25.07.2023 16:16:00
|
Wifo rechnet mit weniger Wachstum, Inflation bleibt vorerst hoch
Das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo) ist für den leichten Aufschwung, den es für die kommenden Jahre erwartet, weniger optimistisch als zuletzt. Für den Zeitraum 2023 bis 2027 wird nunmehr ein durchschnittliches BIP-Wachstum von 1,4 statt zuletzt 1,6 Prozent pro Jahr erwartet. Das zeigt das am Dienstag veröffentlichte Update der Wifo-Mittelfristprognose. Für heuer wird weiterhin eine Stagnation prognostiziert. Die Inflation bleibt hoch.
Für 2025 alleine sieht das Wifo nur mehr ein reales Wirtschaftswachstum von 1,8 Prozent. Im Mai war das Institut noch von einem 2,1-prozentigen Zuwachs ausgegangen.
Die hohen Energiepreise, die derzeit die Produktionsmöglichkeiten der Betriebe dämpften, dürften sich demnach auch weiterhin bemerkbar machen - trotz der sinkenden Großhandelspreise. So liege das Preisniveau in Österreich immer noch über jenem der USA und anderen Industrieländern. "Die Verteuerung von Energie belastet somit auch mittelfristig vor allem die energieintensive Industrie", schrieb das Wifo am Dienstag. Ein weiterer Grund für den etwas verhalteneren Ausblick ist eine leicht niedrigere Erwartung im Bereich der inländischen Nachfrage bzw. beim Konsum, wie Wifo-Experte Josef Baumgartner im Gespräch mit der APA ergänzte.
Indes sieht das neueste Konjunkturbarometer der Industriellenvereinigung (IV) eine Winterrezession auf die Industrie zukommen. "Die Eintrübung der Konjunkturaussichten ist strukturell, nicht saisonal", sagte IV-Chefökonom Christian Helmenstein vor Journalistinnen und Journalisten. Das IV-Konjunkturbarometer steht genau auf Null - beim Saldo der durchschnittlichen aktuellen Einschätzung der Geschäftslage und jener für die nächsten sechs Monate. "Bestenfalls" im kommenden Frühjahr könne es wieder aufwärts gehen. IV-Generalsekretär Christoph Neumayer forderte darob einen Bürokratieabbau und die Wiedereinführung einer Investitionsprämie ? la Coronapandemie.
Die Inflationsrate dürfte den Angaben des Wifo zufolge heuer mit 7,5 Prozent weiter hoch bleiben. Mit der Entspannung der Lieferketten sowie dem Rückgang der Haushaltstarife für Gas und Strom könnte die Inflationsrate 2024 aber schon auf 3,8 Prozent zurückgehen und sich bis zum Ende des Prognosezeitraums dem 2-Prozent-Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB) annähern. Im Vergleich zu anderen EU-Ländern werde die Inflation hierzulande jedoch etwas langsamer sinken.
Als Faktor für den nachlassenden Preisauftrieb führte Baumgartner neben den sinkenden Tarifen für Energie sowie der Erholung der angespannten Lieferketten auch einen erwarteten Rückgang bei den Nahrungsmittelpreisen an. Bestimmend seien die sinkenden Erzeugerpreise in der Landwirtschaft - das sind die Preise, die Produzenten für ihre Ware verlangen können. "Die Erzeugerpreise sind aktuell schon niedriger als vor einem Jahr, das wird sich langsam auch bei den verarbeiteten Produkten zeigen." Die weitere Entwicklung hänge nebenbei von den Ernteaussichten sowie dem Weltmarktangebot ab, vor allem im Getreidebereich, sagte Baumgartner unter Bezugnahme auf den geplatzten Getreidedeal zwischen der Ukraine und Russland.
Mit Blick auf den Arbeitsmarkt rechnet das Wifo im Prognosezeitraum mit einer weiteren Verschärfung des Personalmangels, vor allem bedingt durch den demographischen Wandel. Da das Arbeitskräfteangebot der Prognose nach schwächer zunimmt als die Beschäftigung (im Durchschnitt plus 1 Prozent jährlich bis 2027), dürfte die Arbeitslosenquote sukzessive zurückgehen, von erwarteten 6,4 Prozent heuer auf 5,3 Prozent im Jahr 2027.
Damit der Beschäftigungszuwachs in dem vom Institut angenommenen Ausmaß eintreten kann, seien weitere Anstrengungen vonnöten, betonte Baumgartner. Neben der bereits beschlossenen Anhebung des Frauenpensionsalters müssten etwa weitere Anreize für ältere Personen geschaffen werden, länger einer Arbeit nachzugehen. Einen Hebel, wenn auch einen vergleichsweise geringeren, sieht der Ökonom zudem weiter bei der Arbeitslosigkeit. "Diese Potenziale zu heben, ist eine Notwendigkeit, damit die Beschäftigung in dem Ausmaß, wie wir das in der Prognose unterstellt haben, tatsächlich zunehmen kann." Der Wirtschaftswissenschafter machte auch darauf aufmerksam, dass der Fachkräftemangel in Österreich langfristig das Wirtschaftswachstum schwächen könnte.
Das Budgetdefizit dürfte sich den Wifo-Angaben zufolge mittelfristig bei rund 1,5 Prozent des nominellen BIP einpendeln. Die Staatsverschuldung nimmt bis 2027 um 42 Mrd. Euro zu. Die Schuldenquote dürfte aufgrund der inflationsbedingt kräftigen Ausweitung des nominellen BIP von zuletzt 83 Prozent im Krisenjahr 2020 auf knapp 68,5 Prozent bis 2027 sinken.
Die SPÖ sowie die NEOS nahmen die Wifo-Veröffentlichung zum Anlass, Kritik an der Regierung zu üben. "Der türkis-grünen Regierung gelingt das Kunststück, Milliarden Steuergeld für Energiekostenzuschüsse auszugeben, die die Energiepreise und die Inflation nicht senken, und zugleich das Wachstum abzuwürgen. Das ist Regierungsversagen", sagte SPÖ-Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter in einer Aussendung. Ähnlich NEOS-Wirtschaftssprecher Gerald Loacker: "Die Bundesregierung hat ihre Hausaufgaben nicht gemacht, weil sie damit beschäftigt war, Gutscheine und Boni zu verteilen. In 36 Jahren ÖVP in der Bundesregierung ist Österreich ein Höchststeuerstaat mit niedriger Effizienz geworden. Die Regierung muss vorausdenken und überfällige Reformen umsetzen."
tpo/phs/bel
Wenn Sie mehr über das Thema Aktien erfahren wollen, finden Sie in unserem Ratgeber viele interessante Artikel dazu!
Jetzt informieren!