13.03.2014 12:43:00

WIIW: Kampflose Annexion der Krim durch Russland wahrscheinlich

Eine kampflose Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland ist nach Ansicht der Osteuropa-Experten des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW) das wahrscheinlichste Szenario für den Konflikt um die mehrheitlich von Russen bewohnte Region. Die wirtschaftlichen Folgen für die Länder Mittelost- und Südosteuropas wären in diesem Fall gering, so die Einschätzung.

"Die Lage ist jetzt natürlich so unsicher, dass man genaue Prognosen nicht machen kann", räumte der Russland-Experte Peter Havlik am Donnerstag bei der Präsentation der jüngsten WIIW-Konjunkturprognose für Mittel- und Osteuropa ein. Das WIIW rechnet aber nicht mit einem Krieg um die Krim und erwartet daher, dass es höchstens zu begrenzten Handelsunterbrechungen zwischen Russland und der Ukraine kommen wird.

Sollte Russland den Anschluss der Krim mit Waffengewalt erzwingen und es zu Kampfhandlungen mit der ukrainischen Armee kommen, hätte das substanzielle Effekte auf die gesamte Region, sagte der WIIW-Ökonom Mario Holzner, "insbesondere bei der Energieversorgung mit Gas, aber auch im Handel im Bereich von Investitionen". Auch eine Erhöhung der Zinssätze wäre dann zu erwarten. Als weniger wahrscheinlich gilt den WIIW-Experten zufolge auch eine Art "Super-Autonomie" der Krim, mit einem Rückzug der russischen Truppen und einem nominellen Verbleib der Krim bei der Ukraine - auch in diesem Fall wären die wirtschaftlichen Folgen gering.

Umfassende EU-Sanktionen gegen Russland im Bereich Handel und Finanzen werden nicht erwartet, vorerst seien nur "smart sanctions" im Gange. "Ich halte Sanktionen für sehr wahrscheinlich, aber sie werden eher einen symbolischen Charakter haben und keine großen wirtschaftlichen Auswirkungen", glaubt Havlik. Dennoch werde sich der Konflikt negativ auf das Wirtschaftsklima in Russland und dämpfend auf die Konjunktur auswirken.

Auch wirtschaftlich sieht die nähere Zukunft der Ukraine alles andere als rosig aus. Die Stagnation der Wirtschaftsleistung dürfte sich heuer sogar zur Rezession verschlechtern. Die WIIW-Ökonomen erwarten, dass die ukrainische Wirtschaft 2014 um 1,1 Prozent schrumpfen wird. Erst ab 2015 sollte von dem dann niedrigeren Niveau wieder eine leichte Erholung einsetzen.

Die Ukraine ist stark auf ausländisches Geld angewiesen, der Finanzierungsbedarf wird für heuer und das kommende Jahr auf 35 Mrd. Dollar (25,20 Mrd. Euro) geschätzt. Russland habe seine im Dezember versprochene Kreditlinie blockiert, berichtete Holzner. Andererseits gebe es aber Hilfszusagen von der EU und den USA sowie Verhandlungen mit dem IWF. "Aber in der Regel verlangt der Währungsfonds eine Budgetkonsolidierung bei solchen Hilfspaketen." Gewissermaßen in vorauseilendem Gehorsam habe Kiew bereits angekündigt, die Budgetausgaben heuer um bis zu 17 Prozent zu reduzieren. Auch eine Erhöhung der Energiepreise für Haushalte sowie eine Halbierung der Pensionen sei in Aussicht gestellt werden. "Die wahrscheinlichen Konsequenzen dessen sind Rezession und verschärfte soziale Konflikte."

Der Wertverlust der ukrainischen Währung Hryvnia dürfte sich nach Ansicht des WIIW-Ökonomen Vasily Astrov auf dem Abwertungsniveau von rund 15 Prozent stabilisiert haben. Die Landeswährung sei überbewertet gewesen, die Korrektur daher richtig gewesen. Falls sich die Abwertung aber fortsetzen und 30 oder 40 Prozent erreichen sollte, "dann könnte das gravierende Folgen für die Stabilität des Bankensektors haben", warten Astrov. Die Haushalte könnten dann ihre Dollar-Kredite nur schwer zurückzahlen.

(Schluss) ivn/kan

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