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Betrügereien im Blick 18.10.2021 06:20:00

Wirecard & Co.: Welche Finanzskandale 2020 die Börse durchschüttelten

Wirecard & Co.: Welche Finanzskandale 2020 die Börse durchschüttelten

• Wirecard-Skandal geht in die Geschichte ein
• Luckin Coffee-Manager trickst beim Umsatz
• Hedgefonds decken auf, was der Aufsicht entgeht

Auch im Jahr 2020 haben sich einige Akteure in der Finanzindustrie nicht unbedingt mit Ruhm bekleckert. Das prominenteste Beispiel in diesem Zusammenhang ist natürlich der Fall Wirecard. Das ehemalige Zahlungsdienstleistungsunternehmen aus Aschheim bei München war 2020 jedoch nicht der einzige Konzern, welcher mit fragwürdigen Geschäftspraktiken auf sich aufmerksam gemacht hat.

Das Wirecard-Drama

Schon im April 2015 beginnt die britische Finanzzeitung Financial Times, kritische Berichte über die Machenschaften von Wirecard zu veröffentlichen. Unter dem Titel "House of Wirecard" veröffentlichte die Zeitung zwischen 2015 und 2020 mehrere Artikel, in denen dem Unternehmen aus Aschheim Korruption, Betrug und Geldwäsche vorgeworfen wurde. Was zu Beginn niemand wirklich ernst nehmen wollte, entwickelte sich über die Monate schnell zu einem umfangreichen Skandal.

So war spätestens im Jahr 2020 klar, dass es sich bei den Veröffentlichungen der Financial Times nicht um eine Schmierkampagne gehandelt hat, sondern vielmehr um eine umfassende Enthüllung, welche die kriminelle Energie des Unternehmens offenlegte.

Der Super-Gau rund um Wirecard ereignete sich dann am 18. Juni 2020. An diesem Tag meldete die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young, nur wenige Stunden vor der angedachten Bilanzpressekonferenz, dass sie keinen Nachweis über die Existenz von Bankguthaben in Höhe von insgesamt 1,9 Milliarden Euro finden konnten. Diese 1,9 Milliarden Euro entsprachen zum Zeitpunkt der Veröffentlichung rund einem Viertel der gesamten Konzernbilanzsumme.

Diese verheerende Nachricht sorgte damals unmittelbar dafür, dass die Aktien des ehemaligen DAX-Vorzeigekonzerns an der Börse innerhalb von Minuten knapp 70 Prozent an Wert einbüßten. Dementsprechend trat der damalige Vorstandschef des Konzerns, Markus Braun, nur einen Tag nach dieser Mitteilung zurück. Am 25. Juni 2020 verkündete dann der Vorstand, dass das Unternehmen aufgrund einer drohenden Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung Insolvenz anmelden muss.

Während die deutsche Justiz nun drauf und dran ist, den Skandal um Wirecard aufzuklären bzw. den ehemaligen Wircard-Vorstand Jan Marsalek, welcher sich nun schon seit mehreren Monaten auf der Flucht befindet, zu fassen, bleibt für viele Kleinaktionäre nur wenig Hoffnung. Zwar können sich Anleger an diversen Musterverfahren gegen den Konzern beteiligen, die Aussichten auf Erfolg, also eine umfassende Entschädigung, sind jedoch sehr begrenzt. Denn gerade Aktionäre bzw. Teilhaber eines Unternehmens stehen im Falle einer Insolvenz auf der Seite der Verlierer.

Da es sich beim Fall Wirecard aber nicht nur um eine klassische Insolvenz handelt, sondern vielmehr um Betrug und diverse andere Rechtsverstöße, kann es, aus der Sicht eines Investors, dennoch sinnvoll sein, sich einer Anlegerschutzklage anzuschließen.

Der Fall Jeffrey Epstein

Die Geschäftsbeziehung zwischen der Deutschen Bank und dem inzwischen verstorbenen Sexualstraftäter und US-Unternehmer Jeffrey Epstein sorgte Mitte des Jahres 2020 ebenfalls für einen handfesten Skandal in der Branche. Laut der New Yorker Finanzaufsicht soll das deutsche Kreditinstitut über einen Zeitraum von mehreren Jahren unter anderem Zahlungen bzw. Transaktionen unterstützt haben, die nachweislich für kriminelle Zwecke verwendet wurden.

Die Chefin des New York State Department of Financial Services Linda Lacewell warf der Bank folglich schwere Versäumnisse vor. Die Deutsche Bank habe zwar Epsteins "furchtbare kriminelle Geschichte" gekannt, bei der Aufsicht aber versagt, so die Einschätzung der DFS-Chefin.

