsprüfungsgesellschaften, die Wirecard jahrelang prüften und in den Zuständigkeitsbereich des Wirtschaftsministeriums fallen./hrz/DP/jha

Abgeordnete: Verdachtsmeldungen zu Wirecard versandeten in Bayern

Verdachtsmeldungen der Anti-Geldwäsche-Einheit des Zolls zu Wirecard versandeten nach Einschätzung von Abgeordneten bei der dortigen Staatsanwaltschaft. Diese weist die Kritik zurück. Anfang 2019 habe die so genannte Financial Intelligence Unit (FIU) des Zolls zwei "sehr werthaltige" Meldungen an das Landeskriminalamt Bayern gemacht, sagte der SPD-Abgeordnete Jens Zimmermann am Dienstag in Berlin am Rande einer zweitägigen Sondersitzung des Finanzausschusses zu Wirecard.

Dabei ging es Zimmermann zufolge um Wirecard-Vorstände, die in merkwürdige Transaktionen verwickelt gewesen sein sollten. Diese "Smoking Gun" sei aber dann von der Staatsanwaltschaft offenbar nicht weiter verfolgt worden. "Das ist natürlich ein Punkt, der schon aufhorchen lässt", sagte Zimmermann, der von einer "heißen Spur" sprach.

Die Staatsanwaltschaft München I wies die Kritik am Dienstag zurück. Es sei "keinesfalls zutreffend", dass Geldwäscheverdachtsmeldungen bei ihr versandet seien. Nach einer Ende Februar 2019 eingegangenen Verdachtsmeldung sei umgehend ein Prüfverfahren eingeleitet worden. Im Dezember 2019 sei es aber nach "umfangreichen Ermittlungen" abgeschlossen worden, da kein Anfangsverdacht für eine begangene Straftat habe hergeleitet werden können.

Damals habe es keine Hinweise darauf gegeben, dass Bilanzsumme und Umsätze bei Wirecard aufgebläht worden seien, heißt es von der Staatsanwaltschaft. Diese Erkenntnis habe erst gewonnen werden können, nachdem der Wirtschaftsprüfer EY und Wirecard das Testat versagt habe. Das Ermittlungsverfahren wurde demnach zwischenzeitlich wieder aufgenommen.

Bei einer weiteren Verdachtsmeldung im Juni 2019 habe es keinen Anfangsverdacht auf in Deutschland oder unter Beteiligung von Deutschen begangene Straftaten gegeben, erklärte die Staatsanwaltschaft. Daher wurde kein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Ein Prüfverfahren zu der Verdachtsmeldung wurde noch nicht abgeschlossen.

Kritik an der Staatsanwaltschaft kommt auch vom FDP-Abgeordneten Florian Toncar. Er bemängelte, das Verfahren sei viel zu schnell eingestellt worden. "Hätte man da ernsthafter weiter ermittelt, hätte man vielleicht auch Zweifel bekommen insgesamt an den handelnden Personen bei Wirecard" - und auch Berichte über Marktmanipulationen wären dann in anderem Licht erschienen.

Wegen Wirecard-Skandal: DWS will an KPMG als Wirtschaftsprüfer festhalten

Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY kann wegen ihrer Rolle im Wirecard-Skandal doch nicht auf ein Engagement bei der Deutsche Bank-Fondstochter DWS hoffen. Statt dessen schlägt der Aufsichtsrat den Aktionären vor, auf der Hauptversammlung erneut den Konkurrenten KPMG als Wirtschaftsprüfer zu ernennen, wie ein DWS-Sprecher am Dienstag mitteilte. "Diese Entscheidung wurde vorsorglich, einvernehmlich und unter sorgfältiger Abwägung getroffen, um mögliche zukünftige Konflikte zu vermeiden, die sich aus EYs Rolle als Abschlussprüfer der Wirecard AG ergeben können."

Fonds der DWS hatten mit dem Geld ihrer Kunden stark in Wirecard-Aktien investiert. Die Fondsgesellschaft hatte deshalb bereits im Juni mit Klagen gegen Wirecard und dessen ehemaligen Chef Markus Braun gedroht.

KPMG agiert bereits seit dem Börsengang von DWS im Jahr 2018 als deren Wirtschaftsprüfer. Bei Wirecard hatte KPMG zuletzt in einer langwierigen Sonderprüfung Ungereimtheiten in der Bilanz aufgedeckt. Zuvor hatte Konkurrent EY Jahr für Jahr die Wirecard-Bilanzen testiert. Im Juni verweigerte EY Wirecard jedoch das Testat für die 2019er Bilanz. Wirecard räumte daraufhin Luftbuchungen in Höhe von 1,9 Milliarden Euro ein und meldete Insolvenz an. Der Aktienkurs brach ein.

Inzwischen sind sowohl Ex-Wirecard-Chef Braun, der Aufsichtsrat von Wirecard als auch EY mit Klagen und Klagedrohungen wütender Anleger konfrontiert. Braun sitzt in Untersuchungshaft. Der ebenfalls beschuldigte ehemalige Chef des Tagesgeschäfts, Jan Marsalek, ist derzeit nicht auffindbar.

Die Wirecard-Aktie legte am Dienstag via XETRA letztlich um 15,81 Prozent zu, kostete damit aber dennoch nur 0,718 Euro.

BERLIN/MÜNCHEN (dpa-AFX)

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Bildquelle: CHRISTOF STACHE/AFP/Getty Images,Wirecard AG

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