BIP-Wachstum im Blick |
16.11.2022 17:12:00
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Wifo: Hohe Energiepreise dämpfen Wirtschaftswachstum nicht nur kurzfristig - Ökonomen erwarten weiter hohe Inflation
Für das kommende Jahr rechnet das Wifo mit einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 0,2 Prozent. Die hohen Energiepreise würden die Produktionsmöglichkeiten und die Wettbewerbsfähigkeit vor allem energieintensiver Unternehmen einschränken, so die Experten. Die trüben Aussichten und die Unsicherheit rund um die kommenden Jahre lasten zudem auf der Investitionstätigkeit.
Gleichzeitig würden die hohen Preise die Kaufkraft und damit den Konsum dämpfen. Der reale private Konsum dürfte 2023 nur um moderate 1 Prozent wachsen. Fiskalische Maßnahmen wie die Abschaffung der kalten Progression würden jedoch stützend für die Einkommen wirken.
Zu dem schwächelnden Wachstum kommt 2023 eine weiterhin hohe Inflationsrate aufgrund der Energiepreise, erwartet wird eine Teuerung von 6,5 Prozent. Es kommt also zu einer sogenannten Stagflation. Danach sollten die Energiepreise und damit die Teuerung zwar wieder etwas sinken, bis 2027 wird aber immer noch mit einer Inflationsrate von 2,4 Prozent gerechnet, was weiter über der von der Europäischen Zentralbank (EZB) angestrebten Teuerungsrate von 2 Prozent liegt.
Auch die Energiepreise werden laut Wifo das niedrige Niveau von 2020/2021 nicht mehr erreichen. Mittelfristig sei das vor allem für die energieintensive Industrie eine Belastung und beschleunige den Strukturwandel.
Beim Wachstum wird für 2027 mit einem Plus von 1,4 Prozent gerechnet, im Schnitt erwarten die Volkswirte aber lediglich ein jährliches Wachstum von 1,0 Prozent. Damit liegt das durchschnittliche BIP-Wachstum um einen halben Prozentpunkt unter dem mittleren Wachstum der Jahre 2010 bis 2019.
Das mittelfristig schwächelnde Wachstum dürfte sich auch auf die Beschäftigungsdynamik niederschlagen, schreiben die Wifo-Ökonomen. Jährlich wird ein Plus von 0,8 Prozent bei den unselbstständig Beschäftigten prognostiziert. Die Arbeitslosenquote dürfte indessen von 6,7 Prozent im Jahr 2023 auf 6,4 Prozent im Jahr 2027 sinken, da das Arbeitskräfteangebot schwächer zunehmen werde als die Beschäftigung.
Bei der Staatsverschuldung sieht das Wifo eine Verbesserung der Quote aufgrund der Ausweitung des nominellen BIP von 74,1 Prozent im Jahr 2023 auf 67,8 Prozent für 2027. Auch die Neuverschuldung werde sich laut der Prognosen bis 2027 bei 1,3 Prozent des BIP einpendeln. Für 2023 wird noch eine Neuverschuldung von 1,7 Prozent erwartet.
Ökonomen: 2023 sinkendes Wachstum und weiter hohe Inflation erwartet
In einer global sich verlangsamenden Konjunktur sind auch die Aussichten für die heimische Wirtschaft für 2023 nur mäßig erfreulich. Im Gegensatz zu heuer wird sich das Wachstum spürbar abkühlen, während die Inflation auf eher hohem Niveau bleiben wird. Die Stimmung in der Industrie und bei den Verbrauchern ist im Keller. Allerdings würden die Menschen die Auswirkungen der Inflation derzeit "extrem überschätzen", sagt Bank-Austria-Ökonom Stefan Bruckbauer.
Für 2023 erwartet die Bank Austria für Österreich ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um die Nulllinie herum. Für die Eurozone sehen die Volkswirte der Deutschen Bank für 2023 sogar einen Rückgang des BIP von 1,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Die Inflation in Österreich dürfte indessen nur geringfügig weniger werden und laut Bank Austria von rund 8,5 im Jahr 2022 auf rund 6 Prozent zurückgehen. Erst ab Ende 2023 sei mit einem Rückgang der Teuerung zu rechnen.
