07.07.2015 10:23:00

Wifo zufolge weist Wachstumsrückstand auf mögliche Strukturschwächen hin

Seit 2014 weist Österreichs Wirtschaftswachstum gegenüber Deutschland und dem Durchschnitt des Euroraumes einen deutlichen Rückstand auf. Das weise zwar auf Strukturschwächen hin, diese würden aber nicht im Vergleich mit dem nahen Ausland zutage treten, so Wifo-Experte Marcus Scheiblecker. Er fordert eine rasche wirtschaftspolitische Reaktion auf das seit Jahren niedrige Wirtschaftswachstum.

Anfang Juni hatte sich bereits die Nationalbank-Spitze wegen des Nachhinkens der österreichischen Entwicklung Sorgen um den Wirtschafts- und Industriestandort Österreich gemacht und eine Arbeitsgruppe eingesetzt. Die Entwicklung Österreichs stelle sich weniger als reines Kostenproblem als vielmehr ein Strukturproblem dar, da viele Märkte, speziell in Osteuropa, nicht mehr so stark wuchsen und Konkurrenten in Europa viel stärker geworden seien, meinte OeNB-Gouverneur Ewald Nowotny. Seit der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008 habe Österreich Marktanteile verloren - etwa im Kfz-Zuliefer-Bereich -, unsere Nachbarn dagegen dazugewonnen.

Strukturschwächen ließen sich alleine mit einem Vergleich mit Deutschland oder dem Euroraum nicht belegen, meint dagegen Scheiblecker im aktuellen Wifo-Monatsbericht. Ein Vergleich hinsichtlich der Entwicklung der Industrieproduktion, der Lohnstückkosten in der Industrie, der Arbeitsmarktperformance und der Inflation lasse keinerlei Rückstand Österreichs zu diesen Wirtschaftsräumen erkennen.

Für den Wachstumsrückstand seien vielmehr Sonderfaktoren verantwortlich, so Scheiblecker. In Deutschland etwa rühre die aktuelle Dynamik von einem Wiedererstarken der Binnenkonjunktur her, von der die österreichische Wirtschaft auch in der Vergangenheit schon kaum profitiert habe. Und in den Ländern an der EU-Peripherie treibe seit kurzem die späte Konjunkturerholung das Wachstum an.

Die deutsche Industrieproduktion entwickle sich dagegen ähnlich schleppend wie in Österreich. In beiden Ländern sei die Stagnation bei den Lohnstückkosten in der Industrie aber ein deutlicher Hinweis auf mögliche Strukturschwächen, die rasche wirtschaftspolitische Reaktionen erforderten.

Der Unterschied in der Arbeitslosenquote - in Deutschland sinkt sie, in Österreich steigt sie - lasse sich überwiegend auf demografische Besonderheiten in Deutschland zurückführen. Während in Deutschland das Arbeitskräfteangebot bis 2011 sank und danach nur leicht stieg, nahm es in Österreich kontinuierlich zu. Gleichzeitig seien in Österreich trotz des niedrigen Wachstums relativ mehr Stellen geschaffen worden als in Deutschland. Da es sich dabei aber nur in geringem Ausmaß um Vollzeitstellen gehandelt habe, habe das Arbeitsvolumen in Deutschland stärker zugenommen.

Die höhere Inflationsrate gegenüber Deutschland und dem Euroraum führt Scheiblecker eher auf den mangelnden Wettbewerb bei nur lokal angebotenen Dienstleistungen wie Wohnen und Telekommunikation oder Gaststättenwesen und auf den Anstieg administrierter Preise zurück.

(Schluss) ggr/kan

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