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17.02.2016 13:38:00

Wifo-Chef für Senkung "umweltschädlicher" Förderungen in Österreich

Laut Wifo sprudeln in Österreich jährlich rund 4 Mrd. Euro an "umweltschädlichen" Förderungen. Diese sollten in eine ökologische Fiskalreform eingebettet - und letztlich reduziert werden, fordern Expertinnen des Instituts und auch Wifo-Chef Karl Aiginger. Arbeit sei viel stärker als Emissionen besteuert, in ein Gesamtkonzept sollte proaktiv die Industrie einbezogen werden, so Aiginger.

Fossilenergie müsste nach den Pariser Klimagipfel-Beschlüssen eigentlich von Jahr zu Jahr teurer werden, meinte der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts am Mittwoch. Nötig sei eine Industriepolitik, die Europa bei hochintelligenten Produkten führend mache: "Je früher wir damit beginnen, umso mehr Exportchancen gibt es. Wir sollten uns die Pariser Dekarbonisierungs-Beschlüsse zu Herzen nehmen." Neue Wohnungen sollten wie in Dänemark nicht mehr mit fossiler Energie beheizt werden dürfen, sondern nur noch mit Erneuerbaren. Industrieaspekte seien in eine Steuerreform mit einzubeziehen; höhere Energieabgaben sollten mit mehr Mitteln für Forschung oder höhere Qualifikation kompensiert werden.

Eine neue Wifo-Studie - im Auftrag des Klima- und Energiefonds (KliEn) - hat für Österreich ein jährliches Volumen von 3,8 bis 4,7 Mrd. Euro an Subventionen festgestellt, die kontraproduktiv für die Umwelt sind. Diese "Dimension hat sogar uns überrascht", räumte KliEn-Geschäftsführer Ingmar Höbarth ein. Das sei "ein enormes Potenzial für Verbesserungen". Freilich könne das "nicht über Nacht verändert werden, sondern nur Schritt für Schritt" - auch durch eine Neuverteilung der Mittel.

Eine Reform der "umweltschädlichen Subventionen" sei "geboten", meinen die Studienautorinnen selbst: zugunsten von Umwelteffekten - aber auch im Hinblick auf die geforderte Budgetkonsolidierung seien sie auf ihre Effizienz und Effektivität hin zu untersuchen. Die Hälfte der umweltschädlichen Förderungen entfällt auf den Verkehr, über ein Drittel auf Energie, ein Zehntel aufs Wohnen. Rund 40 Prozent der Förderungen kommen privaten Haushalten zugute, etwa 60 Prozent Unternehmen. National änderbar wären knapp zwei Drittel des Volumens, nämlich 2,3 bis 2,9 Mrd. Euro im Jahr.

Als größte Brocken - die noch dazu national zu ändern wären - nennen die Autorinnen Daniela Kletzan-Slamanig und Angela Köppl die Diesel-Begünstigung von rund 640 Mio. Euro im Jahresschnitt, gefolgt vom Pendlerpauschale (inkl. Pendlereuro) im Ausmaß von 560 Mio. Euro. Auch die pauschale Dienstwagenbesteuerung (225 Mio. Euro) fällt in diese Kategorie.

Diesel ist im Vergleich zu Benzin steuerlich um rund 9 Cent pro Liter begünstigt, der MÖSt-Satz beträgt 0,425 Euro je Liter im Vergleich zu 0,515 Euro/l bei Benzin. Die Differenzierung begünstige nicht nur den gewerblichen Güterverkehr, obwohl dies ursprünglich so gedacht war, sondern auch den Pkw-Verkehr. Der Autofahrer habe darauf reagiert, so Kletzan, wodurch der Diesel-Pkw-Anteil von 2000 bis 2014 von 36,6 auf 56,7 Prozent angestiegen ist. Die Emissionsintensität von Diesel-Pkw jedoch steige im Gegensatz zu jener der Benzin-Pkw; auch bezüglich anderer Emissionen, etwa Feinstaub, sei Diesel relevant. Selbst wenn der 9-Cent-Preisvorteil wegfiele, wären Österreichs Diesel-Bruttopreise zwar leicht über Deutschland, aber noch immer unter Italien. Die Veränderung des Tanktourismus ohne die Begünstigung sei schwer abzuschätzen, so Köppl.