"Es ist ein massiver Kostenanstieg, ich will das nicht kleinreden, aber es wird auch massiv überschätzt," sagte Bruckbauer am Mittwoch bei einer Pressekonferenz des Bankenverbandes zum Ökonomischen Ausblick für 2023. Viele Haushalte, die sich die aktuelle Teuerung durchaus leisten könnten, würden ihre Situation viel dramatischer einschätzen und hätten das Gefühl, dass sie sich das Leben nicht mehr leisten können. Diese Wahrnehmung schlage sich in Umfragen dann in extrem schlechten Stimmungswerten zum Konsum und zum Verbrauchervertrauen nieder.
Dabei seien einige fiskalische Maßnahmen zur Entlastung der Haushalte gesetzt worden. In Summe habe ein Medianhaushalt 2022 rund 3.500 Euro Mehrausgaben gehabt, dafür aber rund 2.600 Euro an Mehreinnahmen gehabt. "Die Stimmung bei Konsumenten derzeit ist sicherlich schlechter als es dem tatsächlichen Bild und der zu erwartenden Dynamik entspricht", schlussfolgert Bruckbauer. Auch die gute Situation am Arbeitsmarkt spiele offenbar kaum eine Rolle für die Bewertung der Lage.
Der heimischen Wirtschaft gehe es derzeit jedenfalls noch recht gut. Unternehmen sei es gut gelungen, steigende Preise in höhere Verkaufspreise umzusetzen. Die Menschen hätten außerdem nach zwei Jahren Pandemie das Bedürfnis, Konsum nachzuholen und würden dies auch tun. Die Umsätze im Handel litten zwar noch unter fehlenden Touristen, sie lägen aber über den Vorjahren. Auch Restaurants und Hotels hätten heuer das Minus der Vorjahre aufholen können.
Auch die Situation rund um das Thema Energie stelle sich nicht nur schlecht dar. Zwar habe man wegen des Ukraine-Kriegs Gas um teures Geld im Ausland kaufen müssen, was die Nettoimporte deutlich erhöhe und den Wohlstand in Österreich reduziere, die heimischen Gasspeicher seien aktuell aber sehr gut gefüllt. Österreich habe zudem den Vorteil der großen Gaslager, in denen praktisch der gesamte Jahresverbrauch des Landes gelagert werden könne. Bis zum Sommer sei mit keinen Versorgungsproblemen zu rechnen, so Bruckbauer.
Am Ende sei die Stimmung der Konsumenten aber ein wichtiger Indikator und stelle durchaus ein Abwärtsrisiko für die Konjunkturprognosen dar, sollte sich die Stimmung stärker auf das eigentliche Kaufverhalten niederschlagen als erwartet. Weitere Abwärtsrisiken seien zudem weitere Lieferkettenprobleme, die Entwicklung der Energiepreise, eine stärkere Eintrübung des globalen Umfeldes, stark steigende Zinsen oder eine weitere Eskalation im Ukraine-Krieg.
Die aktuelle Annahme rund um den Ukraine-Krieg sei, dass der Konflikt zwar nicht gelöst wird, aber auch nicht weiter eskaliert. Im Gegenteil berge es dagegen ein großes Aufwärtspotenzial für die Erwartungen, wenn es zu einem Friedensvertrag oder einem Waffenruhevertrag in dem Konflikt kommen würde, sagte Deutsche-Bank-Ökonom Marc Schattenberg. Eine solche Entwicklung würde auch dem Konsumentenvertrauen wieder Auftrieb geben.
2024 sollte es nach den trüben Aussichten für 2023 stimmungsmäßig wieder etwas bergauf gehen, so die Ökonomen. Die Erholung werde aber nur schleppend voranschreiten, erwartet Bruckbauer.
(APA)

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