"Nicht mehr zu verhindern" 03.02.2021 13:06:00

Wifo: Touristische Wintersaison 2020/21 entfällt weitgehend

Wifo: Touristische Wintersaison 2020/21 entfällt weitgehend

Für die gesamte Saison seien noch keine gesicherten Prognosen möglich, "der weitgehende Entfall der Wintersaison 2020/21 ist jedoch nicht mehr zu verhindern". Selbst weiter als derzeit erwartete Öffnungsschritte ab März würden daran wenig ändern.

Aktuell schätzt das Wirtschaftsforschungsinstitut, dass sich die Zahl der Nächtigungen im Winter 2020/21 (November 2020 bis April 2021) auf insgesamt nur rund 10,2 Millionen belaufen und damit um etwa 83 Prozent unter Vorjahreswert liegen wird. Im Vergleich zum Rekordwinter 2018/19 mit 72,9 Millionen Übernachtungen wäre das ein Einbruch von über 86 Prozent.

"Den Betrieben geht die Luft aus, das Finish ist aber noch lange nicht in Sicht", betonte der Generalsekretär der Österreichischen Hoteliervereinigung (ÖHV), Markus Gratzer, und verwies auf die erst 2023 zu erwartende Normalisierung der Nachfrage. Es brauche jetzt "rasch klare Rahmenbedingungen" von der Regierung für die Öffnung der Hotellerie und Gastronomie in Österreich. "Bis zur angekündigten Entscheidung am 15. Februar bleibt nicht mehr viel Zeit, bis dahin muss unabhängig vom Öffnungstermin ein klares Regelwerk mit der Branche abgestimmt werden", forderte der Branchensprecher.

Die Schätzung der Wirtschaftsforscher für die Wintersaison mit einem mutmaßlichen Minus von 83 Prozent sei ein "Totalausfall", der den Hotels an die Substanz gehe. Denn das hinterlasse "tiefe Wunde in den Bilanzen". Erschwerend hinzu kommt ein Strukturproblem in der Branche: Viele Beherbergungsbetriebe in Österreich arbeiten mit zu wenig Eigenkapital. "Nur die Besten der Besten schaffen es über die Grenze von 30 Prozent, ab der ein Unternehmen als gesund gilt - das müssen wir dringend ändern", mahnte Gratzer. "Nur wenn wir es schaffen die Eigenkapitalquote deutlich zu heben und längerfristig zu stabilisieren sichern wir den Erhalt der Hotels ab - die Weichen dafür müssen wir jetzt stellen."

Im stärksten Winter-Bundesland Tirol rechnet das Wifo für den Winter 2020/21 nur mehr mit 3,1 Millionen Nächtigungen. Zum Vergleich: 2019/20 waren es 22,9 Millionen, in der "Normalsaison" 2018/19 sogar 27,4 Millionen. In Salzburg wird ein Rückgang auf 1,7 Millionen Nächtigungen erwartet, nach 13,7 Millionen bzw. 16 Millionen in den beiden Jahren davor. Für Wien prognostizieren die Wirtschaftsforscher 0,9 Millionen - in der vorangegangen Wintersaison lag die Nächtigungszahl bei 5,7 Millionen und 2018/19 bei 7,8 Millionen.

In den ersten beiden Monaten der heurigen Wintersaison, im November und Dezember 2020, brachen die Nächtigungen österreichweit um 89,4 Prozent auf 1,86 Millionen ein. Die Zahl der Gäste sank um rund 94 Prozent auf rund 375.000. Die Einnahmen sanken nach ersten Schätzungen nominell um 90,3 Prozent und preisbereinigt (real) um 90 Prozent - ohne Berücksichtigungen von Zahlungen der öffentlichen Hand im Rahmen der Covid-19-Hilfen. Regional gab es durchaus Unterschiede. Die stark von ausländischen Gästen abhängigen Bundesländer - Wien und in Westösterreich - erlitten einen völligen Ausfall dieser Gästegruppen und damit auch ihrer Umsätze.

