27.06.2023 14:38:00

Wettbewerb am heimischen Energiemarkt kam 2022 quasi zum Erliegen

Der Wettbewerb am heimischen Energiemarkt sei 2022 quasi zum Erliegen gekommen, die Marktkonzentration in den jeweiligen Stromnetzen sei zudem extrem hoch. Zu dem Schluss kommen die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) und die Regulierungsbehörde E-Control. Zum Jahresende hin habe es kaum mehr Möglichkeiten zum rentablen Anbieterwechsel gegeben. Die E-Wirtschaft selbst sieht die Schuld nicht bei sich.

Die meisten österreichweiten Anbieter hätten sich bis im Oktober 2022 in ihre regionalen Märkte zurückgezogen, erklärte E-Control-Chef Wolfgang Urbantschitsch bei einem Pressegespräch am Dienstag. Sein Pendant bei der BWB, Natalie Harsdorf-Borsch, sagte, im gleichen Monat habe es im Tarifkalkulator der E-Control nur mehr 20 Produkte im Angebot gegeben. Darunter auch einige mit "Mondpreisen", so Urbantschitsch.

Die Entwicklung spiegelte sich auch bei den Wechselraten wieder - diese lag 2022 bei 2,2 Prozent für Strom und 4 Prozent beim Gas. Auch im ersten Quartal heuer zeichne sich kein "Turn-around" ab, so die BWB-Chefin. Jene, die den Anbieter gewechselt haben, hätten dies zudem oft unfreiwillig getan - weil ihr vorheriger Anbieter sie kündigte oder sich gar ganz aus dem Markt zurückzog, oder weil sie z.B. aus privaten Gründen umziehen mussten.

Beim Verband der heimischen E-Wirtschaft sieht man die Schuld hier vor allem bei kleinen alternativen Anbietern. "Es hat alternative Anbieter gegeben, die haben die Preise enorm erhöht und die Kunden die dann noch nicht weggegangen sind, die haben Sie gekündigt", sagte der Verbandspräsident und Verbund-Chef, Michael Strugl.

"Und diese Kunden, die hat dann der Regulator den angestammten Versorgern angedient und hat gesagt 'bitte nehmt diese gestrandeten Kunde' und wir haben das gemacht", so Strugl. Beisatz: "Das sind jetzt die, die wieder abgeworben werden, weil die alternativen Anbieter wieder in den Markt gehen." Der Verband 'Österreichs Energie' hatte ebenfalls am Dienstag zu einem Pressegespräch geladen, indem man die Sündenbock-Rolle für die aktuelle Teuerung ablehnte.

Das die Preisrückgänge an den Großhandelsplätzen nicht immer gleich bei den Endkunden ankommen, erklärte Strugl mit der Beschaffungsstrategie der Versorger: Diese kauften Strom- und Gas oft weit im Voraus ein. Dadurch seien die Endkundenpreise auch erst zeitverzögert gestiegen und würde jetzt zeitverzögert sinken, so der Verbund-Chef.

Die im Jänner eingesetzte gemeinsame Taskforce von E-Control und BWB hat sich die Preise auf dem Energiemarkt in den vergangenen Monaten angesehen und mit fiktiven Beschaffungskosten der Anbieter verglichen. Da man keinen Einblick in die realen Kostenstrukturen der Unternehmen habe, seinen mehrere fiktive Modelle erstellt worden, die sich darin unterscheiden, wie weit im Voraus Unternehmen sich mit Strom und Gas an den Großhandelsmärkten eindecken.

Bei dieser Analyse habe sich die ungleiche Behandlung von Bestands- und Neukunden sehr deutlich gezeigt: Bei Bestandskunden bewegten sich die Preise weitgehend mit den Kosten mit. Beim Strom lagen sie in den meisten Fällen sogar unter den Beschaffungskosten. Anders bei den Strom-Neukunden: Hier hätten viele Unternehmen die gesunkenen Kosten nicht weitergegeben. Für Urbantschitsch stelle sich hier die Frage, ob die günstigen Preise der Bestandskunden über die Neukundenpreise quersubventioniert wurden. Die Thematik betreffe zudem nicht nur kleine Alternativanbieter, sondern auch die großen Landesenergieversorger.

