Sichtliche Auswirkungen 25.03.2022 13:59:00

Wifo und IHS: Heuer Konjunkturdämpfer durch Ukraine-Krieg

Wifo und IHS: Heuer Konjunkturdämpfer durch Ukraine-Krieg

Es dürfte heuer nur 3,9 bzw. 3,6 Prozent ausmachen, erwarten Wifo und IHS. Neben dem Krieg und den Sanktionen gegen Moskau belasten auch die damit verstärkten Energiepreisschocks und die Produktions- und Lieferprobleme die Konjunktur. Von einem Gas-Öl-Importstopp wird abgeraten, das könnte zu einer Rezession führen. Gehofft wird, dass die Inflation nicht die Kaufstimmung drückt.

Im ersten Quartal dürfte die Wirtschaft noch kräftig gewachsen sein, fürs zweite und dritte Quartal erwartet das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) aber nur mehr ganz geringe Zuwächse gegenüber dem Vorquartal. Stütze der Konjunktur werde heuer der Tourismus sein, für das Institut für Höhere Studien (IHS) der Privatkonsum, hieß es am Freitag.

Wegen des Aufholpotenzials des Tourismus nach Corona dürfte das halbe Wirtschaftswachstum auf Beherbergung und Gastronomie entfallen, glaubt das Wifo. In der Industrie werde die Wertschöpfung nicht wachsen: Hier drohe vom zweiten bis zum vierten Quartal ein Rückgang, im Gesamtjahr 2022 werde sich für die Industrie noch eine Null ausgehen, so Wifo-Chef Gabriel Felbermayr.

Bei einem Importstopp für russisches Gas und Öl würde Österreich in eine Rezession mit möglicherweise zwei, drei oder vier Prozent Rückgang der Wirtschaftsleistung fallen, so Felbermayr - im Radio sprach er sogar von vier bis fünf Prozent Minus. Solle noch einmal an der Sanktionsschraube gedreht werden müssen, sollte Gas "das Allerletzte sein". Österreich hängt derzeit zu rund vier Fünftel von russischem Erdgas ab. Längerfristig wäre ein Abgehen davon teuer. "Kriegen wir kein günstiges russisches Gas mehr, sind ganze Industriezweige infrage gestellt", verwies der Wifo-Chef etwa auf die in Oberösterreich starke Kunststoffindustrie.

Getrieben vom Energiepreisschock dürften die Verbraucherpreise heuer punktuell laut Wifo um bis zu 7 Prozent und laut IHS um bis zu 6 1/2 Prozent klettern. Im Gesamtjahr wären es dem Wifo zufolge 5,8 Prozent und gemäß IHS-Prognose 5,5 Prozent. Doch auch bei den Prognosen von 3,2 bzw. 2,3 Prozent für 2023 sieht insbesondere das IHS noch ein Aufwärtsrisiko.

Die wegen des Russland-Ukraine-Konflikts nochmals beschleunigte Teuerung wirkt bereits aufs Geldbörsel der Menschen in Österreich, so Felbermayr: "Ein Krieg in Europa macht uns alle ärmer - das sehen wir bei den Reallöhnen." Die wegen der Energie- und Rohstoffpreise gekletterte Inflation lasse in Österreich die Bruttoreallöhne heuer um 2,3 Prozent fallen. Das sei der stärkste bisher gemessene Rückgang der Pro-Kopf-Löhne, seit es dazu Statistiken gebe, sagte der Wifo-Chef im Prognose-Pressegespräch. Dass die Nettolöhne nur um 1,1 Prozent fallen, sei den Entlastungseffekten der Steuerreform zu verdanken.

Die heurige Lohnrunde werde "extrem schwierig", vermutet Felbermayr - angesichts der jüngsten Lohnforderung der Gewerkschaft von 6 Prozent in der Elektroindustrie. "Es gibt ja nichts zu verteilen. Die Unternehmen leiden ja selbst durch die hohen Energiepreise Der Kuchen ist insgesamt kleiner geworden." In den Lohnverhandlungen sollte man besser auf den BIP-Preisdeflator abstellen statt auf den VPI, um die importierte Teuerung beiseite zu lassen, sagen beide Institute. Das IHS etwa erwartet heuer den Preisindex des BIP bei 3,1 Prozent, deutlich unter dem VPI-Anstieg. Eine Lohn-Preis-Spirale, "ein Replay der 70er-Jahre", sieht der Wifo-Chef nicht, "wenn die EZB weiter klar kommuniziert", es sollten sich die Erwartungen der Haushalte nicht von jenen der EZB entkoppeln.

Das Wifo hat ein Auslaufen der Aufkaufprogramme, aber keine EZB-Zinserhöhung vor Jahresende eingepreist. Stiege der Leitzins sehr stark, würden viele Anleihen massiv an Wert verlieren, auch jene bei Versicherungen oder bei Privaten, gab der Wifo-Chef zu bedenken. Im übrigen sei "gegen die hohen Energiepreise die Frau Lagarde machtlos". Aus Sicht des IHS-Sprechers für die internationale Konjunktur, Klaus Weyerstrass, könnte die EZB aber auch durchaus die Zinsen erhöhen und parallel noch Anleihen kaufen - solche Gedankenexperimente hatten erst kürzlich zu Wortgefechten zwischen EZB-Ratsmitgliedern geführt.

Die Fiskalpolitik müsse die Geldpolitik unterstützen, forderte der Wifo-Chef, "sie darf nicht zu sehr bremsen. Es ist nicht die Zeit für Austeritätsprogramme." Andererseits meinte der IHS-Prognoseverantwortliche Helmut Hofer, dass man "irgendwann" schon "wieder einmal daran denken" sollte, die Budgetdefizite zu senken.

Das Defizit des Gesamtstaates sehen die Fachleute heuer nun höher als zuletzt im Dezember - das Wifo bei 2,4 bzw. 1,1 Prozent des BIP, das IHS bei 2,3 bzw. 1,7 Prozent. Das IHS verweist auf den langsameren Aufschwung und Mehrausgaben durch den Ukraine-Krieg, das Wifo auf Mehrausgaben aus dem regionalen Klimabonus, der Grundversorgung und Integration der Flüchtlinge, Maßnahmen zur Abfederung der stark gestiegenen Inflation und der COVID-19-Investitionsprämie.

APA

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