Das Pendlerpauschale sei "eine Überförderung des Pendlers", meinte Kletzan. Es sollte zum Beispiel darum gehen, dass Pendler bei der Wahl ihres Wohnorts das Pendeln in ihre Kostenrechnung miteinbeziehen, auch fehlten Anreize zum Umstieg auf den Öffentlichen Verkehr. Zudem begünstige das Pauschale eher Einkommensstärkere, so Köppl. Das gleiche konstatierte sie für das Dienstwagenprivileg und die Eigenheimförderung. Bei der pauschalen Dienstwagenbesteuerung mache die Förderung aktuell geschätzte 225 bis 420 Mio. Euro aus, die hohe Diskrepanz ergibt sich daraus, dass es keine exakten Zahlen dazu gibt. Laut Kletzan könnten es zwischen 150.000 und 400.000 Dienstautos sein, die privat genutzt werden.

An den geltenden Wohnbauförder-Richtlinien kritisierte Köppl, dass sie zu einer Zersiedelung führen, diese aber gar nicht berücksichtigen. Zudem wirke die Eigenheimförderung auch verkehrsinduzierend. Beim Wohnen sollte die Perspektive auf die Nutzkosten gelenkt werden. Co-Autorin Kletzan meinte dazu: "Leistbares Wohnen sollte nicht nur auf die reinen Baukosten beschränkt werden, sondern samt den jahrzehntelangen Heizkosten."

Zu möglichen Reformen umweltschädigender Subventionen erinnerte Kletzan daran, dass solche auch von IWF und OECD wiederholt der österreichischen Politik als Anregung gegeben worden seien, nämlich Änderungen bei Förderungen, die zur Zeit die Pkw-Nutzung und die Zersiedelung erhöhen sowie auch bei den Energiebesteuerungs-Begünstigungen.

Die Energieabgabenvergütung für die energieintensive Industrie betrug der Wifo-Studie zufolge in den Jahren 2010-13 im Schnitt 450 Mio. Euro; einen weiteren höheren Betrag macht die Wohnbauförderung mit 275 Mio. Euro für Neubauten aus. An international regulierten Summen nennt die Studie u. a. das Herstellerprivileg für Produzenten von Energieerzeugnissen (535 Mio. Euro) und die Kerosin-Befreiung von der Mineralölsteuer (MÖSt) von 330 Mio. Euro.

Nach Sektoren entfällt der Löwenanteil mit 1,4 bis 1,7 Mrd. Euro auf Energieerzeugung und -verbrauch; das betrifft die Energieerzeugung (z. B. Energiesteuerbefreiung der Stromerzeugung) und den Energieverbrauch (etwa Energieabgabenverfügung für die Industrie, aber auch Gratiszuteilungen von zuletzt 100 Mio. Euro jährlich im EU-Emissionshandelssystem).

Auf den Verkehr entfallen 2,0 bis 2,2, Mrd. Euro p. a. Förderungen, die zu drei Viertel dem Straßenverkehr zugute kommen - nämlich über die Diesel-Steuerbegünstigung, die Pendlerförderung oder das Dienstwagen-Steuerpauschale - und zu einem Viertel dem Flugverkehr (185 Mio. Euro MWSt.-Befreiung des internationalen Flugverkehrs).

Im Bereich Wohnen gibt es 390 bis 790 Mio. Euro Jahres-Fördervolumen - zur Subvention von Eigenheim-Neubau, Verkehrsflächen oder Bereitstellung/Nutzung von Abstellplätzen (z. B. 114 Mio. Euro via Stellplatzverordnung).

Der Umweltdachverband bezeichnete am Mittwoch in einer Reaktion zur Wifo-Studie den Abbau umweltschädigender Subventionen als "Gebot der Stunde". Die Umweltorganisation Global 2000 verlangte, die Regierung müsse jetzt den Abbau von umweltschädlichen Privilegien starten und eine aufkommensneutrale öko-soziale Steuerreform umsetzen. Grünen-Umweltsprecherin Christiane Brunner bezeichnete "nach Paris" 4 Mrd. Euro an Subventionen in fossile Energieträger als "untragbar", und der Dachverband Erneuerbare Energie Österreich (EEÖ) forderte einen "Warnhinweis für Ölheizungen", da sich solche Heizungen aufgrund der Bekenntnisse Österreichs zu internationalen Klimaschutzzielen verteuern könnten.

(GRAFIK 0185-16, Format 88 x 55 mm) (Schluss) sp/snu

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