Angeschaut hat man sich auch, wie sich der Stromkostenzuschuss ausgewirkt habe. In zeitlicher Nähe zur Bekanntgabe der Beihilfen hätten einzelne Anbieter ihre Preise angepasst, erklärte Harsdorf-Borsch. Auch nachdem die Großhandelspreise gesunken sind, könne man beobachten, dass beim Strom die Endkundenpreise weniger schnell reagierten als beim Gas, wo es keinen Zuschuss gibt.

Schwierigkeiten sehen E-Control und BWB zudem bei den Preisanpassungsklauseln. Diese würden oft vorsehen, dass der Gesamtpreis mit steigenden Beschaffungskosten angehoben werden kann. Bei gleichbleibenden Fixkosten seien dadurch die Margen der Unternehmen wesentlich gestiegen, so Urbantschitsch.

Hintergrund der Untersuchung ist die starke Marktkonzentration im Energiebereich. Der Herfindahl-Hirschmann-Index, der diese misst, sei 2022 in so gut wie allen Bundesländern gestiegen. Mit Blick auf die letzten Jahre lassen sich hier grob zwei Gruppen identifizieren: Wien, Kärnten, Oberösterreich und die Steiermark mit einer etwas geringeren Marktkonzentration und die übrigen Bundesländer mit einer höheren Konzentration.

In einem weiteren Schritt habe die Taskforce am Montag umfangreiche Auskunftsverlangen an mehrere Versorger gesendet, die rund 80 Prozent des österreichischen Strommarkten ausmachen. Damit soll die Analyse des Marktes noch vertieft werden. Ausdrücklich begrüßt haben die Vertreter von BWB und E-Control geplante gesetzliche Nachschärfungen im Kartellrecht. Es brauche zudem klarere Regeln für Preisanpassungsklauseln.

Die Arbeiterkammer (AK) fügte dem in einer Reaktion auf den Taskforce-Bericht die Forderung hinzu, dass Versorger künftig die Notwendigkeit von Preiserhöhungen darlegen sollten müssen, vor allem dann, wenn es eine Strompreisbremse gibt. Zudem müssten Verbraucherinnen und Verbraucher während die Preisbremse gilt, ein Sonderkündigungsrecht erhalten. Zudem fordert die AK auch für Gas und Fernwärme einen Preisdeckel.

Für die SPÖ zeigt der Bericht, dass der Markt nicht funktioniert. Sie ortet zudem ein Versagen der Regierung. "Denn diese setzt auch in diesem Bereich keine Maßnahmen, um die Energiepreise zu senken und die Menschen vor der Rekordteuerung zu schützen", so der SPÖ-Energiesprecher Alois Schroll.

Auch die FPÖ sieht sich in ihrer Kritik an den Energiepreise aber auch an der Strompreisbremse bestätigt. Für FPÖ-Energiesprecher Axel Kassegger würden die Energieanbieter über die Preisbremse subventioniert auf Kosten der Steuerzahler. Gleichzeitig hätten die Konzerne zuletzt immer wieder Rekordgewinne erzielt.

ÖVP-Konsumentenschutzsprecher Peter Weidinger begrüßt dagegen die Erkenntnisse aus dem Bericht. "Die heutigen Ergebnisse und Empfehlungen werden nun intensiv diskutiert. Es wird erwartet, dass dieser Zwischenbericht den weiteren Prozess beeinflusst und die Grundlage für weitere Maßnahmen zur Verbesserung der Energiekontrolle im Gasmarkt legt", so Weidinger.

Der Anwalt Georg Zanger rät Kunden der großen Versorger nach dem Bericht der Taskforce dann dazu, "Entschädigungen gerichtlich geltend zu machen." Kartellrechtswidriges Verhalten dürfe sich nicht lohnen.

spo/stf

APA

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