Zwar kooperierte die Deutsche Bank unmittelbar nach der Verhaftung ihres prominenten Kunden und bot den US-Behörden volle Unterstützung an, doch diese Einsicht kam zu spät. "Unser Ruf ist unser wertvollstes Gut, und wir bedauern unsere Verbindungen zu Epstein zutiefst. […] Es war ein Fehler, Jeffrey Epstein 2013 als Kunden anzunehmen", hieß es in einer Mitteilung der Bank. Die späte Reue im Fall Epstein schützt die Bank dennoch nicht vor einer Strafe in Höhe von insgesamt 150 Millionen US-Dollar.

Milliardenbetrug bei Luckin Coffee

Die im Oktober 2017 in Peking gegründete Kaffeehauskette Luckin Coffee wurde schon bald nach ihrer Gründung als asiatischer Starbucks-Konkurrent gefeiert. Denn der chinesischen Kaffeekette ist es gelungen, innerhalb von nur drei Jahren insgesamt über 4.500 Filialen in China zu eröffnen. Die asiatische Kaffeekette wurde somit innerhalb kürzester Zeit zum führenden Anbieter von Kaffeegetränken in China.

Entsprechend dieser enormen Wachstumszahlen entwickelten sich auch die Anteilsscheine des Unternehmens sehr positiv. Während die Aktie, die mit Hilfe eines ADR-Programms 2019 an der Nasdaq gelistet wurde, zu Beginn ihres US-Börsendebüts noch für rund 17 US-Dollar zu haben war, kostete sie nach wenigen Monaten schon zeitweise über 55 US-Dollar.

Spätestens Anfang 2020 wurden dann jedoch Stimmen laut, die behaupteten, dass die finanziellen und operativen Zahlen des chinesischen Konzerns komplett gefälscht sind. So veröffentlichte Muddy Waters Research einen anonymen Bericht über Twitter, welcher die Betrugsmasche des Unternehmens offenlegte. Laut dem Bericht wurden die Verkaufszahlen der einzelnen Kaffeefilialen in China nämlich systematisch gefälscht und erhöht, was mit umfassenden Videoaufzeichnungen bewiesen werden konnte.

Während die Veröffentlichungen des Hedgefonds Muddy Waters Research zu Beginn noch als falsch und böswillig eingestuft wurden, stellte sich schnell heraus, dass der Luckin Coffee-COO Jian Liu tatsächlich Umsätze von insgesamt 310 Millionen US-Dollar vorgetäuscht hat.

Aufgrund dieser Unstimmigkeiten wurden die Anteilsscheine von Luckin Coffee zwischen dem 8. April und dem 20. Mai 2020 an allen US-amerikanischen und europäischen Börsen vom Handel ausgesetzt.

Veruntreuung im Vatikan

Im Jahr 2020 sind nicht nur einige Manager und Banker wegen fragwürdiger Geschäftspraktiken in Ungnade gefallen, sondern auch Geistliche. So wurde Mitte Oktober eine 39-jährige italienische Managerin festgenommen, die insgesamt 500.000 Euro Spendengelder der Kirche veruntreut haben soll.

Die Frau stand dabei im engen Kontakt mit dem kriminellen Ex-Kardinal Angelo Becciu. Der 72-jährige Kardinal wurde von Papst Franziskus höchstpersönlich beschuldigt, Gelder des Vatikans veruntreut zu haben. Mit Hilfe einer Kooperative, die von einem Bruder des Kardinals geführt wurde, soll Becciu so unter anderem Investitionen in Luxusimmobilen in London getätigt haben.

Als Präfekt der Kongregation für Heilig- und Seligsprechungen und als Stellvertreter im Staatsekretariat des Vatikans hatte der ehemalige Kardinal fast uneingeschränkten Zugang zu den Spendengeldern des in Rom gelegenen Stadtstaats.

Hedgefonds haben sich als nützlich erwiesen

Die Skandale rund um Wirecard und Luckin Coffee zeigen eindrucksvoll, dass staatliche Institutionen, egal ob die China Securities Regulatory Commission oder die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, nicht immer den 100 prozentigen Durchblick in der Branche haben.

Umso wichtiger ist es, dass gerade Hegefonds und Journalisten, natürlich auch mit einem legitimen Eigeninteresse, derartige Kontrollaufgaben wahrnehmen und übernehmen. "Luckin zeigt genau, warum wir Leerverkäufer am Markt brauchen. […] Dies ist erneut ein Weckruf an die politischen Entscheidungsträger, Aufsichtsbehörden und Investoren", so Carson Block, Gründer von Muddy Waters, in einem CNBC-Interview in Bezug auf die Daseinsberechtigung von Hedgefonds.

Denn ohne scharfsinnige Hegefondsmanager und unnachgiebige Journalisten würden Menschen wie Jian Liu und Jan Marsalek immer noch Tausende von Aktionären täuschen, betrügen und hintergehen.

Pierre Bonnet / Redaktion finanzen.at

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Bildquelle: Wirecard,rblfmr / Shutterstock.com

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