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30.11.2021 13:14:00

Wifo-Ökonom: Rolle der Firmen bei Arbeitslosigkeit unterbelichtet

Wifo-Ökonom Rainer Eppel empfiehlt der Regierung bei der aktuell laufenden Arbeitslosenversicherungs-Reformdiskussion auch "die unterbelichtete Rolle" der Firmen zu analysieren, etwa im Hinblick auf das Einstellungs- und Kündigungsverhalten sowie die Arbeitsplatzgestaltung. "Die Rolle der Unternehmen bei der Arbeitslosigkeit ist ein blinder Fleck", sagte Eppel am Dienstag bei einem Online-Gespräch mit Oxford-Arbeitsmarktforscher Lukas Lehner.

Es gebe bei der öffentlichen Arbeitsmarkt-Debatte sowie in der Wissenschaft "einen einseitigen Fokus" auf Arbeitslose und dabei vor allem auf das Arbeitssuchverhalten und Arbeitsanreize, so der Wifo-Ökonom. In Österreich kreist die Reformdiskussion derzeit vor allem um die Höhe des Arbeitslosengeldes, mögliche Einschränkungen der Zuverdienstmöglichkeit für Arbeitslose und Zumutbarkeitsbestimmungen.

Die Unternehmen würden viele arbeitsmarktrelevante Entscheidungen treffen, etwa ob Firmen offene Stellen dem Arbeitsmarktservice (AMS) melden, viele ältere Mitarbeiter beschäftigen, Langzeitbeschäftigungslosen "eine Chance" geben oder auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermöglichen, sagte Eppel. Relevant sei auch, ob Unternehmen Kündigungen vermeiden und die Gesundheit der Mitarbeiter im Blick haben. Problematisch sieht der Wifo-Ökonom das in Österreich weitverbreitete "Zwischenparken" von Mitarbeitern in der Arbeitslosenversicherung. Laut einer Wifo-Analyse aus dem Jahr 2017 waren 13,7 Prozent aller Arbeitsaufnahmen Wiedereinstellungen nach zwischenzeitlicher Arbeitslosigkeit ("Recalls").

Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) hat im Herbst einen "Reformdialog" zur Arbeitslosenversicherung gestartet und unter anderem mit den Sozialpartnern, AMS-Vorständen, Wirtschaftsforschern, Unternehmern und von Arbeitslosigkeit betroffenen Menschen gesprochen. Erste Zwischenergebnisse zur Reform will Kocher noch im Dezember präsentieren, ein Gesetzesvorschlag soll dann im ersten Quartal 2022 folgen.

Laut dem Wifo-Ökonomen könnte die Regierung den Arbeitsmarkt noch stärker mit finanziellen Anreizen für Unternehmen steuern. Derzeit setzt man vor allem auf Qualifizierung, Kurzarbeit und Eingliederungsbeihilfen für Arbeitslose. Denkbar seien präventive Anreize unter anderem im Hinblick auf stabile Beschäftigung, mehr ältere Beschäftigte im Unternehmen und Gesundheitsförderung. "Mit Ausnahme der Kurzarbeit gibt es relativ wenige Anreize auf betrieblicher Seite. Hier schlummert noch ein relativ großes Potenzial", sagte Eppel.

Von über 341.000 Arbeitslosen und AMS-Schulungsteilnehmern waren Ende Oktober knapp 115.000 Personen langzeitbeschäftigungslos. Der Anteil an Langzeitarbeitslosen in Österreich sei im Vergleich zur "Peer Gruppe" - etwa den skandinavischen Ländern - "relativ hoch", so Oxford-Arbeitsmarktforscher Lehner. "Skandinavien ist erfolgreich, weil sie Langzeitarbeitslosigkeit nicht entstehen lassen". Auch die Ausgaben für aktive Arbeitsmarktpolitik - u.a. Qualifizierungen, Eingliederungsbeihilfen - seien in Dänemark, Schweden und Finnland deutlich höher als in Österreich. Die aktive Arbeitsmarktpolitik in Österreich ist laut dem Oxford-Forscher "häufig internationales Vorbild", etwa im Bereich der Kurzarbeit, bei Lehrwerkstätten oder mit dem Modellprojekt Arbeitsplatzgarantie Marienthal. Aufholbedarf gebe es hierzulande bei den finanziellen Ressourcen für den Arbeitsmarkt.

Bei der Arbeitsmarkt-Analyse empfiehlt Lehner eine ganzheitliche Sicht und stellt drei Fragen in den Raum: "Sind genügend Jobs vorhanden? Wo sind Jobs vorhanden? Halten individuelle Faktoren davon ab Arbeit anzunehmen?" Bei den individuellen Faktoren gehe es um gesundheitliche Einschränkungen, Betreuungspflichten, Arbeitsbedingungen und Entlohnung. Die Höhe des Arbeitslosengeldes sei nur Teilaspekt, so der Arbeitsmarktforscher.

cri/gru

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