Eine deutliche Verschiebung puncto Herkunft dürfte es zugunsten inländischer Touristinnen und Touristen geben, deren Nächtigungsmarktanteil sich 2020/21 auf rund 44 Prozent verdoppeln könnte, so das Wifo in seiner heute veröffentlichten Tourismusanalyse. In der Normalsaison 2018/19 sei der Anteil noch bei 22,7 Prozent gelegen.

Zur Sommersaison und darüber hinaus ließen die Ungewissheit über den Verlauf der Coronapandemie und den Impffortschritt kaum gesicherte Aussagen zu, so die Forscher. Verstärkt werde diese Unsicherheit durch die Wirtschaftskrise mit den daraus entstehenden Einkommens- und Jobverlusten.

Gehe man in einem unter derzeitigen Gegebenheiten "wohl sehr optimistischen Szenario" davon aus, dass die Nächtigungen bereits im Mai 2021 bei drei Viertel des Nächtigungsniveaus von Mai 2019 zu liegen kommen und die Nachfragelücke dann weiter sinkt - um 5,5 Prozent gegenüber 2019 im dritten Quartal und um 3 Prozent im vierten Quartal - "so wird das Nächtigungsniveau 2021 nur knapp jenes des Jahres 2020 erreichen". Es würde damit um rund 36 Prozent unter dem Wert des Jahres 2019 liegen.

"Somit ist frühestens 2022 mit einer Nachfrage zu rechnen, die annähernd das Vorkrisenniveau erreicht", erwarten die Wirtschaftsforscher. Gehe man davon aus, dass die Erholung des Städtetourismus durch die Abhängigkeit von Fernmärkten und Flugverbindungen verzögert eintritt, so dürfte erst 2023 mit einer Normalisierung zu rechnen sein.

Trotz aller Unsicherheiten bestehe aber auch Grund zum Optimismus: Die Reiselust der Menschen sei nicht nur ungebrochen, sondern man könne davon ausgehen, dass sie durch die lange Zeit der Reisebeschränkungen noch größer geworden ist. Österreich sei zudem im Sommer von vielen Inländerinnen und Inländern als Haupturlaubsland wiederentdeckt worden. Es erscheine durchaus möglich, dass dies eine nachhaltigere Belebung des Inlandstourismus nach sich ziehen könne.

Im Winter 2020/21 werden die Tourismuseinnahmen nicht nur durch Ausgabenausfälle von übernachtenden Touristen sinken, sondern auch durch beträchtliche Einbußen der Ausgaben von Tagesgästen geprägt. Das Wifo nimmt an, dass Nächtigungs- und Tagestourismus gleich stark einbrechen. Im November und Dezember 2020 wies Tirol den stärksten Umsatzeinbruch mit nominell minus 95,6 Prozent auf. Dahinter lagen Wien (minus 95,1 Prozent), Vorarlberg (minus 94,4 Prozent), Salzburg (minus 94,3 Prozent), die Steiermark (minus 82,1 Prozent), Kärnten (minus 81,2 Prozent), das Burgenland (minus 80,3 Prozent) und Oberösterreich (minus 76,4 Prozent). Den geringsten Rückgang gab es in Niederösterreich mit 66,3 Prozent.

Die trotz Lockdowns relativ geringeren Einbußen in Niederösterreich sind laut Wifo unter anderem auf einen nach wie vor aufrechten Kurbetrieb zurückzuführen. Zudem zeige sich in gewerblichen Ferienwohnungen - trotz touristischen Betretungsverbots - eine deutlich bessere Dynamik als in anderen Bundesländern. Dabei dürfte Niederösterreich von den nach wie vor erlaubten dienstlich begründeten Aufenthalten von in Wien beschäftigten Arbeitskräften profitieren.

(APA) itz/bel

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